Umbau im Mittelfeld: Julian Nagelsmann sucht das Metronom des FC Bayern

Chefcoach Nagelsmann vermisst im Münchner Kader eine Alternative zu Kimmich und Goretzka. "Wir haben im Moment keinen Spieler, der das Spiel beruhigt." Kann Gravenberch das Problem lösen?
von  Julian Buhl
Wem vertraut Nagelsmann zukünftig neben Kimmich im Mittelfeld? Corentin Tolisso wird wohl gehen. Kommt Gravenberch von Ajax Amsterdam?
Wem vertraut Nagelsmann zukünftig neben Kimmich im Mittelfeld? Corentin Tolisso wird wohl gehen. Kommt Gravenberch von Ajax Amsterdam? © imago images/Sven Simon

München - Um am Mittwoch mit neuer Energie die Vorbereitung auf das wichtige Auswärtsspiel in Frankfurt (Sa., 18.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) starten zu können, hatte Julian Nagelsmann den Profis des FC Bayern am Dienstag einen freien Tag gegeben. Erfreuliches gab es für den Chefcoach auf dem Trainingsplatz aber dennoch zu beobachten.

Hoffnungsschimmer: Leon Goretzka auf dem Trainingsplatz

Zum einen arbeiteten dort Kingsley Coman nach überstandenen muskulären Problemen und Jamal Musiala nach seiner auskurierten Corona-Infektion individuell an ihrem Comeback. Und neben Manuel Neuer (Knie-OP) war auch Leon Goretzka dabei zu beobachten, wie er einige lockere Laufrunden auf den Trainingsplätzen an der Säbener Straße drehte. Dass sich auch Goretzka, den langwierige Knieprobleme (Patellasehne) seit Anfang Dezember zum Zuschauen zwingen, wieder ein wenig seiner Rückkehr annähert, dürfte Nagelsmann besonders gefreut haben.

Kimmich und Goretzka zuletzt Anfang November gemeinsam auf dem Feld

Denn den so verlässlichen zentralen Mittelfeldspieler vermisst der Bayern-Coach aktuell in seinem Kader besonders. Nicht umsonst bildete der 27-Jährige beim Triple-Triumph 2020 gemeinsam mit Joshua Kimmich Bayerns Herzstück im Zentrum. Die beiden harmonieren dort prächtig und ergänzen sich mit ihren jeweiligen Stärken nahezu perfekt.

Das Problem: Zum bislang letzten Mal standen die beiden Nationalspieler Anfang November (beim 2:1 gegen Freiburg) auf dem Platz, bevor Kimmich sich in die Corona-Quarantäne und Goretzka vier Wochen später in seine nächste verletzungsbedingte Zwangspause verabschiedete.

Und ohne das eingespielte Sechserduo krankte auch das Bayern-Spiel zunehmend. Während Marcel Sabitzer und Marc Roca dafür bei Nagelsmann nicht mehr in Betracht kommen, durfte sich zuletzt Corentin Tolisso daran versuchen, Goretzkas Fehlen zu kompensieren. Der Franzose machte seine Sache recht ordentlich, fällt nun mit einem Muskelfaserriss aber ebenfalls wochenlang aus.

Gleichwertige Alternative zu Kimmich oder Goretzka fehlt

Den Verantwortlichen wird dadurch noch mal deutlich vor Augen geführt, dass im aktuellen Kader eine gleichwertige Alternative zu Kimmich und Goretzka schlicht fehlt. Nagelsmann ist das längst bewusst. "Es gibt immer mal wieder Momente, wo du mal auf den Ball steigen musst", sagte er am Sonntag nach dem 4:1 gegen Fürth und stellte fest: "Wir haben im Moment keinen Spieler, der extrem gerne draufsteigt und das Spiel beruhigt."

Die Mannschaft sei schließlich "drauf gepolt, das war auch unter Hansi Flick schon so, schnell Angriffe wieder nach vorne zu bringen und schnell Angriffe zu Ende zu spielen", führte Nagelsmann aus: "Diese Tugend musst du als Trainer gewinnbringend nutzen, in dem du über 70 Tore in der Bundesliga schießt. Immer auf Kosten, dass immer mal was passieren kann." Denn: "Diese Spieler wirst du nicht dazu kriegen, Ballschieber zu werden. Das ist schwierig!"

FC Bayern schaut sich nach externen Neuzugängen um

Nagelsmann wünscht sich also einen Taktgeber, ein Metronom, für seine Bayern, der das Spiel auch mal beruhigen kann. Auch in Kimmich, den es ebenfalls ziemlich häufig nach vorne drängt, sieht er den offenbar nicht. Den Vereinsoberen ist bewusst, dass dem Team seit Thiagos Abschied vor anderthalb Jahren zum FC Liverpool ein Spieler mit vergleichbaren technischen sowie taktischen Fähigkeiten fehlt, der ein ähnliches Bindeglied zwischen Defensive und Offensive verkörpern könnte. Dem hochveranlagten Musiala trauen die Verantwortlichen zwar zu, in eine solche Rolle hineinzuwachsen.

Die Bayern schauen sich auf dieser Position freilich aber auch nach möglichen externen Verstärkungen um. Zumal klubintern im Sommer auch mit dem ablösefreien Abschied Tolissos gerechnet wird. Der Franzose soll laut "Bild" eine Aufstockung seines Jahresgehalts auf satte 16 Millionen Euro gefordert haben. Das dürfte deutlich zu viel sein für einen Spieler, an dessen Weiterentwicklung die Klubbosse ohnehin Zweifel haben. Auch Roca gilt als Verkaufskandidat für den Sommer.

Schließt Ryan Gravenberch die Lücke beim FC Bayern?

Dürfte Nagelsmann frei von wirtschaftlichen Zwängen einen Neuzugang aussuchen, wäre Frenkie de Jong (24) zweifellos ein heißer Kandidat. "Er ist für mich einer der besten Mittelfeldspieler der Welt", schwärmte Nagelsmann vor dem Gruppenduell in der Champions League mit dem FC Barcelona. Die für den Niederländer wohl im Bereich von 80 bis 100 Millionen Euro fällige Ablösesumme macht seine Verpflichtung aber so gut wie unmöglich.

Realistischer ist da schon ein Engagement von Landsmann Ryan Gravenberch, der ein ähnliches Anforderungsprofil erfüllt. Wie aus den Niederlanden zu hören ist, sollen die Gespräche der Bayern mit dem Management des 19 Jahre alten Toptalents (Vertrag bis 2023) um Star-Berater Mino Raiola schon weit fortgeschritten sein. Knackpunkt könnte die Einigung mit dessen Klub Ajax Amsterdam sein, der wohl bis zu 30 Millionen Euro Ablöse verlangt.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.