Nach Rücktritt: Wer wird Blatters Nachfolger?

Mit seiner Rücktrittserklärung hat FIFA-Präsident Joseph S. Blatter ein wahres Beben in der internationalen Fußballwelt ausgelöst - und aller Welt Tür und Tor für eine Bewerbung geöffnet. Wer wird sein Nachfolger?
von  SID
Der jordanische Verbandschef Prinz Ali bin Al Hussein (39/Jordanien) gilt als Verlegenheitskandidat. Bei weiteren Kandidaten würde er deutlich an Stimmen verlieren.
Der jordanische Verbandschef Prinz Ali bin Al Hussein (39/Jordanien) gilt als Verlegenheitskandidat. Bei weiteren Kandidaten würde er deutlich an Stimmen verlieren. © dpa

Zürich - Über den Nachfolger entscheidet ein Außerordentlicher FIFA-Kongress zwischen Dezember 2015 und März 2016. Die Kandidaten müssen laut FIFA-Statuten schriftlich fünf Unterstützer vorweisen und eine Ethikprüfung bestehen.

Im Folgenden eine Übersicht möglicher Kandidaten:

Prinz Ali bin Al Hussein (39/Jordanien)

Unterlag am Freitag mit 73:113 gegen Blatter - trotz des ungeheuerlichen Skandals. War der Kandidat Europas (UEFA), verliert also bei einem anderen europäischen Kandidat mindestens die Hälfte der Stimmen. Wirkte insgesamt wenig weltmännisch und blass. Will versuchen, die FIFA zu ändern. Prognose: Falls noch weitere Kandidaten antreten, verliert der jordanische Verbandschef deutlich an Stimmen. Eher ein Verlegenheitskandidat.

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Michel Platini (59/Frankreich)

Im März wiedergewählter Präsident der Europäischen Fußball-Union (UEFA). Galt als legitimer Nachfolger Blatters, bis dieser sich entschloss, 2015 doch wieder anzutreten. Verzichtete dann wohl auch aus Angst vor der Niederlage auf den Wahlkampf gegen seinen einstigen Förderer und Freund und verschießt seitdem Giftpfeile Richtung FIFA. Überragend vernetzt im Weltfußball. Hat (fast) ganz Europa in der Tasche. Hinterließ auf dem FIFA-Kongress in Zürich einen schwachen Eindruck. Prognose: Der Franzose gehört trotz allen zu den großen Favoriten.

Wolfgang Niersbach (64/Deutschland)

Hat eine fast unglaubliche Funktionärskarriere hinter sich. Sitzt als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im Exekutivkomitee der UEFA (seit 2012) und ganz frisch auch in dem der FIFA. Versuchte sich in der FIFA-Krise als Moderator, was nicht immer gelang. Hat viele Freunde und Unterstützer. Prognose: Die FIFA-Präsidentschaft tut sich Niersbach (noch) nicht an. Gilt eher als Nachfolger Platinis an der UEFA-Spitze, wenn dieser FIFA-Boss werden würde.

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Michael van Praag (67/Niederlande)

Trat kurz vor der Wahl von seiner Kandidatur zurück, die er eh eigentlich nicht geplant hatte. Großer Kritiker des FIFA-Systems. Als niederländischer Verbandsboss vor allem in Europa beliebt und mit großer Funktionärserfahrung. Weltweit eher die kleine Lösung. Prognose: Wird nicht als Kandidat, sondern als Unterstützer eines anderen UEFA-Kandidaten antreten.

Luis Figo (42/Portugal)

Weltstar und weltberühmt. Trat kurz vor der Wahl von seiner Kandidatur zurück, und das beleidigt. Wollte die FIFA umkrempeln und für etwas Neues, Besseres sorgen - so wie früher auf dem Platz. War nicht unbedingt der Kandidat Europas, sondern der unabhängigste von den drei Blatter-Herausforderern. Prognose: Versucht es nochmal, dürfte gegen einen "echten" Funktionär aber chancenlos sein.

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Scheich Ahmad al Fahad al Sabah (51/Kuwait)

Mächtiger Strippenzieher im Weltsport. Verhalf Thomas Bach auf den Thron des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und wartet seitdem auf die Revanche. Hat Asien hinter sich und ist sehr gut vernetzt. Ist klarer Befürworter der Wüsten-WM in Katar 2022. Prognose: Tritt er an, ist er einer der Favoriten, würde aber nicht unbedingt für einen vollkommen transparenten Wahlkampf stehen.

Jérôme Champagne (56/Frankreich)

Schickte der Fußball-Welt monatelang ein (durchaus durchdachtes) Wahl- und Reformprogramm. Scheiterte aber an den nötigen fünf Unterstützern. Komplett auf sich allein gestellt, aber als ehemaliger FIFA-Funktionär mit Stallgeruch. Wird sich wieder in Stellung bringen. Prognose: Der Traumkandidat von außenstehenden Reform-Forderern wird es wieder schwer haben, die Unterstützer zu bekommen.

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Franz Beckenbauer (69/Deutschland)

Der Kaiser. Steht für den Fußball in Deutschland und ist überall auf der Welt bekannt und beliebt. Saß im FIFA-Exekutivkomitee und machte 2010 sein Kreuzchen für die WM-Ausrichter 2018 und 2022 - für wen, hat er nicht verraten. Prognose: Eine Kandidatur ist so gut wie ausgeschlossen.

David Gill (57/England)

Früher Boss von Manchester United. War der Einzige, der klar Stellung gegen Blatter bezog und seinen Exko-Posten zunächst nicht antrat. Held der FIFA-Opposition auf der Insel. Würde alles anders machen. Prognose: Hat nur Chancen, wenn sich Europa auf ihn einigt, hat mit seiner Kritik aber vielleicht schon zu viele andere in der Fußballwelt vergrault.

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Zico (62/Brasilien)

Eins von Brasiliens Fußball-Idolen. Sagte per Facebook: "Warum nicht?" Darum: Ist kein Funktionär, sondern momentan noch als Trainer angestellt. Prognose: Selbst wenn er will, bekommt er keine fünf Unterstützer.

Joseph S. Blatter (79)

Aussichten bei einem Rücktritt vom Rücktritt gleich null.

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