Francesco Pianeta: "Die seelischen Schmerzen waren unvergleichlich"

Er will zurück an die Weltspitze: Francesco Pianeta tritt in München gegen Kevin Johnson an. In der AZ spricht er über den Fight, seinen Glauben und seine Krebserkrankung.
von  Matthias Kerber
"Unter Druck hole ich das Beste aus mir heraus", sagt Franceso Pianeta.
"Unter Druck hole ich das Beste aus mir heraus", sagt Franceso Pianeta. © Michael Wilfling/ho

AZ: Herr Pianeta, Ihr Promoter Alexander Petkovic macht ziemlich Druck auf Sie, hat erklärt, dass Sie sich beim Kampf gegen Kevin Johnson beweisen müssen, zeigen müssen, dass Sie noch das Zeug haben, sich wieder an die Weltspitze heranzuboxen.
FRANCESCO PIANETA: Erstens: Ich liebe es, wenn ich viel Druck habe, dann hole ich immer das Beste aus mir heraus. Und zweitens hat er ja vollkommen recht. Ich bin 33. Die Situation ist, wie sie ist. Eine weitere Niederlage und ich kann die Boxhandschuhe endgültig an den Nagel hängen.

Johnson ist ein sogenannter Stinker, einer, der einen mit seinem unorthodoxen Stil das Leben richtig schwer macht, wie auch schon Vitali Klitschko erfahren hat, der mit Johnson über die Runden gehen musste.
Vollkommen richtig. Johnson ist ein sehr unangenehmer Gegner, er hat eine sehr außergewöhnliche Art zu kämpfen, die es einem schwer macht, gegen ihn zu glänzen.

Und er hat eine große Klappe.
Das kann man wohl sagen. Er hat sich jetzt bei einem Freund von mir T-Shirts drucken lassen, mit dem Spruch „Rest in Peace, Pianeta! – Ruhe in Frieden, Pianeta“, Es hat mich geärgert, dass der Freund von mir diesen Auftrag überhaupt annimmt. Aber egal. Das ist alles nur zusätzliche Motivation. Er wird dafür bezahlen, ich werde ihn bestrafen. Er sollte von mir keine Gnade erwarten.

Sie kämpften bisher zwei Mal um die WM, verloren aber gegen Wladimir Klitschko und Ruslan Chagaev jeweils.
Gegen Wladimir bin ich auf einen Gegner getroffen, der der Beste der Welt war und der zu den ganz Großen der Box-Historie gehört. Er war für mich einfach eine Nummer zu groß. Das war schmerzhaft, aber nicht so schmerzhaft wie die Pleite gegen Chagaev. Da trifft er mich in der ersten Runde mit so einem blöden Schwinger und mein Traum ist vorbei. Das hat mich sehr mitgenommen und ist noch immer eine große Motivation für mich.

Vor dem Klitschko-Kampf waren Sie in der Kirche zum Gebet. Machen Sie das immer?
Vor dem Kampf nicht mehr, aber ich bete viel. Ich bin sehr gläubig und stamme auch aus einer tiefgläubigen Familie. Ich finde es auch sehr schade, dass bei den Christen die Religion in ihrer Bedeutung immer mehr verpufft. Es geht nur noch um materielle Dinge. Ich beschäftige mich sehr viel mit Religion, auch mit anderen Religionen und finde es wirklich schade, dass die Christen immer mehr ihrer Leitlinien aufgeben. Es gibt nicht nur ein Diesseits, sondern auch das Jenseits, das Leben nach dem Tod. Und in meiner Überzeugung sollte man sein Leben hier so ausrichten, dass man im Jenseits dafür belohnt wird. Aber diese Ansicht ist nicht mehr in Mode.

War das immer Ihre Überzeugung, oder hat das mit Ihrer Vita zu tun? Sie waren 2009 an Hodenkrebs erkrankt.
Es war immer meine Überzeugung. Aber natürlich war diese Zeit für mich prägend. Nach der Diagnose habe ich einfach nur Wut verspürt. Ich habe mir dann gesagt, ich mache die Operation, dann die zwei Chemos, danach geht es weiter wie vorher. Ich hätte nicht gedacht, wie hart, wie schwer diese Zeit würde. Die körperlichen Schmerzen waren schlimm, aber nichts im Vergleich zu den seelischen Schmerzen, das ist unvergleichlich.

Sie haben damals nicht einmal Ihre Familie eingeweiht?
Nein. Ich wollte kein Mitleid, ich kann damit nicht umgehen. Also habe ich den Eingriff vornehmen lassen, ohne dass ich meiner Familie etwas gesagt habe. Ich habe ihnen erzählt, ich hätte einen Leistenbruch. Erst vor der Chemo habe ich es ihnen gesagt. Wenn ich heute nochmal vor dieser Entscheidung stehen würde, würde ich es genau andersrum machen.

Warum?
Weil ich dadurch Stress mit meiner Mutter hatte, es war der größte Fehler in meinem Leben. Aber ich dachte, ich würde sie schützen. Es war die härteste Zeit meines Lebens. Keine Frage. Aber mit dem Tod habe ich mich nicht beschäftigt. Ich glaube an die Kraft der positiven Energie. Wenn man immer vor etwa Angst hat, tritt es irgendwann ein.

Sie stammen aus einer italienischen Einwandererfamilie. Wie erleben Sie die aktuelle Debatte um die Flüchtlinge?
Es ist unsere Pflicht als Menschen, als Christen, den Flüchtlingen zu helfen. Ich denke nicht, dass es eine Frage ist, wie Jesus reagieren würde, wenn er das Leid erleben würde. Er würde helfen, spenden, Essen geben. Jeder sollte mal darüber nachdenken, wie es wäre, wenn es andersrum wäre. Wenn wir fliehen müssten. Wir müssen denen, die aus den Kriegsgebieten wie Syrien fliehen, helfen. Sie haben Dinge erlebt, die wir uns nicht vorstellen können. Wichtig ist aber auch, dass sich die Flüchtlinge integrieren und Deutschland den nötigen Respekt entgegenbringen. Ich habe gerade erst mit einem Mann geredet, der die AfD gewählt hat. Ich wollte wissen, warum. Er sagte: „Wegen der Flüchtlinge.“ Ich habe nur gesagt: „Hast du jemals das Parteiprogramm gelesen, was die noch vorhaben? Arbeit bis 72 und anderes.“ Er meinte: „Das habe ich nie gelesen.“ Das ist nur dumm. Jeder ist seines Glückes Schmied und wenn du zu doof warst, in der Schule aufzupassen, dann mach’ nicht die Flüchtlinge für dein Versagen verantwortlich.

Lesen Sie auch den Box-Promoter Alexander Petkovic im AZ-Interview: "Pianeta muss sich beweisen"

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