Tuchels schweres Erbe

Wird Thomas Tuchel von Klopps Trainer-Zwilling zur Kloppo-Kopie? Im Trainer-Transfer der Saison stecken viele Chancen und viele Risiken. Der Tausch scheint logisch, er funktionierte schon einmal. Fünf Fragen und Antworten. 
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Wieder einer aus Mainz: Jürgen Klopp (l.) mit seinem Nachfolger Thomas Tuchel.
dpa Wieder einer aus Mainz: Jürgen Klopp (l.) mit seinem Nachfolger Thomas Tuchel.

Wird Thomas Tuchel von Klopps Trainer-Zwilling zur Kloppo-Kopie? Im Trainer-Transfer der Saison stecken viele Chancen und viele Risiken. Der Tausch scheint logisch, er funktionierte schon einmal. Fünf Fragen und Antworten. 

Dortmund - Beim FSV Mainz 05 nahmen sie's mit Humor. „Mainz 05 ist die Trainerschmiede des BVB“, twitterten die Mainzer und zeigten ein Foto, auf dem der aktuelle Bundesliga-Coach der 05er, Martin Schmidt, 2020 und der derzeitige U23-Trainer Sandro Schwarz 2025 im Trainingsanzug des BVB zu sehen sind. Denn nach Jürgen Klopp verpflichtet der BVB mit Thomas Tuchel den zweiten ehemaligen Mainzer Trainer. Auch Klopp selbst wird da ein Wörtchen mitgeredet haben.

Eine logische Entscheidung. Ein genialer Coup. Und ein Risiko.

Im Dortmunder Fan-Umfeld kommt die Entscheidung nicht ganz so gut an. Skepsis, ja Unverständnis macht sich in großen Teilen der BVB-Fangemeinde breit. 

Lesen Sie hier: Die Anna-Kraft-Kolumne

"Irgendwie scheint Dortmund nich so auf Tuchelkurs mittm neun Trainer zu sein", fasst es User "dortmunderisch" auf Twitter zusammen. Dabei will Tuchel gar keine Klopp-Kopie sein - mal ganz abgesehen, dass er es nicht sein kann "Ich vergleiche mich nicht mit Jürgen, ich bin anders", betonte der 41-Jährige einmal.

Fünf Fragen und Antworten zum Tuchel-Tausch...

# Welchen Stil verfolgt Thomas Tuchel?

"Ich stehe für gewisse Attribute, für eine aktive Spielweise, für mutiges Verteidigen, schnelles Spiel in die Spitze", beschrieb der 41-Jährige Ende März in einem Interview mit der "Zeit" seine Fußball-Philosophie. Das kommt dem Stil von Jürgen Klopp nahe. Er war der begehrteste deutsche Trainer auf dem Markt, unter anderem beim Hamburger SV und RB Leipzig im Gespräch. Er kommt nach einem fast einjährigen Sabbatical ausgeruht zurück auf die Fußballbühne, er lässt seine Mannschaft  intensiv und aggressiv spielen, er fordert und fördert seine Spieler permanent, er geht neue Wege in der Trainings- und Ausbildungsgestaltung, er verlangt großen läuferischen Einsatz und Teamgeist, er setzt auf Pressing und Gegenpressing. Der frühere BVB-Stürmer Karl-Heinz Riedle hält Parallelen zum Stil seines Vorgängers für unverzichtbar. Der Ex-Trainer von Mainz 05, habe jetzt noch genügend Zeit, um sich intensiv auf seinen neuen Arbeitsplatz vorzubereiten. Aber: "Wichtig wird sein, dass er der Spielphilosophie von Jürgen Klopp sehr nahe kommt. Die Spieler sind das über einige Jahre hinweg gewohnt", erklärte Riedle im "Sport1-Doppelpass".

# War Tuchel nicht schon in Mainz der perfekte Nachfolger?

In Mainz nahm Tuchel mit einem Jahr Verzögerung die Arbeit Klopps auf. Für weite Teile der Branche sind Tuchel und Klopp so etwas wie Zwillinge der Trainergilde. Doch: Dem Ex-Mainzer fehlt das Unbefangene, die Lockerheit eines Jürgen Klopp. Allerdings: In Mainz brauchte er das auch nicht. In Dortmund ist das öffentliche Interesse ein ganz anderes. Ständig im Fokus, zudem der Löwenbändiger in einem Zirkus voller Stars. Dazu ein verrücktes Fan-Umfeld. Wenn er die Anhänger auf seiner Seite hat, wird vieles leichter. Doch bis es "echte Liebe" wird, kann es ein langer Weg werden. Liebe auf den ersten Blick ist es augenscheinlich nicht.

