Ostermaier & Hartwig: "Wir sind ein Mördergespann!"

Der Ex-Löwe Jimmy Hartwig spielt die Hauptrolle in einem Fußballstück des Müncher Autoren Albert Ostermaier. Die Abendzeitung traf beide zum Gespräch.
AZ: Herr Ostermaier, welchen Fußballer hatten Sie vor Augen, als Sie 2006 das Stück „Ersatzbank“ – die Vorlage für „Spiel ohne Ball“ – geschrieben haben?
ALBERT OSTERMAIER: Natürlich vereint die Figur des Uwe viele gescheiterte Fußballer in sich – unter anderem Erwin Kostedde, der ja auch erwähnt ist. Fußballer, die im Scheinwerferlicht standen, in falsche Hände geraten, ausgenutzt werden, immer tiefer fallen.
Wie einst Gerd Müller, der Bomber der Nation?
OSTERMAIER An diesem Beispiel sieht man auch, welche Verantwortung gerade der FC Bayern für seine ehemaligen Spieler übernimmt, wenn sie in eine Schieflage geraten. In dieser Hinsicht funktioniert der Klub tatsächlich wie eine richtige Familie.
Ihr Protagonist Uwe ist ein Amateur, der kurz davor ist, den Sprung ins Profigeschäft zu packen. Er überfällt eine Bank. Herr Hartwig, Sie waren ganz unten – gingen Ihnen auch schon einmal solche Gedanken durch den Kopf?
JIMMY HARTWIG: Ein Banküberfall war nie eine Option, doch man fragt sich natürlich: Wo kommt das Geld her? Man hat die falschen Freunde – wie Uwe. Aber das alles darf ja nicht in der Öffentlichkeit stattfinden: Es gibt angeblich keine Fußballer, die Krebs haben, die Alkoholiker sind, die spielsüchtig sind. Wir zeigen in dem Stück die Wahrheit. Im echten Leben muss sich erst ein Robert Enke vor den Zug schmeißen…
OSTERMAIER: …du musst ja nur mal mit Uli Borowka reden und ihn fragen, wie viele Profis süchtig sind.
HARTWIG: Uwe muss seine Geschichte erzählen, mit dem Banküberfall hat er plötzlich die ganze Aufmerksamkeit. Nie hat ihm jemand zugehört – die Geisel hat die Arschkarte gezogen und muss das jetzt alles ertragen.
Die Schauspielerin Sylvia Camarda spricht kein einziges Wort – ein solches Solo ist eine ganz besondere Herausforderung für Sie.
HARTWIG:Das ist das Größte, Champions League, das ist wow! Ich hoffe, dass ich das so rüber bringen kann, wie er das sich vorgestellt hat.
OSTERMAIER: Das Stück, der Fußball spiegelt unsere Gesellschaft wider. Es gibt da die ganz oben, es gibt aber auch die Schattenseiten.
Herr Ostermaier, haben Sie selbst mal von einer Karriere als Fußballer-Profi geträumt?
OSTERMAIER: Ich wollte schon als Fünfjähriger meinem Idol Sepp Maier nacheifern und Nationaltorwart werden. Aber mein Vater hat mir verboten, in einen Verein zu gehen.
HARTWIG: … ich hab' ihn gesehen in der Autoren-Nationalelf. Wenn er in die richtigen Hände gekommen wäre – und das ist keine Schleimerei – hätte er's gepackt.
Da wir gerade dabei sind – was fasziniert Albert Ostermaier an Jimmy Hartwig?
OSTERMAIER: Seine absolute Unmittelbarkeit, die Direktheit, das Herausfordernde. Bei aller Schärfe hat alles unheimlich viel Herzschlag. Er vermittelt eine gewisse Fallhöhe, spielt auch immer damit, dass man ihn unterschätzt.
HARTWIG: Vor kurzem hab' ich zu meiner Frau gesagt: Der Ostermaier ist mein Bruder. Ich hab' sein Stück „Schwarze Sonne scheine“ im Residenztheater gesehen, da hat er seine Geschichte erzählt. Und er ist keiner, der anderen Leuten in den A... kriecht, er ist absolut ehrlich. Ostermaier/Hartwig – das ist ein Mördergespann, und wir machen bestimmt noch geile Sachen zusammen.
Gibt's Szenen, in den Sie sich selbst spielen?
HARTWIG: Ich hab mir wie Uwe auch mal gewünscht, woanders geboren zu sein. Nicht im Asozialen-Viertel in Offenbach, sondern meinetwegen wie diese Bankerin in Luxemburg. Ich hab's ja trotzdem geschafft. Wer hätte vor zehn oder 20 Jahren gedacht, dass Jimmy Hartwig mal beim DFB ist, dass er als Schauspieler arbeitet, Vorträge hält? Geht nicht? Gibt's nicht in meinem Leben! Auch wenn ich oft auf die Nase gefallen bin.
Was können Fußballer und Schauspieler voneinander lernen?
OSTERMAIER: Eine Fußballmannschaft kann nur funktionieren, wenn viele individuell starke Kräfte miteinander ein Geflecht bilden – so hat Bayern die Champions League gewonnen. Beim Theater neigen viele Darsteller dazu, immer vorne an die Rampe zu gehen, die Kollegen an die Wand spielen zu wollen – auch da müssen alle füreinander da sein.
HARTWIG: Es gibt aber auch viele Fußballer, die ihre Mitspieler schlecht aussehen lassen, im entscheidenden Moment nicht passen, obwohl der Nebenmann besser steht.
Herr Ostermaier, Sie haben gute Kontakte zum Residenztheater, haben mit Intendant Martin Kušej gearbeitet – wann sehen wir „Spiel ohne Ball“ in München?
OSTERMAIER: Der Jimmy hat den Ball auf dem Punkt liegen. Jetzt muss er ihn eben nur noch rein machen und wir kommen eine Runde weiter…