„Paris wird auf jeden Fall in den Köpfen sein“

Vor dem Klassiker Deutschland – Holland spricht Erik Meijer über die Partie, Arjen Robben und die Folgen des Terrors in Frankreich.
Thomas Becker |
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Fassungslosigkeit bei den Spielern der deutschen Nationalmannschaft nach den Geschehnissen beim Länderspiel in Paris.
firo/Augenklick Fassungslosigkeit bei den Spielern der deutschen Nationalmannschaft nach den Geschehnissen beim Länderspiel in Paris.

AZ: Herr Meijer, nach den verheerenden Terroranschlägen von Paris beim Länderspiel Frankreich gegen Deutschland hat sich der DFB entschieden, zur Partie gegen die Niederlande anzutreten – eine gute Idee? Was sagen Sie als ehemaliger niederländischer Nationalspieler dazu?

ERIK MEIJER: Tja, ist das eine gute Idee? Da müssten wir die Spieler befragen. Andererseits will man solchen Idioten nicht nachgeben. Jetzt erst recht! Aber man fragt sich schon: Wie sieht es mit der Sicherheit aus? Wird das ab jetzt immer so sein? Bei jedem Bundesliga- oder Champions-League-Spiel? Wenn man sich jedes Mal fragt: ‘Was könnte passieren?’ Dann sieht die Welt bald ganz anders aus.

Kann man sich da als Fußballer überhaupt auf den Sport konzentrieren?

Du versuchst, dich zu fokussieren. Nun ist das Spiel in Hannover ein Match, bei dem es um nichts geht, sonst hättest du noch die Spannung, irgendetwas zu erreichen. Aber so wird es ein schwieriges Spiel.

Haben Sie selbst Angst, wenn Sie ins Stadion gehen?

Man sollte sich nicht in den gläsernen Käfig setzen. Andererseits ist die Gewalt der Terroristen so ziellos, richtet sich einfach gegen die Masse – das ist schon schwachsinnig.

Lesen Sie hier: Löw vor Niederlande-Partie - "Es ist ein Symbolspiel!"

Nächstes Jahr soll in Frankreich die EM stattfinden. Ist das nach diesen Anschlägen noch vorstellbar?

Das wird ganz speziell. Ich bin mal gespannt, was sich in den nächsten Monaten so tut.

Wie haben Sie damals als Spieler die Zeit nach 9/11 erlebt?

Da war ich beim HSV. Wir kamen nach dem Training rein und haben bei Hermann Rieger im Massageraum die Bilder aus New York gesehen. Du hast geschaut, aber überhaupt nicht verstanden, was passiert ist. Danach war das Thema nicht der Gegner, sondern das, was man gesehen hat. Man dachte: Amerika ist weit weg. Aber jetzt: Mit dem TGV bin ich von Maastricht aus in zwei Stunden in Paris. Das ist sehr, sehr nah. Aber du versuchst trotzdem, deine Arbeit zu machen. Das macht der Busfahrer auch, der jetzt durch Paris fahren muss.

Auch das Fußball-Leben geht irgendwie weiter. Die EM wird ohne die Elftal stattfinden.

Eine Riesen-Enttäuschung! Aber wir laufen ja schon seit Monaten hinter der Musik her. Wenn du hinter Tschechien, der Türkei und Island landest, hast du kein Recht, bei der EM mitzureden. Dann musst du schweigen, still in der Ecke sitzen und mal drüber nachdenken, was du in der letzten Zeit alles falsch gemacht hast. Und wie du es bald besser machen kannst, denn die WM-Qualifikation für 2018 in der Gruppe mit Frankreich und Schweden ist auch nicht einfach.

Lesen Sie hier: Löw hat keine Zweifel an EM in Frankreich

Was ist alles schiefgelaufen?

Wir haben zwei sehr gute WMs gespielt: Finale 2010, und auch 2014 war unter van Gaal ein gutes Turnier, mit einer Mannschaft, der wir nicht so viel zugetraut haben. Er hat die richtige Mischung gefunden: Wie spiele ich mit weniger dominanten Spielern? Ich passe mich an, spiele 5-3-2 gegen Spanien. Das hat Selbstvertrauen gegeben. Van Persie und Sneijder waren fit und Robben der beste Spieler des Turniers! Da hat alles gepasst. Nach der WM hat Guus Hiddink übernommen und gedacht, er könne wieder das normale holländische System spielen: 4-3-3. Er hat versucht, die Stimmung hochzuhalten, ist weniger auf die Taktik eingegangen – das hat wenig Punkte gebracht.

Es folgte der Wechsel zu Dany Blind.

Da hat sich nicht viel geändert. Die Schwierigkeiten nach vorne blieben, hinten gab es blöde Fehler. Ich glaube, der Mannschaft hat Stabilität gefehlt. Ein anderes System hätte wohl geholfen, auch den jungen Leuten, die hinten gespielt haben.

War das zu mutig mit den jungen Spielern?

Es gab wenig Alternativen. Wir haben vier, fünf ältere Spieler mit van Persie, Huntelaar, Sneijder und mit Robben als absolutem Weltklasse-Mann. Der Rest fällt allmählich etwas zurück – deshalb spielen sie jetzt auch in der Türkei. Aber sie sind noch so gut, dass die Jungen nicht an ihnen vorbei kommen. Da haben wir eine Lücke: zu wenig Spieler zwischen 20 und 28. Da ist nix! Die Jungen haben zu wenig Kilometer gedreht, zu wenig internationale Top-Spiele gemacht, als dass man von ihnen Wunder erwarten könnte.

Das heißt, für die WM-Quali 2018 wird sich der Kader kaum ändern?

Genau. Man muss sich nur fragen: Gehen wir einen resoluten Weg mit vielen Jungen oder wen behalten wir von der alten Garde? Das ist eigentlich einfach: Du musst die behalten, die gut sind.

Lesen Sie hier: Signal in Hannover - "Sicherheit hat Prio 1"

Wie wichtig ist Robben mit seinen 31 Jahren fürs Team?

Er ist für die Jungen ein Vorbild. Mit seinem Dribbling, seiner Schusstechnik und seinem Torriecher ist er einzigartig. Und einer, der vorangehen kann – und vielleicht auch muss.

Angeblich will ihn van Gaal nach Manchester holen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wechselt. Er bekommt bei Bayern alles, was er sich wünscht. Wenn er einen Osteopathen braucht, wird der geholt. Ich glaube, er fühlt sich pudelwohl – warum sollte er gehen? Gegen Deutschland wird er pausieren, weil er gegen Wales ja gespielt hat.

Was wird das nun für ein Spiel?

Deutschland gegen Holland bleibt immer ein interessantes Spiel, weil enorm viel Qualität auf dem Platz steht. Aber Paris wird in den Köpfen sein. Es gibt wichtigere Dinge im Leben als Fußball.

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