Uli Hoeneß weint: "Werde Vertrauensfrage stellen"

FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß bricht bei der Jahreshauptversammlung in Tränen aus – und will die Vertrauensfrage stellen. Dann sollen die Mitglieder entscheiden.
von  Gunnar Jans

MÜNCHEN - Und dann begann er tatsächlich zu weinen.

Dieses Bild von einem Mann, der seit 40 Jahren austeilt, einsteckt, Gegner weggrätscht, alle(s) hinter sich lässt und der jetzt seinen schwersten Kampf angenommen hat, gegen die Justiz, der Trotzkopf, der sich bisher kühl allen Rücktrittsforderungen widersetzt hat, er konnte seine Gefühle nicht mehr zurückhalten. Uli Hoeneß heulte, wischte sich durchs wuchtige Gesicht, die Augen gerötet, er ließ alles raus – bei einer Rede von Karl-Heinz Rummenigge, der zuvor eher buchhalterisch die Erfolge der größten Saison aller Zeiten aufgelistet hatte, plötzlich aber emotional wurde.

„Uli erlebt sicherlich im Moment eine schwierige Zeit“, so begann Rummenigge. „Ich kenne ihn jetzt 40 Jahre. Er ist ohne Übertreibung der spiritus rector des FC Bayern.“ Er blickte auf die vier Trophäen, die auf der Bühne der Jahreshauptversammlung zur Schau gestellt wurden, in der Mitte der Champions-League-Pott.

Gut 90 Minuten waren da gelaufen bei der Mitgliederversammlung, jetzt ging das Spiel erst richtig los. „Uli! Uli!“ hallte es durch den Audi Dome, minutenlang, stehender Applaus von den Mitgliedern in der Halle. Standing Ulivations. Hoeneß weinte.

Das war die Jahreshauptversammlung des FC Bayern!

„Ich bin sein Freund“, sagte Rummenigge, „und Freundschaft zeigt sich gerade, wenn man bei Problemen zusammensteht. Der gesamte FC Bayern ist sein Freund. Es ist Zeichen von Solidarität, dass sich der FC Bayern nicht von außen beeinflussen lässt, sondern zueinander steht.“ Da hatte Rummenigge, der Vorstandschef, seinem formellen Vorgesetzten, dem Aufsichtsratsboss, gerade die vereinsinterne Absolution erteilt.

„Lieber Karl-Heinz, ich bin überwältigt“, sagte Hoeneß, als er sich gefangen hatte. „Nicht nur von Deiner Rede, sondern auch von der Reaktion unserer, meiner Mitglieder. Ich hoffe, dass ich bis zu meiner Rede wieder die Worte finde.“

Er fand sie, sie waren vorbereitet. Eine Rede in eigener Sache. Die mit einer Entschuldigung begann. „Ich habe einen großen Fehler gemacht“, sagte Hoeneß. „Ich habe Kapitalerträge im Ausland nicht deklariert. Ich habe eine Selbstanzeige anfertigen lassen – wie viele in Deutschland. Meine ist die einzige, die derart öffentlich diskutiert wurde. In einer Dimension, die ich nicht für möglich gehalten habe. Ich habe keine Hunderte von Millionen ins Ausland gebracht. Ich habe zig Millionen an Steuern gezahlt in Deutschland. Ich habe die letzten fünf Jahre über fünf Millionen gespendet. Ich möchte mich damit nicht reinwaschen und so tun, als wäre nichts geschehen. Ich stehe zu meinen Fehlern und möchte mich der Sache stellen. Ich vertraue auf die bayerische Justiz und bin fest davon überzeugt, dass ich einen fairen Prozess bekommen werde. Meine Familie und ich habe keine leichte Zeit, seitdem die Sache bekannt geworden ist. Ich möchte dem FC Bayern herzlich danken, dem Vorstand, dem Aufsichtsrat, auch Ihnen, den Mitgliedern und Fans. Darauf bin ich unheimlich stolz und das werde ich Ihnen nie vergessen.“

Hier die Jahreshauptversammlung des FC Bayern in unserem Ticker zum Nachlesen!

Dann kam, was seinem Selbstverständnis nach nur er ansprechen darf. Die Rücktritts-Frage. „Nach dem Prozess“, kündigte der Präsident den Mitgliedern an, werde er eine außerordentliche Sitzung einberufen, „in der ich Ihnen die Vertrauensfrage stellen werde. Damit Sie entscheiden, ob ich noch der Richtige für diesen Verein bin. Wenn ich von Ihnen dann keine klare Mehrheit bekomme, werde ich mich Ihrem Votum unterwerfen.“

Hoeneß will sein Schicksal in die Hände der Fans legen. Dabei weiß er die Mitglieder, die Jubelulianer auf seiner Seite, doch auch, dass erst die Justiz entscheidet: „Ich hoffe, dass ich die Geschichte im März gut vorbeibringe und dann wieder volle Kraft für den FC Bayern einsetze“, sagte Hoeneß. Da blitzte Kampfkraft in seinen Augen auf: „Ich verspreche, Sie werden wieder den Uli Hoeneß erleben, wie er immer war. Ich werde diesem Verein dienen, bis ich nicht mehr atmen kann.“

Minutenlanger Beifall. Die Botschaft von Uli Hoeneß und dem FC Bayern ist klar: bis dass der Tod uns scheidet! Und nicht die bayerische Justiz. Es war 22.26 Uhr, als ein überaus glücklicher Uli Hoeneß den Tränen- und Jubelabend im Audi Dome endgültig für beendet erklärte. „Ich könnte Sie alle umarmen. Ich verspreche Ihnen, ich werde heute sehr gut schlafen.“

 

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