Thomas Tuchel als neuer Chefcoach des FC Bayern: Ein Trainer mit großem Konfliktpotential

Thomas Tuchel wurde in seiner bisherigen Trainerkarriere bereits des Öfteren das Verhältnis zur Chefetage zum Verhängnis. Die AZ blickt auf Tuchels bisherigen Trainerstationen. Dabei fällt auf, dass der 39-Jährige nur einmal im Gutem mit seinem Arbeitgeber auseinandergegangen ist.
Maximilian Steiger |
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Waren 2017 als Trainer des FC Bayern im Gespräch: Julian Nagelsmann (links, damals TSG 1899 Hoffenheim) und Thomas Tuchel (damals Borussia Dortmund).
Waren 2017 als Trainer des FC Bayern im Gespräch: Julian Nagelsmann (links, damals TSG 1899 Hoffenheim) und Thomas Tuchel (damals Borussia Dortmund). © imago images/Sven Simon

München - Nachdem Julian Nagelsmann beim FC Bayern überraschend vor die Tür gesetzt worden ist, steht mit Thomas Tuchel bereits ein neuer Trainer parat. Tuchel – ein Exzentriker, der in der Vergangenheit zumeist im Streit mit seinen Vereinen auseinanderging.

Mainz 05: Als alles begann und noch alles gut lief

Wird's die früheste Meisterschaft aller Zeiten? Thomas Tuchel will mit Mainz 05 den Bayern einen Strich durch die Rechnung machen.
Wird's die früheste Meisterschaft aller Zeiten? Thomas Tuchel will mit Mainz 05 den Bayern einen Strich durch die Rechnung machen. © dpa

Mit 35 Jahren begann für Thomas Tuchel das erste große Kapitel seiner Trainerkarriere. Nachdem er in der Saison 2008/2009 den Meistertitel mit den A-Junioren geholt hatte, beförderten ihn die Verantwortlichen des FSV Mainz 05 im August 2009 zum Cheftrainer der ersten Mannschaft. In seinem ersten Bundesligajahr überzeugte Tuchel auf ganzer Linie und hauchte dem Karnevalklub aus Mainz seinen eigenen Spielstil ein. Als Aufsteiger aus der zweiten Liga gekommen, spielte Tuchels Mannschaft eine bärenstarke Saison und beendete diese auf einem starken neunten Platz.

In seiner zweiten Saison beinahe nach Europa gekommen

Gerade in der zweiten Saison wurde seine Handschrift immer mehr ersichtlich. Ein moderner Offensivfußball erstaunte die Konkurrenz in der Bundesliga. Mit einem ordentlichen Drang nach vorne überzeugte das Team von Thomas Tuchel und stellte in der Saison 2010/11 den damaligen Startrekord von sieben Siegen in Folge in Deutschlands höchster Spielklasse auf.

Und es sollte noch besser kommen: Die Saison beendete Mainz 05 auf einem sensationellen fünften Rang, der bis heute die beste Bundesligaplatzierung für Mainz 05 bedeutet. Damit erreichte man die Europa-League-Quali fürs nächste Jahr. Dort scheiterte man jedoch denkbar knapp gegen den rumänischen Teilnehmer aus Medias. Die Grundsteine waren gelegt für eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit.

Nach Mainz 05 kam ein einjähriges Sabbatical

Mit einem freudigen Blick auf das Erreichte in den vergangenen Jahren machte Tuchel unmittelbar vor dem letzten Saisonspiel 2013/14 bekannt, dass er den Verein vor Vertragsende verlassen werde. Der Vertrag mit den Mainzern wurde jedoch nicht aufgelöst, wodurch ein Abgang zu einem anderen Verein an eine Ablösesumme gekoppelt gewesen wäre. Zu einem Vereinswechsel kam es jedoch noch nicht und so legte Thomas Tuchel eine einjährige Pause ein.

