AZ-Kommentar zu den Vorfällen beim WM-Qualifikationsspiel in Prag

Die Nationalmannschaft hat glücklich gewonnen in Prag, nach Abpfiff haben die Spieler richtig gepunktet. Der DFB dagegen erlitt einen Kontrollverlust samt Imageschaden.
Das Miteinander mit Teilen seiner Fans, den Ultras, war dem Verband schon lange abhanden gekommen. In der tschechischen Hauptstadt zeigten rund 200 Idioten, dass es keinen Zweck macht, auf sie zuzugehen – im diplomatischen wie im tatsächlichen Sinne.
Die Nationalspieler verweigerten die ritualisierte Verabschiedung. In den Farben vereint, in der Sache getrennt. Dass mit Mats Hummels ein Spieler seiner Wut freien Lauf ließ und nicht bereits an Ort und Stelle Oliver Bierhoff oder auch Joachim Löw, ist mehr als irritierend.
Zwar gelten für den Bundestrainer mildernde Umstände, weil er während der Partie im mentalen Tunnel und nach Abpfiff im Kabinentunnel war, er sprach am Sonntag Klartext. Teammanager Bierhoff aber musste von der Tribüne aus sämtliche Widerwärtigkeiten, Beleidigungen und Bepöbelungen mitbekommen haben. Er versuchte zu verharmlosen, zu verdrängen, wollte "kein riesiges Drama daraus machen".
Am Samstag zeigte sich Präsident Reinhard Grindel entschlossener und verurteilte die Gesänge aufs Schärfste, lobte die Mannschaft für ihr "feines Gespür". Beim Thema "Kollektivstrafen", also der (Teil-)Aussperrung ganzer Tribünen und Kurven nach Pyro-Dummheiten einiger Weniger, wollte Grindel einen neuen Kuschel-Kurs fahren.
Ob der nach den Protesten am ersten Spieltag ("Fick dich DFB!") und den Geschehnissen von Prag noch möglich ist?
Funktionäre haben es immer schwer, bei Fanatikern zu punkten. Wenn Spieler jedoch die Kurve meiden und Klartext reden – doppelte Kollektivstrafe! – könnte dies etwas bewirken. Einen internen Reinigungsprozess im Fanlager. Für das Spiel in Stuttgart erhoffen sich Verband, Nationalmannschaft und echte Fans nur eines: ein bisschen Frieden.
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