Bayerns zauberhafter Coup beim FC Barcelona
München - Dass den Basketballern des FC Bayern an diesem Donnerstag nahezu alles gelingen würde, das war bereits früh am Tag zu erahnen.
Um genau zu sein: beim Anschwitzen am Vormittag. Da saß Geschäftsführer Marko Pesic auf einem Stuhl am Spielfeldrand des Palau Blaugrana, der Heimarena des FC Barcelona, und schaute beim sogenannten Shootaround zu. Der 45 Jahre alte Ex-Profi hatte sich einen Ball geschnappt und prellte den drei Mal auf den Boden. Im Sitzen warf er dann auf den Korb - und der Ball rauschte tatsächlich durchs Netz.
Deshaun Thomas glänzte mit 25 Punkten
Den am Abend folgenden 90:75-Sensationscoup seiner Bayern in Spiel zwei der Viertelfinalserie der Euroleague-Playoffs verfolgte Pesic freilich trotzdem in der ihm zugedachten Zuschauerrolle. Das Team der Münchner präsentierte sich dabei aber ähnlich treffsicher wie ihr Vorgesetzter. Allen voran Deshaun Thomas, der mit 25 Punkten und sechs von sieben verwandelten Dreierversuchen zum Matchwinner avancierte. Auch Nationalspieler Andreas Obst trumpfte mit einem Karrierebestwert von 15 Euroleague-Punkten in wichtigen Momenten groß auf.
In der Offensive klappte vieles und auch in der Verteidigung packten die Bayern, angeführt von Vladimir Lucic, beherzt und hochkonzentriert zu. All das führte dazu, dass der FCBB den Hauptrundensieger und Titel-Topfavoriten, der Spiel eins am Dienstag noch mit 77:67 gewonnen hatte, tatsächlich in eigener Halle niederrang.
Erstmaliger Auswärts-Triumph im Playoff
Barcelona zu entschlüsseln, sei vergleichbar mit einem "Zauberwürfel", führte FCBB-Chefcoach Andrea Trinchieri aus: "Wenn man Geduld hat, lernt man, wie man sie kontrolliert." Dem Italiener ist es jedenfalls mit seinen Bayern gelungen, den Barça-Code zu knacken. Im vierten Versuch triumphierte der FCBB erstmals in einem Playoff-Match auf fremdem Parkett.
"Viel Liebe für diese Mannschaft", verteilte Pesic anschließend stolz auf dem Feld und via Social Media, "vor allem für Darrun Hilliard." Der US-Amerikaner war nach seinem in Spiel eins erlittenen Schlüsselbeinbruch am Morgen in Barcelona operiert worden. Für den Schlüsselspieler sind die Playoffs und wohl auch die Restsaison gelaufen. Auch Center Leon Radosevic konnte in Spiel zwei, nachdem er nach drei Minuten umgeknickt war, nicht mehr eingesetzt werden. Bayern trotzte aber auch all diesen Rückschlägen.
Trinchieri über Barcelona: "Ihr Ziel ist es, uns am Mittwoch zu zerstören"
"Ich muss meinen Spielern gratulieren, sie haben ein großartiges Spiel gezeigt. Sie haben gekämpft, unglaublich viel Energie gegeben gegen einen großen Gegner", sagte Trinchieri. Er könne "diesen Sieg aber gut einordnen. Ich bin sehr geerdet." Denn Barça wisse, wie man mit einem 1:1 umgeht. Der Topfavorit sei nach dem Triumph der Bayern in Spanien "sauer", befürchtet Trinchieri: "Ihr Ziel ist es, uns am Mittwoch zu zerstören. Also müssen wir den Helm aufsetzen und wieder bereit sein."
Chancen fürs Weiterkommen stehen nicht schlecht
Bevor die Best-of-five-Serie am Mittwoch (20.30 Uhr/MagentaSport) und Freitag (20.45 Uhr) nach München geht, wähnt Trinchieri sein Team noch immer in der Rolle des Außenseiters. "90 Prozent der Welt" würde "ein 3:0 erwarten", hatte er vorm Viertelfinale gesagt und damit die Einschätzung der meisten Experten zum Ausdruck gebracht. Fakt ist allerdings, dass es Bayern nun gelungen ist, Barcelona den Heimvorteil zu klauen. "Wir haben die Chance gewonnen, zwei Heimspiele zu haben - mehr haben wir nicht erreicht", befand Trinchieri.
Ein durchaus beachtlicher Teilerfolg ist das bereits. Gewinnen die Bayern nur eins ihrer beiden Heimspiele, würden sie damit ein alles entscheidendes fünftes Duell in Katalonien erzwingen. Gewinnen sie beide, wäre der FCBB fürs Final-Four-Turnier qualifiziert. Diesem großen Traum sind die Münchner mit ihrem Coup in Barcelona zumindest einen Schritt näher gekommen...