 

Borussia Dortmund: Der erste große Schritt

Dortmunds Trainer Thomas Tuchel mit vollem Einsatz.
Dortmunds Trainer Thomas Tuchel mit vollem Einsatz. © Bernd Thissen/dpa

Bei Borussia Dortmund wartete auf Thomas Tuchel das schwere Erbe von Vereinslegende Jürgen Klopp. Nach dessen Rücktritt stand von der Saison 2015/16 mit Thomas Tuchel ein neues Gesicht an der Seitenlinie, der ebenfalls wie dessen Vorgänger aus der Mainzer Trainerschmiede stammte. Der steile Karriereaufstieg ging auch im Pott weiter. In einer gelungenen Debütsaison drückte Thomas Tuchel seinem neuen Verein seine Stempel bereits klar und deutlich auf. Im Vergleich zur Klopp-Ära hievte er die schwarz-gelbe Borussia in spielerischer Hinsicht noch einmal auf ein höheres Niveau und machte Lust auf mehr.

Trotz Sieg im DFB-Pokal folgte die Trennung im Streit

Auch die zweite Saison im Ruhrgebiet lief – aus rein sportlicher Sicht – sehr gut. Neben der direkten Champions-League-Qualifikation triumphierte der BVB im DFB-Pokalfinale 2017 gegen Eintracht Frankfurt, es war der erste Pokalsieg seit 2012. Auf dem Weg nach Berlin schaltete Dortmund im Halbfinale auch den FC Bayern auswärts mit 3:2 aus. Es war der Höhepunkt der Zusammenarbeit. Doch während der Saison gab es einige Zerwürfnisse mit den Vereinsbossen.

Bereits in der Kaderzusammenstellung schien es Meinungsverschiedenheiten zwischen Tuchel und der Vereinsspitze um Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc gegeben zu haben. Ein großer Umbruch stand an, was gleichbedeutend mit einer großen Herausforderung für den Cheftrainer einherging. Mit Ilkay Gündogan und Mats Hummels verließen gleich zwei Leistungsträger den BVB, was bei Tuchel nicht gerade gut ankam. Zugleich verpflichteten die Vereins-Bosse acht Neuzugänge, die von Tuchel integriert werden mussten.

Tuchel und der BVB: Der wohl entscheidende Bruch

Neben einigen Störgeräuschen über die Saison hinweg hat rückblickend wohl der Streit um einen Nachholtermin des Champions-League-Spiels gegen Monaco das Tuch zerschnitten. Vorangegangen war ein Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus des BVB. Tuchel war alles andere als erfreut, als er von Joachim Watze erfuhr, dass das Champions-League-Spiel nur einen Tag nach dem Bombenanschlag nachgeholt werden sollte.

Darüber hinaus war auch der Riss mit der Mannschaft irgendwann unübersehbar. Bereits nach dem Pokalfinale äußerten Marco Reus und Marcel Schmelzer klare Kritik in Richtung Trainer. Spätestens hier war klar: Eine Trennung ist unabdingbar. Die Zeit Tuchels beim BVB ein Jahr vor Vertragsende nahm ein jähes Ende und endete trotz Pokaltriumph im Streit. Dieses Schicksal sollte Tuchel nicht zum letzten Mal ereilen.

Bei PSG an Weihnachten gefeuert

PSG-Trainer Thomas Tuchel (l) gratuliert Neymar nach dessen Treffer zum 2:0 gegen Belgrad.
PSG-Trainer Thomas Tuchel (l) gratuliert Neymar nach dessen Treffer zum 2:0 gegen Belgrad. © Darko Vojinovic/AP/dpa

Ähnlich sah es bei seiner nächsten Trainerposition bei Paris Saint-Germain aus: Zwar stand Tuchel mit dem Pariser Star-Ensemble 2020 im Finale der Champions-League. Im Estadio da Luz von Lissabon unterlag er Bayern München mit 0:1. Bis heute ist das schwerreiche PSG dem Champions-League-Titel noch nie so nahe gekommen wie unter Thomas Tuchel. 

