Blatter tritt zurück: die Reaktionen

Joseph Blatter, der Herrscher der FIFA, gibt auf. Der Korruptionsskandal kostet ihm das Amt. Er tritt zurück. Derweil haben sich auch UEFA-Präsident Platini und Blatters Ex-Herausforderer Prinz Ali zur Situation geäußert.
von  Jens Marx und Wolfgang Müller, dpa
Joseph Blatter während der FIFA-Pressekonferenz am 2. Juni.
Joseph Blatter während der FIFA-Pressekonferenz am 2. Juni. © dpa

Joseph Blatter gibt auf! In einer kurzen Rede formulierte er die Worte, die selbst im Sumpf der andauernden Korruptionsvorwürfe an seinen Verband niemand erwartet hatte: Der 79 Jahre alte Schweizer tritt als Präsident des Fußball-Weltverbandes zurück. «Ich habe ernsthaft über meine Präsidentschaft nachgedacht und über die vierzig Jahre, in denen mein Leben untrennbar mit der FIFA und diesem großartigen Sport verbunden gewesen ist», sagte Blatter in französischer Sprache. Durch die Wahl am vergangenen Freitag habe er noch einmal das Mandat durch die FIFA-Mitglieder bekommen, «aber ich habe das Gefühl, dass ich nicht das Mandat der gesamten Fußball-Welt habe. «Daher habe ich entschieden, mein Mandat bei einem außerordentlich Kongress niederzulegen.»

Lesen Sie hier die Rede Blatters im Wortlaut

Blatter wirkte relativ gefasst, auch wenn die Tragweite dieser Entscheidung riesig ist. Kämpferisch hatte er sich noch bei seiner fünften Wiederwahl gegeben. Zuversichtlich wollte er ungeachtet der Festnahmen und Anklagen gegen hochrangige Funktionäre weitermachen. Dieser Skandal, bei dem vor allem die US-Justiz ermittelt, war nun aber doch zu viel. «Ich habe Domenico Scala gebeten, die Einführung und Umsetzung dieser und anderer Maßnahmen zu beaufsichtigen», erklärte Blatter - Scala ist bisher Chef der Compliance-Kommission.

«Es ist meine tiefe Sorge um die FIFA und ihrer Interessen, die mich zu dieser Entscheidung veranlasst hat», sagte Blatter am Ende seiner Rede. «Ich möchte denen danken, die mich immer unterstützt haben in konstruktiver und loyaler Weise als Präsident der FIFA», betonte Blatter. 1998 hatte er den Posten übernommen.

Sein Nachfolger als FIFA-Präsident soll voraussichtlich bei einem Sonderkongress des Weltverbands zwischen Dezember 2015 und März 2016 gewählt werden. Diesen Zeitraum nannte Scala nach Blatters Rücktrittsankündigung. Gemäß Statuten des Weltverbands seien mindestens vier Monate zur Vorbereitung eines Wahlkongresses notwendig. Der nächste reguläre FIFA-Kongress ist erst für den 12. und 13. Mai 2016 in Mexiko-Stadt vorgesehen. «Dies wurde eine unnötige Verzögerung bedeuten», sagte Blatter.

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Seine Entscheidung war ungeachtet der erneuten Zuspitzung der Ereignisse am Dienstag völlig unabsehbar. Nur wenige Medienvertreter hatten es überhaupt zu der Pressekonferenz in Zürich geschafft, nachdem sie gut eine Stunde vor dem geplanten Beginn erst angekündigt worden war. Nach einer dreiviertelstündigen Verspätung hatte Kommunikationschef Walter De Gregorio das Wort an Blatter übergeben.

Viel hatten schon damit gerechnet, dass die Zukunft von Generalsekretär Jérôme Valcke bei der FIFA gefährdet wäre. Die «New York Times» hatte am Dienstag berichtet, dass die US-Ermittler der Ansicht seien, Valcke sei «der hochrangige FIFA-Offizielle», der 2008 zehn Millionen Dollar von einem FIFA-Konto in der Schweiz auf ein US-Konto überwiesen habe.

Das Geld landete auf Konten, die vom früheren FIFA-Vizepräsidenten und CONCACAF-Chef Jack Warner kontrolliert worden sein sollen. Warner wird organisierte Kriminalität, Korruption und Geldwäsche vorgeworfen. Der Funktionär war in seinem Heimatland Trinidad und Tobago in der vorigen Woche nach einem Gerichtstermin gegen eine Kaution von 2,5 Millionen Dollar auf freien Fuß gesetzt worden. Das US-Justizministerium hat seine Auslieferung beantragt.

Laut der «New York Times» sei in der Anklage der US-Justiz allerdings nicht die Rede davon, dass der Offizielle gewusst habe, dass das Geld für Bestechung verwendet worden sei, hieß es weiter. Valcke sei auch nicht als Mitbeschuldigter genannt. Weder Valcke noch andere aktuelle Mitglieder der FIFA-Führung seien «an der Initiierung, der Bewilligung und Ausführung» beteiligt gewesen, teilte die FIFA mit.

