FC-Bayern-Trainer Ancelotti nüchtern: "Zu langsam gespielt. Zu wenig Biss"
Madrid – Uli Hoeneß fehlte, der künftige Präsident war wegen einer Erkältung nicht mit nach Madrid gereist. Auch die Stimmung ging den Bayern ab beim nach-mitternächtlichen Bankett im Hotel Intercontinental. Die Punkte fehlten aufgrund des 0:1 bei Atlético sowieso. Und so war es eine doppelte Premiere für Carlo Ancelotti als Bayern-Trainer. Die Niederlage und die traditionelle Nachbetrachtung bei Speis und Trank.
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„Lieber Carlo, es ist dein Debüt beim Bankett, das ist Kultur des FC Bayern,“ meinte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge zum Italiener, „aber man kann sich leider das Debüt nicht aussuchen.“ Der Angesprochene nickte, Frau Mariann ebenso. Eine knappe Stunde zuvor hatte Ancelotti bei der Analyse der Pleite kein bisschen konsterniert gewirkt. Ein weit gereister Coach wie der 57-Jährige hat schon alles erlebt. „Verlieren ist immer traurig. Wir waren nicht bissig, nicht entschlossen genug und zu langsam, haben nach den ersten 20 Minuten viele Zweikämpfe und damit Bälle verloren, dadurch ist auch das Tor entstanden“, erklärte Ancelotti, „im Großen und Ganzen hatten wir nicht viele Chancen.“
Rummenigge nannte die Niederlage „verdient, weil Atlético ein bisschen mehr getan hat als wir, sie wollten einfach mehr den Sieg haben“. War dies Kern der Ursache für die erneute Pleite im Stadion „Vicente Calderón“ mit dem maroden Charme einer 80er-Jahre-Arena? Die Gastgeber zeigten unbedingten Willen, dieses ewige Feuer, das ihr Trainer Diego Simeone am Leben erhält, auch wenn man in drei Jahren zwei Mal das Champions-League-Finale verloren hat, beide Male auf tragische Art und Weise gegen den Stadtrivalen Real.
Und die Bayern? Was hat sich verändert seit dem 0:1 vor fünf Monaten im Halbfinal-Hinspiel? Geblieben ist die Spanien-Phobie. Von den letzten 14 Partien auf iberischen Boden konnte Bayern lediglich zwei gewinnen (zwei Remis, zehn Niederlagen). Auch Ancelotti konnte den spanischen Alptraum nicht abwenden. Trotz der veränderten Spielweise im Vergleich zu Vorgänger Pep Guardiola, der drei Mal an seinen Landsleuten im Halbfinale der Königsklasse gescheitert war. „Wenn man die zwei Spiele übereinanderlegt, ist unser Spiel anders, das von Atlético ähnlich geblieben“, analysierte Kapitän Philipp Lahm. Xabi Alonso sagte: „Dieses Spiel kam uns bekannt vor. Sie haben eine Chance genutzt, und danach wurde es schwierig.“ Man spielt nun schematischer, sucht schneller den Abschluss, agiert jedoch taktisch nicht mehr so variabel wie unter Guardiola.
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Was hat Bayern also gelernt? Wenig. Außer die Erfahrung gewonnen, dass man nach acht Erfolgen in acht – teils mäßig herausfordernden – Partien auch unter Ancelotti, trotz der entspannten Menschenführung und angenehmen Lässigkeit, gegen die Upper-Class-Teams Probleme hat. Torhüter Manuel Neuer vermisste „den Killerinstinkt, den Atlético hat“. Eine erste Ernüchterung also – und das Ende September. Da waren die Bayern unter Pep jeweils schon auf vollen Touren. In einer Top-Form, die sich am Ende der Spielzeiten jedoch als Frühform herausstellen sollte, weil den Spielern die Luft ausging. Das ständige Unter-Vollstrom-Spielen und -Trainieren ermüdete auf Dauer.
„Man hat noch etwas zu tun“, sagte Sky-Experte Lothar Matthäus, „aber noch ein bisschen Zeit, bis es in den entscheidenden Wochen um die Titel geht.“ Und Rummenigge beschwichtigte: „Es macht keinen Sinn, ein Drama draus zu machen. Es ist nur wichtig, jetzt direkt am Samstag darauf zu reagieren gegen den 1. FC Köln und die Tabellenführung der Bundesliga verteidigen.“ Und der Gruppensieg in der Champions League ist ja auch noch möglich.