TV-Kritik zu Hoeneß' Experten-Debüt: Sanftmut statt Bärbeißigkeit
München - Michael Wendler, Xavier Naidoo, Dieter Bohlen: Diese Männer von starken Meinungen und dünnen Inhalten sind alle Geschichte bei RTL – dafür hat sich der TV-Sender jetzt die Dienste von Uli Hoeneß, dem ehemaligen fast allmächtigen Patron des FC Bayern, gesichert.
Mit scharfem Verstand, spitzer Zunge und einem gewaltigen Hang zu unverblümten Worten, wenn auch nicht immer Wahrheiten, gesegnet, hat Hoeneß über Jahrzehnte Fußball-Deutschland unterhalten und so manch verbalen Rundumschlag zielsicher abgefeuert.
Hoeneß hat die Seiten gewechselt
Jetzt hat er die Seiten gewechselt: Der Macher ist plötzlich Beobachter, ist Experte im Fernsehen. Eine Berufsgattung, die in seinem früheren Leben nicht selten den heiligen Zorn von Don Uli auf sich zog – immer dann, wenn er sich und die Seinen, die er wie eine Bärenmutter gegen jede gefühlte Ungerechtigkeit verteidigt, fälschlich angegriffen sah.
Bei seinem ersten Auftritt als Seitenwechsler präsentierte sich Hoeneß betont staatsmännisch und jovial. Bundestrainer Joachim Löw flötete er fast ein "Hallo, Jogi" entgegen, wünschte ihm, dass er mit dem EM-Sieg "den Abschied kriegt, den er verdient".
Seine Bewertung zur Pause war ähnlich all-umarmend: "Das macht richtig Spaß zuzuschauen, von der ersten Minute an wird Druck gemacht."
Hoeneß hat auch nicht das Gespür für die Worte verloren, die beim vielzitierten einfachen Mann gut ankommen. Er, der die Emotionen der Menschen immer in seiner gesamten Klaviatur bespielt hat, sagte zur Corona-Problematik in Fußball: "Es darf keine Vorteile für den Fußball geben." Später meinte er die Kitschgrenze überschreitend: "Heute habe ich ein deutsches Herz" – und nicht nur ein Bayern-rotes.
Sanftmut statt Bärbeißigkeit, der Uli als guter Geist vom Tegernsee. Auf jeden Fall sehr viel angenehmer als Bohlens Fäkal-Sprache oder Wendlers Politik- und Musik-Verstümmelungen.