Beziehung zu Sportdirektor Leonardo war zum Scheitern verurteilt

Doch wieder einmal wurden dem damals 47-Jährigen Zerwürfnisse mit den Bossen zum Verhängnis. Zu Sportdirektor Leonardo herrschte ein sehr angespanntes Verhältnis.

Auch das Verhältnis zu den Starspielern um Neymar, Mbappé und Co. soll problematisch gewesen sein. Laut  der französischen Fachzeitschrift "France Football" war Tuchel sogar in einigen Pariser Clubs gewesen, um die Party-Nächte seiner Spieler einzudämmen. Auch in Sachen Ernährung schrieb Tuchel seinen Stars vor, keine Nudeln nach Spielen zu essen und auch Fastfood und Süßigkeiten gänzlich sein zu lassen. Zusätzlich wollte der damalige PSG-Trainer sogar so weit gehen, das Schlafverhalten seiner Spieler zu kontrollieren. All das kam natürlich auch bei der Mannschaft nicht gut an,  bei der letzten Endes womöglich auch einige froh um den Trainerwechsel gewesen sind.

Die Kündigung von PSG-Boss Leonardo erhielt Tuchel  von Leonardo schließlich unterm Weihnachtsbaum präsentiert – keine schöne Bescherung. 

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Das bis dato letzte Kapitel: Der FC Chelsea

Chelsea-Trainer Thomas Tuchel will nach der Champions League auch die Club-WM gewinnen.
Chelsea-Trainer Thomas Tuchel will nach der Champions League auch die Club-WM gewinnen. © Susana Vera/Reuters-Pool/AP/dpa

Bereits einen Monat nach dem Aus bei PSG saß Tuchel schon wieder auf einer anderen Trainerbank. Ungeachtet von den Nebengeräuschen rund um sein Aus bei Paris trat Tuchel Ende Januar 2021 ein neues Abenteuer bei Chelsea an. Auf der Insel kam Tuchel rechtzeitig zur heißen Phase und ersetzte Frank Lampard, dem der Verein die großen Ziele nicht mehr zutraute.

Der Trainerwechsel entpuppte sich für den FC Chelsea als absoluter Glücksgriff. Denn nach gerade mal vier Monaten krempelte Tuchel die Mannschaft so um, dass der FC Chelsea spielerisch wieder überzeugte und im Champions-League-Finale Manchester City besiegte.

Nur 13 Monate nach CL-Gewinn das Aus bei Chelsea

Der Gewinn des Henkelpotts ist der größte Triumph, den Tuchel in seiner bisherigen Trainerkarriere vorzuweisen hat. Im rein englischen Duell setzte sich sein Team dank eines Treffers von Kai Havertz mit 1:0 gegen die Citizens durch. Sportlich lief es mal wieder gut in der Premierensaison. Und auch seine zweite Spielzeit beendete Chelsea auf Platz drei hinter den beiden überragenden Teams aus Liverpool und Manchester. 

Dem deutschen Übungsleiter wurde dann der Besitzerwechsel zum Verhängnis. Aufgrund Russlands Angriffskrieges in der Ukraine und der darauf folgenden politischen Sanktionen musste der damalige Besitzer Roman Abramowitsch den Verein verkaufen. Todd Boehly – ein US-amerikanischer Unternehmer – kaufte die Rechte des russischen Oligarchen auf. 

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Boehly krempelt den Verein ordentlich um

Beim Neubesitzer startete Tuchel wieder von Null. Als dann auch noch die Ergebnisse zu Beginn dieser Saison nicht passten, hatte er seine Vorschusslorbeeren schnell verspielt.

Zudem gab es mit dem US-Amerikaner ein Zerwürfnis, das laut der englischen Zeitschrift "The Times" der eigentliche Grund für die Trennung gewesen ist. Den Berichten zufolge war Tuchel ganz und gar nicht mit den Neuzugängen zufrieden.

Zudem soll Boehly Tuchel bei einem Meeting eine irreguläre Aufstellung in einer 4-4-3-Formation vorgelegt haben – also mit 11 Feldspielern, dessen Namen der Investor sogar aufzählte. 

