Ruhepol, Trinchieri-Kind, Scharfschütze: Andi Obst legt bei Bayerns Basketballern los
München - AZ-Interview mit Andreas Obst: Der 25-Jährige spielte von 2014-2016 in Bamberg und feierte dort sein Profi-Debüt unter Andrea Trinchieri. Im Sommer wechselte er nun aus Ulm zu den Basketballern des FC Bayern.
AZ: Herr Obst, nachdem Sie unmittelbar vor Saisonstart wegen einer Corona-Infektion ausfielen, haben Sie am Sonntag gegen Gießen Ihr etwas verspätetes Debüt für den FC Bayern Basketball gefeiert. Wie war das für Sie?
ANDREAS OBST: Ich habe mich gefreut, endlich wieder die Möglichkeit zu haben, zu spielen, ein bisschen auf dem Feld rumzurennen und rumzutoben. Ich habe davor erst ein Mal voll mit der Mannschaft trainiert. Deshalb fühlt sich das im Moment alles noch ein bisschen rostig und ungewohnt an. Es war für mich trotzdem eine Erlösung, wieder spielen zu können - und das Ganze hinter mich gebracht zu haben.
Wie schwer war denn Ihr Krankheitsverlauf?
Nicht zu krass, denn ich war ja auch geimpft. Nach ein paar Tagen waren die meisten Symptome schon wieder abgeklungen. Ich musste dann aber trotzdem runterfahren, damit zum Beispiel nichts am Herzen passiert. Ich musste deshalb fast zwei Wochen komplett pausieren. Da war es schwer, sich fitzuhalten. Jetzt versuche ich, mein Level wieder Schritt für Schritt aufzubauen, im Training meine Muskeln zu aktivieren, auf dem Feld einen Rhythmus zu bekommen. Es ist ein Prozess.
Obst: "Uns fehlt einfach mal so ein Erfolgserlebnis"
Der nächste Schritt dürfte am Donnerstag (19 Uhr) beim Spiel in Kaunas folgen. Was erwartet Bayern dort?
Es wird auf jeden Fall ein Knallerspiel und ein hartes Duell werden. Kaunas hat ebenfalls Druck, spielt vor 10.000 Zuschauern und auch wir wollen den ersten Saisonsieg in der Euroleague holen. Dafür werden wir uns voll reinhauen und alles geben.
Wie ist die Stimmung im Team nach den vier Auftakt-Niederlagen?
Gut. Es ist natürlich nicht cool zu verlieren - und 0:4 zu starten. Die Reisestrapazen machen es noch mal schwieriger. Aber es ist noch früh in der Saison. Wir wissen, was in unserer Vorbereitung alles passiert ist mit Verletzungen und Corona. Das sind alles Dinge, die man nicht unbedingt kontrollieren kann. Wir müssen uns darauf konzentrieren, was wir kontrollieren können: unsere Einstellung und Arbeitsmoral, beides ist absolut da. Wir waren oft dran, kurz davor - und haben dann knapp verloren. Uns fehlt einfach mal so ein Erfolgserlebnis, das kann uns einen Push geben.
Wie erleben Sie Ihren Coach Trinchieri in dieser schwierigen Saisonphase?
Andrea merkt man immer an, dass er gewinnen will - ob es gerade läuft oder nicht. Er analysiert die Spiele, analysiert sich, will die Mannschaft um jeden Preis besser machen. Und das tut er auch. Er ist - wie immer - sehr fordernd und intensiv.
Sportdirektor Daniele Baiesi ein wichtiger Ansprechpartner für Obst
Hat er sich verändert? Sie kennen ihn noch aus Bamberg, wo Sie unter ihm Ihr Profi-Debüt erlebten.
Für mich ist es jetzt schon ein bisschen anders. Damals war ich der junge Spieler, weshalb es mich da schon ein bisschen härter erwischt hat (lacht).
Trinchieri sagt, er habe Sie "als Kind zurückgelassen und nun als Mann zurückbekommen".
So war es damals auch. Ich war 18, 19, wurde von ihm ins kalte Wasser geschmissen - und das hat mir sehr gutgetan. Es war aber auch nicht einfach für mich, körperlich und mental zu erfahren, was es braucht, um auf einem guten Niveau erfolgreich zu sein. Das hat mich über all die Jahre dann immer mit begleitet - und mir sehr viel für meine Karriere gebracht.
Auch Sportdirektor Daniele Baiesi kennen Sie aus Bamberger Zeiten. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?
Damals war für mich alles sehr neu, ich war noch völlig grün hinter den Ohren. Und dann hast du plötzlich Andrea Trinchieri vor dir stehen, der wirklich alles, was du machst, erst mal hinterfragt, jede Kleinigkeit. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich nicht mal mehr auf die Toilette gehen kann, ohne dass er etwas dazu sagt. Das war für den Kopf schon viel. Daniele hat mir geholfen, damit umzugehen und gesagt, welche Botschaft Andrea dahinter sieht. Wir sind über die Jahre immer in Kontakt geblieben und er ist auch jetzt noch ein wichtiger Ansprechpartner für mich.
Obst: "Ich will einfach ich selbst sein"
Mussten Sie den beiden bei Ihrem Wechsel zu Bayern nun tatsächlich versprechen, nie wieder Pizza mit Ananas zu essen, was Baiesi ja mit einem Augenzwinkern behauptet hat?
(lacht) Nicht wirklich. Ich wurde da auch nie auf frischer Tat ertappt. Wir haben vielleicht mal darüber gesprochen, was ich damals so gegessen habe. Ich weiß, dass dies in Italien fast eine Straftat ist, deshalb habe ich es auch schnell sein gelassen. Wegen meines Namens wurde die Geschichte trotzdem zum Running Gag. Pizza mit Obst und so.
War der Wechsel zu Bayern im Sommer der nächste logische Karriereschritt für Sie?
Der nächste logische Schritt war für mich die Euroleague und da hat sich Bayern am besten angeboten. Viele Faktoren, die für mich eine wichtige Rolle spielen, haben da einfach gepasst. Unter anderem eben auch, dass ich Daniele und Andrea schon länger kenne. Deswegen wusste ich, was auf mich zukommt und was von mir verlangt wird.
Und zwar?
Dass ich in der Defensive solide bin, keinen Mist baue. Und offensiv Gefahr mit meinem Wurf ausstrahle, aggressiv bin, Würfe nehme, die Räume für andere Spieler öffne. Ich weiß, dass Andrea alles dafür tun wird, um mich persönlich noch mal auf ein anderes Level zu pushen. Ich möchte einfach meine Stärken so gut es geht einbringen. Ich bin eher eine ruhigere Seele und versuche das vielleicht auch ein bisschen in die Mannschaft reinzutragen. Ich will einfach ich selbst sein.