Neuer DFB-Kapitän: Big-Boss Basti
DÜSSELDORF - Der Mann ist am Ziel. Seit Jahren von Bundestrainer Joachim Löw zum „emotional leader“ der Nationalelf auserkoren und Stellvertreter des introvertierteren Philipp Lahm – nun wurde Bastian Schweinsteiger befördert. Der 30-Jährige bekommt nach dem Rücktritt des Weltmeister-Kapitäns die höchsten Weihen des deutschen Fußballs, die Kapitänsbinde der DFB-Elf. Der Bayern-Profi ist nun: Big Boss Basti.
Letzte Woche hatte sich Löw in München mit dem Mittelfeldspieler getroffen, am Montagabend der Mannschaft beim ersten WM-Wiedersehen im Düsseldorfer „Hyatt Hotel“ seine Entscheidung verkündet. In Abwesenheit von Schweinsteiger. Er fehlt beim Test gegen Argentinien wegen Knieproblemen (Patellasehne) und wird auch am Sonntag beim ersten EM-Qualifikationsspiel gegen die Schotten nicht dabei sein. Nicht anwesend, aber befördert. Verletzungsanfällig und dennoch zu Höherem berufen.
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Ein Problem? Ein Risiko? Löw verneint kategorisch: „Seine Verletzung ist nicht solcher Natur, dass er monatelang ausfallen wird. Ich hoffe, dass er schnellstmöglich zurückkehrt. Ich vertraue ihm absolut. Er hat ein großes Ziel – die EM 2016.“
Der Auserwählte gab überglücklich via DFB-Homepage zu Protokoll: „Es ist eine Ehre und Freude, aber zugleich eine Verpflichtung. Joachim Löw und ich arbeiten jetzt seit 2004 zusammen, und diese gemeinsame Zeit, die mit dem Gewinn des WM-Titels einen Höhepunkt hatte, schweißt natürlich zusammen. Insofern habe ich es als Privileg und auch als Anerkennung empfunden, gewissermaßen als Erster unter Gleichen ernannt zu werden.“
Kurios: Beim FC Bayern bleibt er weiter Vize von Lahm. An der Säbener Straße äußert man sich nicht zu konkreteren Comeback-Plänen des Oberbayers, der nach der WM lediglich beim Promotion-Kick an der US-Westküste gegen die MLS-Allstars für wenige Minuten eingesetzt wurde – und nach einem Foul vorzeitig in die Kabine humpelte. Auch wegen Schweinsteigers Fehlens auf unbestimmte Zeit hatten die Bayern Xabi Alonso als Mittelfeld-Stabilisator von Real Madrid verpflichtet.
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Doch Schweinsteiger hat sich noch gegen jedwede Widerstände durchgesetzt. Als Symbol seiner Karriere gilt der 13. Juli, das WM-Finale im Maracanã von Rio: Ein geschundener Schweinsteiger, der nach jedem Foul wieder aufstand, wegen eines Ellbogenschlags unter dem rechten Auge blutend. Ein taumelnder Boxer in der 12. Runde – aber ein Sieger nach Punkten. „Schauen Sie sich die Bilder vom Finale an, was er da für die Mannschaft, für uns geleistet hat,“, erinnerte Löw an Schweinsteigers 108. Länderspiel und begründete damit seine Wahl: „Bastian hat immer große Verantwortung übernommen, wenn es darauf ankam. Er genießt eine hohe Akzeptanz innerhalb der Mannschaft, ist ein guter Kommunikator.“
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Dass er häufig Länderspiele, vor allem Testpartien, wegen Blessuren verpasste, spielte für Löw keine Rolle: „Ich habe gespürt, dass er weiter vor Ehrgeiz nur so sprüht. Er ist Lahms legitimer Nachfolger, hat ihn ja auch vertreten.“ Schweinsteiger wiederum wird am Mittwoch von Manuel Neuer vertreten, der selbst als Kandidat für das Kapitänsamt galt. Für ihn sprach: Neuer spielt (nahezu) immer, die Alternativen Sami Khedira und Mats Hummels sind (zu) verletzungsanfällig. Siehe das Argentinien-Spiel, bei dem beide fehlen.
Doch als Torhüter hat Neuer im Spiel nicht den besten Einfluss auf Mitspieler und Schiedsrichter. Die meisten Länderspiele im Kader hat aktuell Lukas Podolski (116), der mit Schweinsteiger kurz vor der EM 2004 sein DFB-Debüt gegeben hatte. Doch das macht ihn nicht zum Aushilfsboss am Mittwoch.
Neuer aber wurde nicht zum neuen Vize befördert. „Wir legen uns im Moment nicht fest auf einen Stellvertreter“, erklärte Löw, der im „starken Spielerrat“ mit Schweinsteiger, Neuer, Khedira, Hummels und Müller auf eine natürliche Bildung der neuen Hierarchie setzt. Gute Bosse machen sich eben selbst zu Bossen.