FC Bayern: Waldemar Hartmann: Mats Hummels hat nach Rundumschlag schweren Stand
München/Berlin/Sotschi - Showdown im Fisht Stadium von Sotschi: Deutschland spielt am Samstag (20 Uhr, im AZ-Liveticker) gegen Schweden bereits um die letzte Chance auf das WM-Achtelfinale.
Die Anspannung ist rund um das DFB-Team beinahe greifbar. Die Kollektiv-Kritik von Mats Hummels, die Kritik-Ressistenz von Joachim Löw, der Offensivdrang von Joshua Kimmich - die AZ sprach mit Kult-Kommentator und Experte Waldemar Hartmann über die drängenden Themen rund um den Weltmeister bei der Fußball-WM 2018.
AZ: Herr Hartmann, Mats Hummels hat nach dem Mexiko-Debakel verbal ganz schön draufgehauen.
WALDEMAR HARTMANN: Das, was er gesagt hat, war richtig. Allerdings, und das weiß jeder Arbeitnehmer, muss ich zuerst vor der eigenen Tür kehren. Im Fußball gehört sowas eigentlich in die Kabine. Aber offensichtlich hat es in Hummels so gebrodelt, dass er keine andere Möglichkeit mehr gesehen hatte, als es in die Öffentlichkeit zu tragen. Früher haben das Spieler immer mal wieder gemacht. Aber im Innenleben (der deutschen Nationalmannschaft, d. Red.) hat er in den kommenden Tagen jetzt einen schwereren Stand.
Hartmann: Rundumschlag von Hummels
War die Kritik Ihrer Meinung nach gegen Joachim Löw oder einzig gegen die Kollegen gerichtet?
Das war schon ein Rundumschlag. Wir bedauern ja sonst die stereotypen Antworten nach einem Spiel. Jetzt hat mal einer was gesagt. Hoffentlich haben die von Hummels Angesprochenen es auch kapiert. Jetzt geht es um das Team, nicht um Einzelinteressen.
Glauben Sie denn, dass die These von Bayern-Star Sandro Wagner stimmt, dass der Bundestrainer solche meinungsstarken Spieler nicht mag?
Wenn Wagner das beobachtet hat, wird schon was dran sein. Ich sitze nicht in der Kabine, ich bin nicht in Watutinki. Aber wenn der Wagner das sagt: Von den Spielern kamen schließlich keine Dementi, nur vom Trainer.

Hummels hat sich aber angreifbar gemacht, weil er nur 36 Prozent gewonnene Zweikämpfe hatte und auch in riskanten Situationen als Innenverteidiger sehr weit aufgerückt ist.
Beide Innenverteidiger vom FC Bayern sind nicht mehr die Schnellsten. Deswegen ist die Not groß. Ich würde es aber nicht an Hummels festmachen, wenn das deutsche Mittelfeld als schnellste Gangart Trab wählt. Dann ist es wurscht, wenn du die sogenannten individuellen Fehler machst. Hummels hat sich aus der Abwehr locken lassen. Löw hat im Interview gesagt, dass Chicarito den Ball klatschen lässt und steil geht. Das war genau die Szene vor dem Tor. Hummels hat bei der Taktikbesprechung offenbar nicht aufgepasst, weil Löw meinte, dass er das angesprochen hatte. Es haben aber auch andere Fehler gemacht.
Zum Beispiel?
Joshua Kimmich hat sich als Rechtsaußen gefühlt und die eigene Hälfte kaum gesehen. Keiner, keiner hat Normalform erreicht. Aber vielleicht glauben wir auch nur, dass es da eine Normalform gibt. Denn die Mannschaft spielt seit der Qualifikation nicht mehr überzeugend.
Hartmann: Kimmich muss sich an Kritik messen
Kimmich kritisiert seit Wochen, vernachlässigt aber selbst seine defensiven Aufgaben.
Klar, darf ein junger Spieler Kritik äußern. Er muss sich daran aber auch messen lassen.
Wer wäre jetzt der Spieler, der vorangeht und die Stimmung umreißt – Thomas Müller?
Der in den letzten beiden Bundesliga-Spielzeiten fünf und acht Tore geschossen hat (Bundesliga 2016/17 und 2017/18, d. Red.). Auch Müller ist seit einiger Zeit nicht in Form. Mir macht nichts Hoffnung. Wir dürfen froh sein, wenn wir ins Viertelfinale kommen. Seit Monaten haben wir uns vom Confed Cup blenden lassen. Und seither? Für mich wiederholt sich die Geschichte.
Hartmann glaubt nicht an DFB-Team
Welche?
Die Geschichte von 1994. Ich war damals in den USA bei der deutschen Mannschaft. Die Weltmeister von 1990 plus die Spieler aus dem Osten - viele Experten sagen, das sei die beste Nationalmannschaft gewesen, die wir je hatten. Doch das war keine Mannschaft. Sie haben nicht mehr gespielt wie vier Jahre vorher. Und das wiederholt sich nun.
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