Trügerischer Titel: Dreimal holte Herbstmeister Bayern später nicht die Schale
München - Zunächst eine Quizfrage: Für welchen Titel gibt es im deutschen Fußball keine Trophäe?
Okay, nehmen wir mal die Rekordaufsteiger 1. FC Nürnberg und Arminia Bielefeld (jeweils acht Mal schaffte man es in die Bundesliga) aus, wenn gleich der Zweitligameister seit ein paar Jahren auch etwas zum Anfassen bekommt, eine Art silberne Felge.
Anmerkung am Rande: Für den Rekordabsteiger aus dem Oberhaus, auch der Club (bereits neun Mal), gibt's nur Schimpf und Schande.
Der legendäre Herbstmeister-Titel
Zurück zur Frage, die Lösung: Gemeint ist der Herbstmeistertitel. Oft trügerisch, lädt aber immer zum Träumen ein. Dem FC Bayern, natürlich Rekord-Herbstmeister des Landes, sicherte sich durch den souveränen 5:0-Sieg beim VfB Stuttgart am Dienstagabend den inoffiziellen Titel als Vorlage für Ausdrucke der Weihnachtstabelle, zu verwenden für Fantapeten und Bildschirmschoner.
Die Bayern waren bisher am häufigsten Hinrunden-Champion
Zum 25. Mal - ein Tusch! - sind die Bayern Hinrunden-Champion, in 21 der bisherigen 24 Fälle (88 Prozent) standen die Münchner auch am Saisonende ganz oben. Erstmals wurde Bayern 1968/69 Herbstmeister, am Ende der Saison holten sich Maier, Müller, Beckenbauer und Hoeneß auch die erste Meisterschale seit Gründung der Bundesliga 1963.
1971 war der letzte Spieltag entscheidend
Ein Blick auf die drei Male (weil's so selten vorkommt), in denen es für die Münchner nicht klappte - zum Vergleich: Insgesamt stürzte der Hinrunden-Champion in 33 Prozent der Fälle noch vom Thron.
1970/71 Meister Borussia Mönchengladbach: Die Fohlen um Günter Netzer, Jupp Heynckes und Berti Vogts lieferten sich über die gesamte Saison ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Bayern von Trainer Udo Lattek. Vor dem letzten Spieltag war man punktgleich, Bayern mit der um einen Treffer besseren Tordifferenz. Die Münchner verloren jedoch am letzten Spieltag mit 0:2 in Duisburg, die Gladbacher siegten mit 4:1 in Frankfurt und verteidigten ihren Titel.
Werder Bremen setzte erfolgreich zum Überholmanöver an
1992/1993 Meister Werder Bremen: Dramatik auch am Ende jener Saison, die der FC Bayern dominierte. 32 Spieltage lang war Bayern unter Trainer Erich Ribbeck Tabellenführer, dann setzte Werder unter Cheftrainer Otto Rehhagel am vorletzten Spieltag durch das 5:0 gegen den Hamburger SV zum Überholmanöver an - dank der besseren Tordifferenz. Am 34. Spieltag schaffte Bayern nur ein 3:3 auf Schalke, während Bremen durch das 3:0 beim VfB Stuttgart den dritten Meistertitel der Grün-Weißen perfekt machte.
2011/2012 Meister Borussia Dortmund: Unter Trainer Jürgen Klopp gelang dem BVB die Titelverteidigung obwohl man nach dem fünften und sechsten Spieltag nur Elfter war. Bis zum Ende der Hinrunde kletterten die Dortmunder auf Rang zwei hinter Bayern (Trainer Jupp Heynckes) und übernahm nach dem 20. Spieltag die Tabellenführung - bis zum Saisonende.
Die 81 Punkte bedeuteten einen neuen Bundesligarekord. Die Triple-Vize-Bayern holten in der darauffolgenden Saison das tatsächliche Triple.
Auch die Bayern wagten einige Male die Aufholjagd
Umgekehrt schafften die Bayern ganze neun (!) Mal in der Rückrunde die Aufholjagd, ließen 1971/72 den FC Schalke hinter sich, 1980/1981 den Hamburger SV, 1985/86 den SV Werder Bremen, 1986/1987 erneut den HSV, 1993/1994 Eintracht Frankfurt, 2000/2001 den FC Schalke (erinnert sei an dieser Stelle an den Bayern-Fangesang "Ihr werdet nie Deutscher Meister!"), 2009/2010 Bayer Leverkusen (Stichwort siehe Schalke), 2018/19 Borussia Dortmund und 2019/20 RB Leipzig (wahrscheinlich ähnliches Schicksal wie - siehe Schalke und Leverkusen).
Mit Frankfurt, Schalke und Leverkusen, die jeweils zwei Mal nach der Hinrunde in Führung lagen, sind drei Herbstmeister noch nie Meister geworden.
Die Bayern sind 2021 kurioserweise bereits zum zweiten Mal Herbstmeister. Wie in der Vorsaison, die wegen der Corona-Pandemie erst im September begann und daher bis zur kurzen Weihnachtspause nur 13 Hinrunden-Spieltage absolviert werden konnten - damals allerdings erst am 17. Januar nach einem 2:1 gegen Freiburg am 16. Spieltag, im Schneetreiben. Mehr Wintermeister geht nicht.
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