Joshua Kimmich: Wird er Jogis Problem-Löser?
Ascona - Der Name Joshua Kimmich fiel zwar nicht, aber das Talent des FC Bayern dürfte sich angesprochen gefühlt haben, als Thomas Schneider am Freitag eine der größten deutschen Schwachstellen vor der EM ansprach. "Das hat uns nicht gefallen", sagte der Assistent von Joachim Löw zum zuletzt gezeigten Verhalten der DFB-Elf bei Standardsituationen: "Daran müssen wir in der nächsten Woche intensiv arbeiten." Speziell von Kimmich erwarten sich die Trainer eine Steigerung: Der 21-Jährige hatte seine Gegenspieler zuletzt im Test gegen die Slowakei bei zwei Treffern gewähren lassen.
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Allein: Kimmichs rasantem Aufstieg, auch bei Löw, konnte das eher misslungene Debüt nichts anhaben. Der Bayern-Star hat vor dem EM-Start gute Chancen auf einen Platz in der Startelf. Als Rechtsverteidiger. Auf einer Position, die er bislang nur ganz selten gespielt hat. Aber das kennt er ja aus dieser Saison vom FC Bayern.
"Ich vertraue ihm zu 100 Prozent", sagt Teamkollege Neuer
Wie Pep Guardiola, der Kimmich wegen personeller Engpässe kurzerhand zum Innenverteidiger umschulte – sehr erfolgreich übrigens –, hat auch Löw ein Problem in der Defensive. Und wie für Guardiola könnte Kimmich nun die Lösung sein. Seit Jahren, spätestens aber seit dem Rücktritt von Philipp Lahm, sucht Löw eine Ideal-Lösung auf der rechten Abwehrseite.
Nachdem er seit dem WM-Triumph 2014 sechs verschiedene Spieler (Kevin Großkreutz, Shkodran Mustafi, Sebastian Rudy, Matthias Ginter, Antonio Rüdiger und Emre Can) mit mäßigem Erfolg testete, kommt ihm der junge Allrounder Kimmich wie gerufen.
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"Josh kann alles spielen", sagt Jérome Boateng. Auch die anderen Bayern-Kollegen im Nationalteam loben ihn überschwänglich. "Er ist mutig, hat keine Angst und gute Leistungen gezeigt", erklärt Torhüter Manuel Neuer: "Ich vertraue ihm zu 100 Prozent und habe immer ein gutes Gefühl mit ihm." Und Thomas Müller meint: "Er ist sicher einer der Kandidaten für rechts."
Kimmich selbst würde "am liebsten im defensiven Mittelfeld spielen". Doch dass unter Umständen Umwege dorthin führen, mussten vor ihm schon Bastian Schweinsteiger und Lahm erleben. "Und es ist ja nicht so, dass ich ungerne rechts hinten spiele", sagt er: "Niemand steht ungern auf dem Platz. Jeder weiß inzwischen, dass ich ein paar Positionen spielen kann."
Auch Löw. Im Geheim-Test gegen die U20 spielte der Youngster im Mittelfeld und hinten rechts. Beim Länderspiel-Debüt gegen die Slowakei (1:3) als rechter von drei Innenverteidigern und als "Sechser". Doch Löw weiß: Am nützlichsten ist der gebürtige Rottweiler aktuell rechts hinten.
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Dass die Tür zur Nationalelf überhaupt aufging, hat er Guardiola zu verdanken, der den optisch noch kindlich wirkenden, charakterlich aber sehr reifen Musterschüler ("Er ist fast mein Sohn") förderte. Und sein Potenzial als Abwehrspieler erkannte. "Hätte vor der Saison jemand gesagt, dass sich vier Innenverteidiger verletzen, wäre ich und wohl auch sonst niemand auf die Idee gekommen, dass das eine Riesenchance für mich sein könnte", erklärt Kimmich.
Guardiola erkannte es. Kimmich löste sein Problem. Und nun, bei der EM, vielleicht auch das von Löw. Nur eine Sache muss er dafür noch ändern: sein Verhalten bei Standardsituationen.