Löw vor Niederlande-Partie: "Es ist ein Symbolspiel!"
Hannover - Die Augen als Spiegel der Seele, sie sprachen Bände. Augen, die in den letzten Tagen zu viel gesehen hatten, die der Welt des Terrors nahe waren. Augen, die offenbarten, wie sehr Bundestrainer Joachim Löw seit dem Länderspiel an diesem Freitag, den 13., zwischen Frankreich und Deutschland im Stade de France über die barbarischen Terroranschläge, die in Paris 132 Menschen in den Tod rissen, nachgedacht hat. Wie sehr er gegrübelt hat. Wie sehr er sich auf der Suche nach Antworten zermartert hat. Und wie er genau diese Erklärungen nicht gefunden hat. Nicht finden konnte.
"Symbolspiel" gegen Niederlande
„Am Morgen danach hatte ich das Gefühl, dass das Spiel nicht stattfinden kann und soll“, sagte Löw. Erst nach langen Gesprächen und Beratungen sei am Sonntagmorgen „für alle klar gewesen, dass das Spiel stattfinden soll und muss“. Die Rede ist von dem Länderspiel am Dienstag (20.45 Uhr, ZDF) in Hannover gegen die Niederlande.
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"Klar werden unsere Gedanken bei den Familien und Freunden der Opfer sein. Und wir werden in jeder Phase des Spiels mitfühlen und mittrauern“, sagte Löw: „Für mich ist das ein Symbolspiel. Ich sehe es als klare Botschaft und klares Symbol für die Freiheit und die Demokratie. Wir wollen Verbundenheit, Mitgefühl, Trauer und Solidarität für unsere französischen Freunde nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa und auf der ganzen Welt demonstrieren.“
Löw suchte die Einsamkeit im Mannschaftsbus
Die Haut fahl, unter den Augen große, dunkle Schatten, war Löw am Montag in Hannover vor die Presse getreten. Immer wieder atmete, ja, schnaufte, er durch. Die Trauer, das Entsetzen war ihm in jede Geste, in jeden Blick anzusehen. Die Ereignisse haben Spuren hinterlassen. Jene Nacht in den Katakomben des Stadions, als man nicht genau wusste, was in Paris, der Stadt, die so gerne als Stadt der Liebe tituliert wird, an Barbareien vor sich gingen.
Gepaart mit dem Wissen, dass man zumindest wahrscheinlich selber sicher ist und so– trotz aller Angst – zu den Priviligierten dieser Nacht des Terrors und des Mordens gehörte. „Ich habe überhaupt nicht geschlafen, nein. Es war eine schreckliche, entsetzliche und für uns alle schockierende Nacht“, sagte Löw, „ich bin irgendwann mal eine halbe Stunde raus in den Bus gegangen, weil ich für mich einige Dinge, einige Gedanken einordnen musste.“
"Das mulmige Gefühl bleibt"
Das ist ein Prozess. Einer, der andauert, wie Teammanager Oliver Bierhoff betonte. „Für mich persönlich war der Tag oder die Tage danach emotional noch schlimmer. Es ist unglaublich, wie man in so einer Krisensituation funktioniert. Aber am nächsten Tag, versteht man erst, was eigentlich passiert ist. Das war sehr hart.“ Und Bayerns Weltmeister Jérôme Boateng erklärte im „kicker“: „Für mich war es das bisher schrecklichste Erlebnis meiner Karriere, weil wir so nahe dran waren. Das mulmige Gefühl bleibt. Ich hoffe, dass man das allmählich verarbeitet.“
"Sicherheit hat Priorität 1"
Das Spiel gegen die Niederländer wird auf jeden Fall eine Hochsicherheitspartie. „Sicherheit hat Priorität 1“, erklärte DFB-Interimspräsident Rainer Koch. Um Solidarität zu demonstrieren wrden auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und nahezu alle Minister in Hannover demonstrativ anwesend sein. Klar ist auch, das Sicherheitskonzept für die EM 2016, die ja in Frankreich stattfindet (10.6. bis 10.7.). wird nun auf dem Prüfstand gestellt.
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„Die Sicherheit für das Turnier in Frankreich wird bedingt durch die Vorfälle eine noch größere Herausforderung für uns als sie ohnehin schon war. Wir müssen dafür sorgen, dass alles Menschenmögliche getan wird, um bei der EM die bestmögliche Sicherheit zu garantieren“, sagte Hendrik Große Lefert, der Sicherheitsbeauftragte des DFB.
"Partystimmung ist nicht angebracht"
Einer Absage der EM erklärte Löw aber eine klare Absage. „Ich bin siche, dass alles dafür getan wird, die Spiele und das Turnier sicher zu machen“, sagte Löw und Boateng fügt an. „Letztlich ist es nicht entscheidend, wo die EM stattfindet, weil diese schrecklichen Attentate überall passieren können.“ Der DFB plant bei dem „Symbolspiel“ auch Gesten der Solidarität mit Frankreich, die Entscheidung welche – etwa das Singen der Marseillaise –, ist noch nicht endgültig gefallen.
Löws Appell: „Natürlich erwarte ich, dass es keine La Ola-Wellen gibt oder Gesänge, aber dass die Zuschauer und alle im Stadion eine Einheit bilden. Das ist das Wichtigste. Eine Partystimmung ist nicht angebracht. Alle sollen verstehen, dass dieses Spiel stattfindet mit ganz anderen Werten und für andere Werte. Wenn wir das Spiel so verstehen, haben wir unabhängig vom Ergebnis gewonnen.“