Mittelfeld-Motor gesucht: Wer wird Chef?

Schweinsteiger, Gündogan und Khedira verletzt – wer soll jetzt als Mittelfeld-Boss das DFB-Team zum ersten WM-Sieg seit 1990 führen? Die AZ macht vor dem England-Spiel den großen Check
LONDON Per Mertesacker und André Schürrle mutierten kurzerhand zu Reiseführern. Weil sie bei Londoner Klubs kicken (Arsenal und Chelsea), übernahmen die beiden das Rahmenprogramm, zeigten den Mitspielern vor dem Testländerspiel gegen England in Wembley (21 Uhr/ARD) Sehenswertes in fußläufiger Distanz zum Mannschaftshotel (z.B. den Buckingham Palace). "Etwas Sightseeing muss sein. Aber das Spiel steht im Vordergrund", sagte Mertesacker.
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Im Vordergrund steht vor allem der geprobte Ernstfall: Wer läuft im deutschen Mittelfeld auf, wenn Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira und Ilkay Gündogan unpässlich sind? Wer gibt dort den Ton an? Auch auf Philipp Lahm und Mesut Özil verzichtet Bundestrainer Jogi Löw vorsorglich, will sehen, auf wen er sich sonst verlassen kann.
Sicher, die Rückkehr von Schweinsteiger und Gündogan ist für Januar anvisiert, alles noch im WM-Rahmen. Doch ob Schweinsteigers instabiles Fußgelenk und Gündogans Rücken dann auch wirklich bis Brasilien halten, bleibt abzuwarten. Und Khediras (Kreuzbandriss) WM-Teilnahme steht in den Sternen.
Nun müssen also erstmal andere in die Bresche springen. Gegen England, vielleicht auch im März gegen Chile und unter Umständen sogar bei der Weltmeisterschaft.
Löw sucht den Mittelfeld-Chef, einen wie Wolfgang Overath (1974), Paul Breitner (1982), Lothar Matthäus (1990), Michael Ballack (2002) oder eben Schweinsteiger bei der letzten WM 2010.
Wer sich als Chef eignet? Der AZ-Check.
TONI KROOS Einer der Gewinner der vergangenen Monate unter Löw, spielt jetzt immer. Kann auch die Schweinsteiger-Position, Hauptsache Zentrum. Ein Genie am Ball, oft jedoch auch etwas dösig, dosiert. Ihm hängt der Makel an, kein Spielentscheider zu sein. Was man dabei gerne vergisst: Er ist erst 23. Und immerhin: gegen Italien wehrte er sich mal, rächte Thiago Mottas Ellenbogenschlag gegen Philipp Lahm mit einem zünftigen Revanchefoul und mischte auch im anschließenden Handgemenge fleißig mit. Darf sich gegen England beweisen – und unersetzbar machen.
Chef-Faktor: 3 von 5.
MESUT ÖZIL Die Spielmacherposition ist sein natürliches Habitat, per se eine Chefrolle. War bester DFB-Torschütze der WM-Quali (acht Treffer). Aber Özil, ein Boss? Dafür nimmt sich der gebürtige Gelsenkirchener zu viele schöpferische Pausen, wirkt auch nicht auf Mitspieler ein. Technisch brillant ist er, rhetorisch eher nicht so. Bekommt gegen England eine Verschnaufpause.
Chef-Faktor: 2 von 5.
PHILIPP LAHM Zeigte sich gegen Italien in der Pep-Rolle als alleiniger defensiver Mittelfeldspieler im Nationaltrikot. Eine Chefrolle zur Kapitänsbinde, das passt eigentlich. Weil's für rechts hinten jedoch keinen adequaten Ersatz gibt, bleibt das bei Löw bis auf weiteres aber nur der Plan B.
Chef-Faktor deshalb nur: 4 von 5.
LARS BENDER Der Leverkusener hatte sein Coming Out als Nationalspieler bei der EM, als Torschütze gegen Dänemark. Oft unterschätzt, eine Allzweckwaffe, aber Führungsfigur? Matthias Sammer bescheinigt ihm gute Chef-Anlagen. Sich als Boss aufzuspielen ist jedoch schwer für jemanden, der immer mit seinem Zwilling in einem Atemzug genannt wird.
Chef-Faktor: 2 von 5.
SVEN BENDER DFB-Pechvogel. Der Dortmunder fehlte oft verletzt, verpasste auch die EM 2012. Steht deswegen leicht im Schatten seines Bruders. Nun aber mit Einsatzgarantie im defensiven Mittelfeld für England. Als Neuling jedoch keine Chef-Alternative.
Chef-Faktor: 1 von 5.
JULIAN DRAXLER Der junge Schalker ist weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen, steht bei Löw aber noch hinter Özil oder Reus an und wird im Nationalteam oft auch nur auf außen eingesetzt. Gegen England kann er sich nun zeigen.
Chef-Faktor: 1 von 5.