# Was hat Tuchel an Erfolgen aufzuweisen?

Unter Tuchels Führung hat Mainz in 170 Bundesliga-Spielen eine positive Bilanz erreicht (65 Siege, 44 Unentschieden, 61 Niederlagen). Eine persönliche "kicker"-Statistik zur fünf Jahre andauernden Tuchel-Amtszeit in Mainz zeigt: Nur der FC Bayern (389 Punkte), Dortmund (350), Leverkusen (307) und Schalke (288) haben mehr Zähler eingefahren als Tuchel mit Mainz (239). Tuchel leistete in Mainz zweifellos gute Arbeit, machte aus einem Aufsteiger ein festes Bundesligamitglied. Seine Leistung wird vor aollem festgemacht an der fabelhaften Saison 2010/2011, als er die Mainzer auf Platz fünf und die Europa-League-Qualifikation führte. Dort scheiterten die Mainzer jedes Mal bereits vor der Gruppenphase - als einziges deutsches Team bislang in diesem Wettbewerb.

# Beginnt mit dem neuen Coach eine neue Ära?

In Mainz wurde Tuchel 2009 fünf Tage vor Saisonbeginn vom A-Jugend- zum Proficoach befördert und zeichnete bis Ende der Saison 2013/14 für den FSV verantwortlich. Wie einst in Mainz tritt Tuchel also zum zweiten Mal das schwere Erbe von Jürgen Klopp an. In Dortmund erhält er nun einen Vertrag bis zum 30. Juni 2018. Tuchel und Klopp debütierten beim FSV Mainz als Profi-Trainer, beide haben einen akademischen Hintergrund und beide verfügen über großes rhetorisches Geschick. Beim 3:0 gegen Paderborn, wurde der scheidende Trainer Klopp von den BVB-Fans gefeiert. „Jürgen Klopp, Jürgen Klopp“, hallte es durch das Stadion, als sich längst alle Zuschauer erhoben hatten. „Klar ist das schön. Aber ich kann mich als Mensch nicht jede Woche darauf einlassen“, sagte Klopp. Das Dilemma: Wenn Thomas Tuchel unter dem Druck der Massen und unter dem Druck der Vereinsführung Klopp doch kopiert, verbiegt er sich. Wenn er von Anfang an zu sehr seinen eigenen Weg geht, eine neue Linie fährt, eckt er gleich an, muss sich eine neue Schneise schlagen. Eine schwierige Gratwanderung. Chance und Risiko eben. In Dortmund hat Klopp seit dem 1. Juli 2008 große Fußstapfen hinterlassen (Meister 2011 und 2012, Pokalsieger 2012 und Champions-League-Finalist 2013). Tuchel übernimmt eine Truppe, die gewachsen ist und schon zahlreiche Erfolge gefeiert hat. Der bevorstehende Umbruch im Sommer bietet ihm eine Chance.

# Wie bereitet die Dortmunder Führung Tuchel das Feld?

Sagen wollte aber vorerst keiner was zu dem Transfercoup, Thomas Tuchel wird erst im Sommer offiziell vorgestellt. „Der BVB bittet um Verständnis dafür, dass sich alle Beteiligten bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Sache äußern werden“, hieß es. Nicht besonders klug: Denn so bleibt Tuchel bis zum Start im Juli der Fremde mit den großen Fragezeichen. Nach Saisonende wird Tuchel präsentiert, davor soll es keine Stellungnahmen zu Klopps Nachfolger geben.Die Erwartungshaltung ist klar: Vollgasfußball mit viel Herz. In Mainz hatte Tuchel seine Arbeit am Ende der Saison 2013/14 übrigens auf eigenen Wunsch vorzeitig beendet.Der Abgang war alles andere als ehrenhaft. Die Klubführung blockierte einen sofortigen Wechsel, sein noch ein Jahr länger datierter Vertrag wurde nicht vorzeitig aufgelöst, ein Wechsel zu einem anderen Verein hätte nur die Zahlung einer Ablöse ermöglicht. 

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