Thiago und Vidal: Der Schöne und das Biest
Madrid - Oliver Kahn nannte keine Namen, aber wer das Zweikampfverhalten der Bayern-Truppe in Minute elf vor dem 0:1 beobachtet hatte, der kann erahnen, wen der Ex-Titan da alles so meinte, als er in der Halbzeitpause in seiner Funktion als Experte des ZDF sagte: "Ich will jetzt keine Mentalitätsdebatte beginnen." Und tat natürlich in diesem Moment nichts anderes. Also los: "Die Bayern-Spieler haben alle die richtige Mentalität, aber sie zeigen es heute nicht. Aber wenn ich hier in diesem Stadion bestehen will, dann muss ich diese Zweikämpfe auch führen wollen."
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Die vier verlorenen Zweikämpfe vor dem Gegentreffer durch Saúl Niguez waren in der ersten Halbzeit symptomatisch für das Auftreten des deutschen Rekordmeisters bei den Temperamentsbolzen von Atlético Madrid. Erst stocherte Thiago halbherzig am späteren Torschützen herum, dann machte Juan Bernat bereitwillig Platz, bevor Xabi Alonso ins Leere grätschte und David Alaba bewies, dass er halt doch kein gelernter Innenverteidiger ist. Zu dumm, dass Arturo Vidal gerade nicht in der Nähe war. Der Chilene hätte den jungen Saúl Niguez nicht so weit laufen, geschweige denn überhaupt schießen lassen. Aber überall kann König Arturo halt doch nicht sein, auch wenn man zuweilen genau diesen Eindruck hat.
Bescheidene Werte bei Thiago
Einen ganz anderen Eindruck hat man dagegen von seinem Kollegen Thiago. Der wirkte in diesem so adrenalinhaltigen Willens-Spiel seltsam blutleer, mäßig inspiriert und mit weniger als halb so viel Engagement wie Vidal unterwegs. Während der Chilene jetzt im entscheidenden Schlussviertel der Saison so richtig aufdreht und seine Klasse in den großen Spielen ständig eindrucksvoll unter Beweis stellt, ist bei Thiago genau das Gegenteil der Fall.
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Von Pep Guardiolas Lieblingskicker ("Thiago oder nix!") sind einem aus dieser Spielzeit erstaunlich wenige Highlights in Erinnerung geblieben. Eigentlich nur die Szene, als er beim Rückspiel gegen Juventus Turin wie eine Rakete aufs Spielfeld stürmte, als Thomas Müller mit seinem Treffer in der Nachspielzeit doch noch die Verlängerung erzwungen hatte. Minuten später traf auch noch Thiago – es war allerdings erst sein vierter Treffer in dieser Saison. In 37 Spielen brachte er es auch bislang auf nur acht Vorlagen – eher bescheidene Werte für einen Hochbegabten wie ihn. Gegen Atlético war für ihn nach 70 enttäuschenden Minuten Schluss, Thomas Müller kam. Und dem hätte Oliver Kahn nun sicher kein Mentalitätsproblem angedichtet.