König Kroos: Das ist Löws neue Mittelfeld-Hierarchie
Ascona/München - Der Bundestrainer wird weiter zu Toni Kroos halten – trotz dieser kleinen Gemeinheit seines Spielmachers. Joachim Löw solle ihm nicht böse sein, sagte Kroos im Interview mit der "Süddeutsche Zeitung", aber Zinedine Zidane, der frühere Weltklassespieler und heutige Trainer von Real Madrid, sei dann doch ein bisschen „stärker“ als Löw, wenn er ab und zu im Training nochmal bei einer Übung mitmache.
Ein paar aufbauende Worte richtete Kroos anschließend noch an Löw, natürlich mit einer ordentlichen Portion Ironie: „Das kann der Jogi wahrscheinlich verkraften: Am Ball nicht ganz so gut wie Zidane, damit müssen viele leben.“
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Er hat ja gut reden, dieser Toni Kroos. Es lässt sich leicht über den Nationalcoach witzeln, wenn man weiß, dass man inzwischen selbst den Vergleich mit einem Ausnahmespieler wie Zidane nicht mehr scheuen muss. „Toni Kroos hat eine tolle Entwicklung gemacht“, sagt Löw – und lobt die „Präsenz, Sicherheit und Klasse“ des 26-Jährigen. Löw hätte noch hinzufügen müssen: Verlässlichkeit.
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Denn während Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira sich mal wieder mit Verletzungen durch die Saison schleppten, vor dem Start der EM um Anschluss und ihre Rolle im Team kämpfen, gab Kroos dem Bundestrainer stets Planungssicherheit. Er ist der konstanteste deutsche Mittelfeldspieler – und mittlerweile auch der unumstrittene Chef im Zentrum. Die AZ zeigt die neue Hierarchie auf der Sechserposition.
1. Toni Kroos
Er ist ja schon selbstbewusst – aber die Brust des Real-Stars könnte weiter wachsen, wenn er an diesem Samstag das Finale der Champions League gewinnt. Mit den Königlichen trifft er in Mailand auf Stadtrivale Atlético, „der größte Klub muss auch das Größte gewinnen“, forderte Kroos in der SZ. Löw und die DFB-Kollegen werden das Spiel anschauen. „Es würde mich wahnsinnig freuen, wenn er mit einem Erfolgserlebnis zu uns stößt – ich hoffe natürlich, dass Real gewinnt“, sagte Löw. Am Sonntag, im Testspiel gegen die Slowakei, wird Kroos dem Nationalteam noch fehlen. Am 12. Juni aber, wenn das erste EM-Gruppenspiel gegen die Ukraine ansteht, wird Kroos die Position vor der Abwehr besetzen, als Ballverteiler und Angriffsinitiator. Es geht nur darum, wer neben ihm spielt. Neben Löws neuem König.
Vorbereitung im Fitnesszelt - gleich geht's auf den Platz. #JederFuerJeden #DieMannschaft #EURO2016 pic.twitter.com/9YWcxBLJbH
— Die Mannschaft (@DFB_Team) 28. Mai 2016
2. Sami Khedira
Die Situation in diesem Jahr ist für den Star von Juventus Turin ja fast schon Luxus. Anfang Mai hatte sich Khedira eine Wadenzerrung zugezogen – doch deshalb ein EM-Aus zu fürchten, wäre in Khediras Fall völlig unangebracht. Zur Erinnerung: 2014, vor der WM, kämpfte sich der frühere Stuttgarter nach einem Kreuzbandriss zurück – und war in Brasilien einer der wichtigsten deutschen Spieler. Am Donnerstag kam Khedira beim 7:0 im Testspiel gegen die U20 schon wieder zum Einsatz. Er ist weiter als 2014 vor Turnierbeginn – und damit die erste Option für den Platz neben Kroos.
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3. Bastian Schweinsteiger
Der Kapitän, der Held von Rio – und die große Unbekannte in Löws Aufgebot. Seinen Wert für die Nationalmannschaft hat Schweinsteiger in nun zwölf Jahren stets bewiesen, doch im Vorfeld dieses Turniers ist die Ausgangslage kompliziert wie nie für den Spieler von Manchester United. „Ich habe seit Ende März kein Spiel gemacht. Ich muss sehr viel aufholen“, sagt Schweinsteiger. Damals zog er sich einen Innenband-Teilriss im Knie zu. „Bastian braucht Trainingspraxis und Rhythmus“, sagt Löw. Doch bislang trainierte Schweinsteiger im Trainingscamp in Ascona nur individuell. Vermutlich wird er wie vor zwei Jahren in Brasilien erst während des Turniers eine echte Alternative sein. 2014 sei er „in einem noch schlechteren Zustand als heute gewesen“, sagt Schweinsteiger: „Ich werde mich peu à peu nach vorn arbeiten und schauen, wie es dann aussieht.“ Nach einer schwachen Saison und angesichts der starken Konkurrenz droht ihm die Bank.
Ginge es nach Pep Guardiola, würde der Youngster des FC Bayern gar nicht in diesem Ranking zu finden sein. Schließlich hat Guardiola Kimmich zum Innenverteidiger umgeschult. „Ich spiele alles, das ist mir egal“, sagt der 21-Jährige zu seiner Wunschposition in der Nationalelf. Löw sieht Kimmich aktuell eher im Mittelfeld, gegen die Slowakei am Sonntag darf der Bayern-Profi wohl mindestens 45 Minuten als Sechser an. Auch die Rolle als Rechts- oder Linksverteidiger hat Kimmich schon ausgefüllt. Seine Flexibilität macht ihn für Löw so interessant. „Wenn man es soweit geschafft hat, will man auch endgültig dabei sein“, sagt Kimmich.
5. Julian Weigl
Wie der Bayern-Spieler hat auch der Dortmunder eine tolle Saison hinter sich. Im Test gegen die U20 spielten die beiden Youngster ein paar Minuten Seite an Seite, „sie haben eine große Ruhe und Sicherheit am Ball“, lobte Löw. Weigls Chancen auf ein EM-Ticket sind aber als geringer einzuschätzen: Er kann nur auf der Sechser-Position spielen. Fällt Schweinsteiger doch für die EM aus, wird Weigl zur Option. Sonst wird er wohl gestrichen.