Südafrika hatte im Zusammenhang mit der Zahlung Bestechungsvorwürfe rund um die Vergabe der WM 2010 vehement zurückgewiesen. Die FIFA erklärte zudem, die Überweisung der zehn Millionen Dollar sei vom damaligen Vorsitzenden des Finanzkomitees, des mittlerweile gestorbenen Argentiniers Julio Grondona, genehmigt und gemäß der eigenen Regularien vorgenommen worden. Dass Valcke von dem Vorgang gewusst habe, sei ein normaler Vorgang, erklärte ein FIFA-Sprecher.

Die Zahlung von zehn Millionen Dollar sei von der Regierung Südafrikas und vom südafrikanischen Fußball-Verband genehmigt worden, um ein Projekt für die Unterstützung der afrikanischen Diaspora in der Karibik zu finanzieren, hieß es in einer Mitteilung.

Unabhängig von neuen Enthüllungen oder Dementis: Das öffentliche Bild der FIFA bleibt verheerend. 88 Prozent der Deutschen halten Korruption im Weltverband für «wahrscheinlich». 81 Prozent davon sind überzeugt, dass FIFA-Präsident Joseph Blatter persönlich verwickelt ist oder war. Das ist das Ergebnis einer yougov-Umfrage unter 1006 Teilnehmern, die von Freitag bis Sonntag durchgeführt wurde. Nun hat Blatter den Weg für eine neue Zukunft der FIFA freigemacht.

 

Platini begrüßt Entscheidung

UEFA-Präsident Michel Platini hat die überraschende Rücktrittsankündigung von Joseph Blatter als Chef des Fußball-Weltverbands FIFA begrüßt. «Es war eine schwierige Entscheidung, eine mutige Entscheidung, und die richtige Entscheidung», sagte Platini in einer Stellungnahme am Dienstag.

Der Franzose hatte schon vor der Wiederwahl des Schweizers beim FIFA-Kongress am vergangenen Freitag versucht, Blatter zum Rückzug zu bewegen. Für den Fall einer fünften Amtszeit hatte Platini einen Rückzug europäischer Teams aus FIFA-Wettbewerben nicht ausgeschlossen.

 

Beckenbauer zu Blatter-Rücktritt: "Der Druck wurde zu groß"

Franz Beckenbauer hat Verständnis für die überraschende Rücktrittsankündigung von Joseph Blatter als Chef des Fußball-Weltverbands. «Es war eine vernünftige Entscheidung von Sepp Blatter. Der Druck wurde zu groß. Er wäre nie mehr zur Ruhe gekommen, ob er Schuld an den Skandalen trägt oder nicht.

Das Problem der FIFA liegt in seinem System», sagte Beckenbauer der «Bild». Blatter hatte nur fünf Tage nach seiner Wiederwahl am Dienstag seinen Rücktritt angekündigt und will sein Amt nur noch bis zur Wahl eines Nachfolgers bei einem außerordentlichen FIFA-Kongress weiterführen.

 

Ligapräsident Rauball: "Dies ist ein guter Tag für den Weltfußball"

Ligapräsident Reinhard Rauball hat die Rücktrittsankündigung von Joseph Blatter als Präsident des Fußball-Weltverbandes FIFA begrüßt. "Dies ist ein guter Tag für den Weltfußball", sagte Rauball in einem Statement, das die Deutsche Fußball Liga am Dienstagabend veröffentlichte. Blatter habe der FIFA mit seinem Rücktritt einen großen Dienst erwiesen. "Alle, die für eine Reform der FIFA ernsthaft eingetreten sind, sind nun gefordert, mit konstruktiven Vorschlägen zur Einheit des Fußballs beizutragen", forderte Rauball.

Glaubwürdigkeit und Transparenz müssten dabei an oberster Stelle stehen. "Es gilt nun, möglichst schnell inhaltlich, strukturell und personell tragfähige Lösungen für die Zeit nach Sepp Blatter zu erarbeiten und auf den Tisch zu legen. Denn klar ist auch: Mit dem Rücktritt alleine sind noch lange nicht alle Probleme gelöst", sagte Rauball. Blatter hatte kurz zuvor in Zürich nach 17 Jahren an der Spitze der FIFA seinen Rücktritt angekündigt.

 

Blatters Ex-Herausforderer: Der "richtige Schritt"

Prinz Ali bin al-Hussein hat die Rücktrittsankündigung von Joseph Blatter als "richtigen Schritt" bezeichnet. Ob der jordanische Verbandspräsident bei der Wahl auf einem außerordentlichen Kongress des Fußball-Weltverbandes erneut für das Amt des FIFA-Präsidenten bewerben wird, ließ Al-Hussein bei einem Gespräch mit dem Sender CNN offen.

Der 39 Jahre alte Prinz hatte nach dem ersten Wahlgang am vergangenen Freitag seine Kandidatur zurückgezogen, Blatter hatte daraufhin seine fünfte Amtszeit antreten können. Am Dienstag kündigte der 79 Jahre alte Schweizer aber seinen Rücktritt an.

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