Uli Hoeneß: Der tiefe Fall eines Moralapostels

Uli Hoeneß, Manager mit sozialer Ader, passte eigentlich nicht ins Klischee des gierigen Reichen. "Ich denke nicht an Rücktritt": Hoeneß will Bayern-Präsident bleiben.
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Sportlich hat er keine Sorgen, die privaten Finanzen sind das Problem von Uli Hoeneß (61).
sampics Sportlich hat er keine Sorgen, die privaten Finanzen sind das Problem von Uli Hoeneß (61).

Uli Hoeneß, Manager mit sozialer Ader, passte eigentlich nicht ins Klischee des gierigen Reichen. "Ich denke nicht an Rücktritt": Hoeneß will Bayern-Präsident bleiben.

München - Es ist ein typischer Hoeneß-Satz: „Es ist doch unklug, sowas zu machen. Es kommt doch immer alles raus“, sagte er auf die Frage, ob es Schwarzgeld gebe in der Bundesliga. Vor elf Jahren war das. Jetzt hat sich der Mann, der sich so gut darzustellen weiß, als guter Manager mit gesundem Menschenverstand und Herz am rechten Fleck, plötzlich selbst höchst unklug verhalten.

„Ich habe im Januar 2013 über meinen Steuerberater beim Finanzamt Selbstanzeige eingereicht.“ Es gehe da um „ein Konto von mir in der Schweiz“. Die leise Lust, Geld am Fiskus vorbeizumogeln: Das passt zum Klischee des gierigen Reichen – zu Uli Hoeneß passte es eigentlich nicht: „Es kann doch nicht der Sinn der Sache sein, ins Gefängnis zu wandern, nur um ein paar Mark Steuern zu sparen", sagte er 2002.

Lesen Sie hier: Hoeneß und die Steuer - die bittere Beichte

„Hoeneß erscheint wie der mustergültige Deutsche“ flötete der „Spiegel“ vor dem letzten Interview. Einer, der den FC Bayern nicht nur an die Weltspitze des Fußballs, sondern wie ein „Patron“ führte. Einer, der alte Freunde nicht hängen lässt: Der sich um Gerd Müller mit seiner Alkoholkrankheit kümmert, um Sebastian Deisler mit seiner Depression, um den Spieler Lars Lunde, dem er nach einem schweren Unfall und dem Karriere-Ende noch das Gehalt zahlte: Das ist Uli Hoeneß. Einer, der nach der tödlichen Attacke auf Dominik Brunner am Sollner S-Bahnhof ein ausverkauftes Stadion mit bewegenden Worten zum Schweigen bringt. Solche Auftritte machten ihn überlebensgroß.

AZ-Themenspezial: Der Fall Hoeneß

Die Kanzlerin ließ sich gerne mit ihm sehen. Ministerpräsident Seehofer war auf seinem 60. Geburtstag. Die CSU wollte ihn in die Politik holen, Hoeneß lehnte ab: „Ich weiß, was ich kann.“ Immerhin hatte er einen Rat für die Politiker: Seinem FC-Bayern-Aufsichtsratsmitglied Edmund Stoiber schrieb er ins Stammbuch: „Man sollte sich um wichtige Dinge kümmern: Zum Beispiel die Steuern senken.“ Im Wahlkampf 2005 für die Union, da warb er für das Kirchhof-Steuermodell: Das sei „das Brutalste“ für die Millionäre: „Weil die dann endlich, endlich Steuern zahlen.“

AZ-Meinung: Ausgerechnet Hoeneß

Ihm selbst gehe es nicht um die Reichtümer: „Wohlstand“ sagte er 2012 bei Günther Jauch: „Wohlstand bedeutet, dass man relativ sorgenfrei leben kann. Dass ich eine Arbeit habe und am Monatsende genug Geld, um die Familie zu ernähren.“ Und 2005 in der „Bild“: „Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle Steuern." So bescheiden müsse auch der Staat sein. Der müsse „aufhören, Schulden zu machen“. Und nicht die Reichen zu sehr ärgern! „Am Ende nutzt die Vermögensteuer gar nichts, dann gehen die Unternehmer nach Österreich oder in die Schweiz. Wir müssen sie hier halten."

Hoeneß: Die Reaktionen der Verantwortlichen

Sein Geld hielt hier nicht so viel. Dabei schien Hoeneß so gelassen, als er 2002 in der AZ sagte: „Keine Regierung der Welt kann mein Vermögen kleinmachen. Das mache ich schon selber – indem ich Fehler mache. Mir ist inzwischen egal, ob ich 20, 50 oder 100 Prozent Steuern zahle. Mir geht es um die kleinen Leute.“ Jaja – die kleinen Leute. Und Anwalt des ehrbaren Mittelstands war der Inhaber einer Wurstfabrik auch.

Dass der Fußballweltverband Fifa unter Sepp Blatter zu einer Mafia-ähnlichen Organisation verkommen ist, das erzürnt eine ehrliche Haut wie Hoeneß maßlos: „Er muss in den nächsten zwölf Monaten erklären, wie er den Sumpf austrocknen will“, donnerte Hoeneß, der sich „Anhänger der bayerischen Streitkultur“ nennt.

„Bayerns Präsident hat es in den letzten Jahren wie kein Zweiter verstanden, sich zum Moralapostel aufzuschwingen“ schreibt jetzt die konservative „Welt“. „Er ist der erhobene Zeigefinger, das schlechte Gewissen in Person. Und er wird gehört.“

„Braucht die Politik mehr Hoeneß?“ fragte „Bild“ vergangenes Jahr. 88 Prozent sagten damals: „Ja“. Jetzt könnten es ein paar Prozent weniger sein.

Beim FC Bayern will er am Ruder bleiben: „Ich denke nicht an Rücktritt“, sagte er „Sport Bild plus“. Gegen Barcelona sei er wieder im Stadion.

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