Torkrise: Es müllert nimmer

Madrid - Torhüter und Außenstürmer, die haben alle irgendwie einen an der – weiß man ja. Deren merkwürdige Eigenheiten werden weitergegeben wie die angeblichen Charaktereigenschaften von bestimmten Sternzeichen.
Manuel Neuer, kein Außenstürmer, hatte beim Schuss aus 17 Metern von Yannick Carrasco, dem Siegtreffer von Atlético, eine interessante Interpretation seiner merkwürdigen Parade, eher Nicht-Parade, gezeigt. Bei seinem Hecht nach dem Ball zog er die Arme zurück, statt sie auszustrecken.
Ganz bewusst. „Ich habe gemerkt, dass ich an den Ball nicht rankomme. Aber damit ich schneller aufstehen kann, habe ich die Hände direkt am Boden, damit ich vielleicht hochkomme. Wenn ich die Arme lang mache, bin ich blank und komme nicht mehr hoch“, erklärte der Torhüter, „ich wusste, dass der Ball vielleicht zurückkommen kann. Dann hätte ich die eine Zehntelsekunde vor Griezmann gehabt, wenn er zum zweiten Ball geht.“ Guter Plan, schöne Theorie. Der Ball ging an den Innenpfosten. Drin.
Lesen Sie hier: Pleite gegen Atlético: Carlos Doppel-Debüt
Thomas Müller hatte keine Erklärung für seinen Fehlschuss nach 13 Minuten, den Volley-Versuch aus der Drehung, der die Führung und damit womöglich einen erfolgreichen Abend hätte bedeuten können. Doch es ist bisher nicht Müllers Saison, der zwar launig, aber auch sarkastisch angemerkt hatte, dass Joshua Kimmich „in allen Wettbewerben mehr Treffer als ich“ erzielt habe.
Es müllert aktuell nicht. Kein Tor in der Bundesliga, keines im Erstrunden-Pokalspiel, lediglich eines in der Champions-League (beim 5:0 gegen Rostow). Über seine eigene Leistung sprach Müller nicht, vielmehr im Plural. „Wir sind schon ein bisschen enttäuscht von unserer Leistung“, meinte der 27-Jährige, „wir hatten zwei, drei gute oder sehr gute Möglichkeiten und haben die eben nicht genutzt. In solch engen Partien entscheidet das oft“. Weil die Stürmer nicht treffen.
Auch Robert Lewandowski blieb im Zentrum blass, konnte sich kaum behaupten, ist seit drei Spielen ohne Tor. Vom immerhin fleißigen Franck Ribéry kamen allerdings auch keine verwertbaren Zuspiele. „Das Angriffsspiel wirkt auf mich ideenlos“, kritisierte Ex-Bayern-Kapitän Oliver Kahn am ZDF-Mikrofon.
Boateng: „Wir haben zu viele Zweikämpfe verloren"
Deutliche Worte in Richtung Offensive fand Jérome Boateng: „Wir haben zu viele Zweikämpfe verloren, vorne keinen Ball gehalten, nicht viel Bewegung gehabt. Wenn man gesehen hat, wie die Stürmer von Atlético gearbeitet haben, dann ist das ein Unterschied gewesen. So kann man bei einer Topmannschaft nicht gewinnen. Wir müssen uns an ihnen ein Vorbild nehmen.“
Lesen Sie auch: Einzelkritik: Dreimal die Fünf für Bayern gegen Atlético
Vor allem von Müller kommt aktuell wenig. Der Sonnyboy steckt in einer Torkrise, vielleicht sogar seit der EM in Frankreich, als er komplett leer ausging. Scheinbar behagt ihm die Position auf Rechtsaußen doch nicht wirklich. In Abwesenheit der verletzten Arjen Robben und Douglas Costa hatte Neu-Trainer Carlo Ancelotti vor Saisonbeginn auf Müller auf rechts gesetzt. Nun drängt der wieder genesene Robben in die Startelf und auf sein Lieblingsterrain. Vielleicht schon am Samstag gegen den 1. FC Köln? Es wirkt so, als könne Müller eine Pause gebrauchen. Gegen die Gegenpressing-Maschine Atlético hatte Müller Pep Guardiola vor fünf Monaten zunächst draußen gelassen. Diesmal wechselte Ancelotti den matten Müller aus.