Sprechchöre und LaOla: Rudi Völler bringt die Liebe zur Nationalmannschaft zurück
Dortmund - Rudi wirkt, Retro funktioniert. Ein Augenzwinkern, ein verschmitztes Lächeln, kurz: einmal Handauflegen – und fertig war der Völler-Feelgood-Faktor bei der deutschen Nationalmannschaft, die gegen Vize-Weltmeister Frankreich (ohne den angeschlagenen Superstar Kylian Mbappé) am Dienstagabend mit 2:1 gewann – der erste Erfolg nach fünf sieglosen Partien.
Das DFB-Team zeigte zwei Tage nach der Entlassung des am Ende so glücklosen und abgekämpften Hansi Flick ein ganz anderes Gesicht, verteidigte entschlossener und begeisterte vor allem in der ersten Halbzeit die Fans in Dortmund auch spielerisch. Der 63-jährige Völler forderte zu seiner One-Match-Show "ein gutes, engagiertes Spiel mit viel Leidenschaft – unabhängig vom Ergebnis", und betonte sicherheitshalber vor dem Anpfiff noch einmal: "Ich mache das jetzt gerne – und dann werden wir jemand anderes verpflichten."
"Schiebt mal einen über die Linie": Thomas Müller glänzt als Mittelstürmer
Es dauerte nur bis zur vierten Minute als ganz viel Ballast vom DFB-Team abfiel und endlich mal wieder so richtig ausgelassen gejubelt werden durfte. Nicht nur, weil der neu reinrotierte Thomas Müller in seinem 123. Länderspiel sein 45. Tor erzielte (das erste seit Juni 2022), sondern weil es eine mitreißende Kombination über das halbe Feld war bis hin zur Flanke von Benjamin Henrichs auf den Oldie, der zentral mit links vollstreckte – 1:0.

Schon die erste Rudi-Rotation ging also auf. Völlers Überzeugung und Hoffnung: "Thomas ist ein Führungsspieler, gibt vorne Kommandos und schiebt hoffentlich als Mittelstürmer mal einen über die Linie." Gesagt, getan. Und das mit links. Spät traf Leroy Sané zum 2:0 (87.), Antoine Griezmann verkürzte per Elfmeter (89.).
Die Fans sind versöhnt: "Rudi Völler"-Rufe und LaOla im Stadion
Nur eine Minute später hallten erste "Ruuudi-Völler"-Sprechchöre durchs Stadion, das mit 60.486 Zuschauern nicht ganz ausverkauft war (zahlreiche Logen blieben komplett geschlossen). Dem Heilsbringer wird es gar nicht so recht gewesen sein, er will nicht wieder überredet werden.
Weil der Hesse weiß: Er kann so schlecht nein sagen. Nach einer guten halben Stunde machte die Welle die Runde, der Fan verzeiht schnell. Erstmals in den vergangenen Monaten (oder gar Jahren?) war Aufbruchstimmung zu spüren, ein Keim der Vorfreude.
Kingsley Coman vom FC Bayern bei Benjamin Henrichs in guten Händen
Niklas Süle, der am Dienstag zum zweiten Mal Vater geworden war, marschierte quasi aus dem Kreissaal aufs Feld – mehr Motivation geht ja auch nicht. Der Dortmunder bildete als Abwehrchef im Aufbauspiel eine völlig neu zusammengestellte Dreierkette, links neben ihm Antonio Rüdiger (Flicks erklärter Abwehrchef) und Jonathan Tah, der zu seinem ersten DFB-Einsatz seit März 2022 kam. Eine Idee des früheren Leverkusen Trainers Hannes Wolf (42), der einst beim Werksklub (März 2021 bis Saisonende).
Gegen den Ball rückte Henrichs als Linksverteidiger nach hinten, der Leipziger sollte Bayerns Rechtsaußen Kingsley Coman – was ihm vorzüglich gelang. Zwei der drei Wechsel gegenüber dem Japan-Desaster, außerdem durfte Müller als Mittelstürmer beginnen. Bayerns Joshua Kimmich (muskuläre Probleme – ob er am Freitag gegen Leverkusen dabei sein kann, ist unklar), Nico Schlotterbeck und Kai Havertz mussten weichen.

Rudis Assistenten: Hannes Wolf gibt Anweisungen, Sandro Wagner leitet das Warm-Up
Während der Partie wurde die Aufgabenteilung des Trainer-Trios deutlich: Wolf machte die Taktik, instruierte die Spieler auch bei Wechseln, der Münchner Sandro Wagner (35) leitete das Aufwärmprogramm. Und Tante Käthe, der Rudi? Er machte den Rudi. Mal hier ein Schulterklopfer, mal hier ein "Gut so!" oder "Weiter, Thomas!"
Ein Weiter-so mit Völler wird es nicht geben auf der Übersee-Reise im Oktober, wenn es gegen die USA und Mexiko geht. Dafür neue Hoffnung, 275 Tage vor dem EM-Start. Dank Rudi rastlos, der sich nun wieder seinem Job als DFB-Sportdirektor (und Trainerfinder) widmen kann.