Als dann die Leistung auf dem Platz nicht stimmte und Chelsea trotz Investitionen von 280 Millionen Euro die Auftaktpartie in der Champions League gegen Dinamo Zagreb verlor, zog der Eigentümer die Reißlinie und setzte Tuchel vor die Tür. Dennoch: Die Entlassung von Tuchel basierte nicht auf einer fachlichen Entscheidung.

Neues Kapitel FC Bayern: Ein Aufeinandertreffen von Alphatieren

Nun also das neue Abenteuer beim FC Bayern. Dort trifft Thomas Tuchel auf zwei Herren (Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn), die nicht weniger Temperament besitzen als der Nachfolger von Julian Nagelsmann.

Es bleibt also abzuwarten, wie sich Tuchel an die neuen Gegebenheiten beim FC Bayern gewöhnt und sich in das Gefüge des deutschen Rekordmeisters einfügt. Viel Zeit bleibt dem 49-Jährigen nicht. Bereits am 1. April wartet auf den FC Bayern das deutsche Klassikerduell gegen den BVB (18.30 Uhr/Sky und im AZ-Liveticker), bei dem Tuchel gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber bereits zum Siegen verdammt ist.

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8 Kommentare
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  • Bayerncharly789 am 28.03.2023 07:57 Uhr / Bewertung:

    LEGENDÄR WAR DER RAUSSCHMISS VON MISLINTAT AUS DER BVB KABINE VON TUCHEL.
    ALSO BRAZZO - AUFPASSEN

  • muc_original_nicht_Plagiat! am 28.03.2023 05:08 Uhr / Bewertung:

    Um hier mal die korrekte Bild zu zeichen:

    Neymar über Tuchel:
    22.5.2022
    https://www.focus.de/sport/fussball/premierleague/moeglicher-wechsel-grosse-zuneigung-neymar-schwaermt-von-trainer-thomas-tuchel_id_103310542.html

    3.10.21: (Quelle Sport1)
    Neymar voll des Lobes: "Tuchel ein Gewinnertyp"

    So verabschiedeten die PSG-Stars Tuchel:
    https://ligalive.net/nach-trainerentlassung-thomas-tuchel-abschied-psg-neymar-mbappe/

    Neymar on Tuchel…
    “Thomas Tuchel? I would give my life on the pitch for him. He is a truly brilliant man."
    21.5.2022

    Hier mal Kritik von Neymar aus dem Jahr 2020, da ging es aber um die Frequenz seiner Einsätze und um seine Form:
    https://www.sportbuzzer.de/artikel/neymar-kritik-thomas-tuchel-psg-leistung-verletzung-bvb-champions-league/

  • TheSpecialOne am 27.03.2023 12:34 Uhr / Bewertung:

    Das in Dortmund wird mir tatsächlich auch viel zu hoch gekocht.
    Da ist eine Bombe explodiert, und wir reden hier nicht von einer medialen, sondern einer richtigen, also von einer, die "Bumm" macht.
    Wer jetzt nicht gerade in der Ukraine Urlaub macht, bzw. Krieg nur aus dem TV kennt wie ich, wird sich kaum vorstellen können, wie man sich bei sowas fühlt ("Gott sei dank" möchte ich anfügen).
    Ich denke, dass da von allen Seiten (Tuchel, Watzke und vor allem auch seitens der UEFA, die ja locker fröhlich zum Tagesgeschäft zurück wollte) reichlich Stuss geredet wurde. Und so sehr ich Watzke nicht in Schutz nehmen möchte, aber der würde heute vielleicht auch anders entscheiden, Tuchel würde sich bestimmt auch einer anderen Wortwahl bemüßigen.
    Will sagen: wenn man das Thema "Stinkstiefel Tuchel" behandelt, sollte man Dortmund, zumindest alles, was nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus passiert ist, ausklammern. Weil das war wirklich eine Ausnahmesituation sondergleichen.

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