Wie Dortmund zu einem Lieblingsgegner des FC Bayern wurde
München - Starten wir gleich mal mit einem kleinen Quiz. Ganze sechs Mal in der Vereinshistorie schaffte es der FC Bayern, ein Pflichtspiel mit zweistelliger Torausbeute zu beenden.
Fünf Mal im DFB-Pokal als es gegen unterklassige und hoffnungslos unterlegene Gegner ging – namentlich gegen DJK Waldberg (16:1), Blau-Weiß 90 Berlin (11:2), FC Östringen (10:1), TV Unterboihingen (10:1) sowie zuletzt im August beim Bremer SV (12:0).
Außerdem einmal im Europapokal, und zwar gegen die bemitleidenswerten Zyprer von Anorthosis Famagusta im Uefa-Cup – Endstand 10:0. Aber wen ballerten die Bayern in der Bundesliga zweistellig weg? Den Hamburger SV, recht häufig die Lieblingsschießbude der Münchner?
1971 gelang FC Bayern höchster Bundesliga-Erfolg
Nein, das einzige "Opfer" mit zweistelliger Packung in Bayerns Bundesliga-Historie heißt Borussia Dortmund. Am 27. November 1971 gelang den Roten ihr höchster Bundesliga-Erfolg und zugleich höchster Heimsieg.
Ausgerechnet gegen den BVB, in den letzten 20 Jahren der größte Münchner Rivale, weil drei Mal Meister, vier Mal Vizemeister und Gegner im legendären Champions-League-Finale von 2013, als sich im Londoner Wembley-Stadion zum bisher einzigen Mal zwei Bundesligisten gegenüberstanden (2:1 für Bayern). Von Wembley zurück nach Giesing ins Jahr 1971. Willy Brandt war Bundeskanzler, Erich Honecker wurde Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED, der Vietnam-Krieg tobte.
Vier Tore durch den "Bomber der Nation"
Für die vom Ergebnis her zweitgrößte Schmach der BVB-Geschichte (1978 verlor man mit 0:12 gegen Borussia Mönchengladbach) ist hauptsächlich Gerd Müller verantwortlich – natürlich. Der "Bomber der Nation" steuert einen Viererpack zum 11:1 bei, der heutige Ehrenpräsident Uli Hoeneß sowie Franz "Bulle" Roth einen Doppelpack.
Der "schwärzeste Tag der Vereinsgeschichte" für den BVB
Die weiteren Torschützen beim Duell des Tabellenzweiten gegen den Fünfzehnten: Kapitän Franz Beckenbauer, Paul Breitner und der eher unbekannte Linksaußen Willi Hoffmann. Bayern-Trainer Udo Lattek meint hinterher triumphierend: "Heute haben wir gezeigt, dass wir einen Gegner auch killen können."

Die Demütigung erster Güte titulierte die "Westfälische Rundschau" als "Hinrichtung", schrieb vom "schwärzesten Tag der Vereinsgeschichte" des BVB, der – kleine Ausrede – ohne sieben Stammspieler auskommen muss.
Uli Hoeneß: "Fünf Tore hätte ich schießen können"
Horst Witzler (kein Witz, der Name!) wünscht sich vor Anpfiff "eine knappe Niederlage" und jammert nach der Klatsche: "Es war kein Halt in der Mannschaft. Nun stehe ich da und muss den Scherbenhaufen kitten."
Nur eine Woche lang, dann wird Witzler humorlos gefeuert. Zur Pause steht es (schon, oder: erst?) 4:0, Breitner und Roth treffen jeweils noch die Latte. In der Statistik heißt es, dass nach 40 Minuten ein BVB-Defensivmann ausgewechselt wird.
Unklar ist, ob der sonst so bärbeißige Lorant, als Trainer des TSV 1860 in den 90er Jahren "Werner Beinhart" getauft, freiwillig geht – oder er ein exemplarisches Auswechsel-Opfer der zahnlosen Borussen wird. Der Elf-Gegentore-Keeper vor nur knapp 18.000 Zuschauern im Stadion an der Grünwalder Straße (doppelt so viele hätten reingepasst ein Jahr vor dem Umzug ins Olympiastadion) heißt übrigens Jürgen Rynio.

In der Dämmerung des trüben November-Samstags schaltet der Hausmeister des Grünwalder Stadions die Flutlichtmasten wohl zu spät ein. Bei schwachem Flutlicht erhöht dann Hoeneß vier Minuten nach der Pause gleich auf 5:0 – für das ZDF sind die Bilder nicht sendefähig, so können nur zehn der elf Bayern-Treffer im Zusammenschnitt gezeigt werden.
Munter geht das Schützenfest weiter und Rynio fragt sich schon "ob die eigentlich zweistellige Ergebnisse zeigen können an der Anzeigetafel. An so was denkt man als Torwart, wenn die Dinge so laufen."

Bayern vergibt weitere Großchancen, Hoeneß schimpft: "Wenn wir so hoch führen, fehlt mir einfach der richtige Ehrgeiz. Fünf Tore hätte ich schießen können." Borussias Ehrentorschütze Dieter Weinkauff meint: "Ein Weinkauff ist eben nicht genug."
Worauf "die Mannschaftskollegen ihn fast verprügelt hätten", so Rynio im Rückblick. Die Westfalen steigen ein halbes Jahr später ab – mit den meisten Gegentoren ihrer Historie. Konträr die Bayern: Meister 1972 mit 101 Toren – bis heute einmalig.