Die Leiden des Joachim L.

Bundestrainer Löw hält sich weiterhin über seine Zukunft bedeckt. Das EM-Aus hat ihn mitgenommen. Will er Geschichte schreiben und 2018 den WM-Titel verteidigen? Oder setzt ihm der Druck zu sehr zu?
Julian Buhl |
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Paris – Ob das EM-Finale, das Joachim Löw wohl gestern in seinem Urlaubsdomizil auf Sardinien im TV verfolgte, zur Selbsttherapie beigetragen hat? Der Schlussakt des Turniers könnte dem Bundestrainer zumindest dabei helfen, das in Frankreich Erlebte ein wenig zu verarbeiten – auch wenn er mit seinem Team daran nicht teilhaben durfte. Denn so ganz hinter sich lassen kann der 56-Jährige die EM nach dem bitteren Aus offensichtlich (noch) nicht. Zu sehr hat ihm das Halbfinale gegen Frankreich, das seine Mannschaft optisch größtenteils dominiert, aber am Ende 0:2 verloren hatte, zugesetzt.

Danach hatte Löw sogar die Fortsetzung seiner Tätigkeit als Nationalcoach, der er nun schon seit zehn Jahren nachgeht, offengelassen. Dabei hatte er das deutsche Team bei allen fünf Turnieren seit der Amtsübernahme 2006 von Jürgen Klinsmann mindestens bis ins Halbfinale geführt – und war spätestens mit dem Triumph bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien über jeden Zweifel erhaben geworden. Dass ihm ebenjene in seiner Karriere als Bundestrainer allerdings bisweilen durchaus zugesetzt haben, hatte er vor dieser EM erstmals öffentlich zugegeben. Das Halbfinal-Aus bei der EM 2012 gegen Italien (1:2) war von seinen Kritikern beispielsweise größtenteils an ihm und seinem vermeintlich falschen Coaching festgemacht worden.

Löw: "Was soll ich eigentlich tun?"

Nach dem Frankreich-Spiel hat sich Löw aus Trainer-Sicht eigentlich wenig vorzuwerfen. Gerade das macht die Niederlage für ihn umso schlimmer. Wie lange er nun brauche, um darüber hinwegzukommen, wurde Löw noch in Frankreich gefragt. „Das ist schwierig zu beantworten“, sagte er. Aber am 31. August, wenn in Mönchengladbach das Freundschaftsspiel gegen Finnland ansteht, wird Löw an die Seitenlinie zurückkehren. Oder etwa nicht? „Ich denke mal“, sagte Löw zögerlich und mit leiser Stimme. „Das Gefühlsleben ist ein anderes. Wenn ein Turnier nach sieben Wochen Zusammensein, Arbeit, ständigen Aufgaben und viel Kommunikation zu Ende ist und man den ersten, zweiten Tag wieder zu Hause ist, dann fragt man sich: Was soll ich eigentlich tun?“, sagte er bereits vor dem Frankreich-Spiel.

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Der DFB würde lieber heute als morgen den noch bis 2018 gültigen Vertrag mit Löw verlängern. Präsident Reinhard Grindel wies aber darauf hin, „dass der Bundestrainer darum bittet, die Ruhe zugebilligt zu bekommen, ein solches Turnier zu analysieren“. Auch vor zwei Jahren nach dem WM-Triumph von Brasilien hatte Löw gezögert, bevor er die EM-Mission begann. Das Turnier stufte er da nur als „wichtiges Zwischenziel“ auf dem Weg nach Russland 2018 ein. „Ich glaube, dass es etwas ganz, ganz Besonderes ist, wenn wir es schaffen würden, den Weltmeistertitel zu verteidigen. Das hat noch keine deutsche Mannschaft in der Geschichte geschafft“, sagte er damals.

Der Beginn einer Selbsttherapie?

In den Wochen vor der EM habe er über kaum etwas anderes reden können, als endlich Italien zu besiegen – und mit dem Titel der erfolgreichste Bundestrainer aller Zeiten zu werden, schreibt nun der „Spiegel“ und zitiert dabei einen namentlich nicht genannten DFB-Funktionär. Der behauptet auch, dass Löw davon derart besessen gewesen sei, dass er sich in Gesprächen „völlig ausklinkt. Er hat dann fast autistische Züge“. Dem Bericht zufolge sei sein Strahlemann-Image nur eine Fassade für einen Menschen, dem Ehrgeiz und Druck immer mehr zusetzen und der in den in entscheidenden Momenten als Trainer Nerven zeigt.

Das spiegele sich auch in seinen nervösen Marotten an der Seitenlinie. Vor der EM soll ein Mentaltrainer versucht haben, ihm das abzugewöhnen. Er riet Löw, einen Stift oder eine Flasche in die Hände zu nehmen, um damit nichts Verwerfliches anzustellen. Löw hatte irgendwann keine Lust mehr auf diese „Therapie“. Bei der EM dokumentierten TV-Kameras nun, wie er sich während einem Spiel in die Hose griff. Beim Anblick der Bilder soll Löw laut „Spiegel“ „entsetzt und niedergeschlagen“ gewesen sein. Gegen Frankreich war er dann tatsächlich öfter mit einem Stift in der Hand zu sehen. Der Beginn seiner Selbsttherapie?

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