Taktik: Das hat Jupp Heynckes beim FC Bayern München schon verändert

München - Am Montag dachte Jupp Heynckes tatsächlich mal nicht nur an den FC Bayern. Seine Ehefrau Iris, seit 1967 mit dem Coach verheiratet, musste sich einer Knie-OP unterziehen. Knorpelschaden, "eine typische Fußballer-Verletzung", wie Heynckes bei seiner Vorstellung vor einer Woche sagte: "Sie kann sich kaum bewegen." Auch deshalb fiel es dem 72-Jährigen zunächst schwer, den Bayern zuzusagen. Doch Iris riet ihrem Jupp zum vierten Abenteuer in München – genau wie Tochter Kerstin. Und seitdem hat sich Heynckes dem Klub mit voller Energie verschrieben, arbeitet täglich fast zwölf Stunden an der Säbener Straße.
Mit ersten Erfolgen. Der SC Freiburg wurde am Samstag mit 5:0 aus der Arena geschossen, die Stimmung ist deutlich besser als unter Vorgänger Carlo Ancelotti.
Vor dem wichtigen Champions-League-Spiel gegen Celtic Glasgow am Mittwoch erklärt die AZ die neuen Bayern.
Heynckes’ Stammelf: Knapp drei Wochen ist das 0:3-Debakel von Paris her, es kostete Ancelotti letztlich den Job. Der Italiener hatte die Bayern-Bosse und einige Stars mit einer riskanten Aufstellung verärgert, Franck Ribéry, Arjen Robben und Mats Hummels auf der Bank, Jérôme Boateng sogar auf der Tribüne gelassen. "Ancelotti hat fünf Spieler gegen sich gehabt, das war nicht durchzuhalten", sagte Präsident Uli Hoeneß.
Hummels: "In einem richtig guten Team arbeiten alle defensiv"
Heynckes verzichtet auf solche Experimente und Extremrotation, lässt das nominell beste Team auflaufen, stärkt seine Führungsspieler. Gegen Celtic dürfte deshalb fast dieselbe Elf wie am Samstag starten. Unklar ist nur, ob Arturo Vidal den verletzten Javi Martínez (Schultergelenk, laut Kicker mindestens zehn Tage Pause) ersetzt, Sebastian Rudy oder Corentin Tolisso.
Neues Spielsystem: Gegen Freiburg war bereits zu erkennen, dass Heynckes der Abwehrarbeit besondere Bedeutung zumisst. "Es ist fundamental, dass wir zu null spielen und defensiv gut stehen", sagte der Trainer. Mit wenigen Ausnahmen gelang das den Bayern – auch, weil Heynckes im zentralen Mittelfeld auf einen klaren Abräumer (Martínez) setzte, der die Innenverteidiger im 4-2-3-1-System unterstützte. Ancelotti hatte meist 4-3-3 spielen lassen.
Wie im Triple-Jahr orientieren sich nun auch die Offensivstars bei Ballverlust schnell nach hinten. "Man kann einen, maximal zwei Spieler tolerieren, die nicht so intensiv in der Defensive mitarbeiten", sagt Mats Hummels. "Ansonsten braucht man da alle, sonst ist man keine richtig gute Mannschaft. Das hat der Trainer auch begriffen und es allen sehr klar gemacht."

Härteres Training: Unter dem neuen Coach wird intensiver, länger trainiert als unter Ancelotti, meist 90 statt zuvor 60 Minuten. Dem Aufwärmprogramm wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt, es gibt wieder Stabilisationsübungen.
"Der Trainer ist sehr fordernd im Training, er korrigiert ständig, feuert an", sagt Hummels: "Er legt sehr viel Wert auf sauberes Passspiel, das hat Bayern ja schon ausgezeichnet, als ich noch in Dortmund gespielt habe."
Besserer Teamgeist: "Wir haben als Mannschaft gespielt, das war schon lange nicht mehr so", sagte Thiago. Heynckes hat es binnen weniger Tage geschafft, das Klima im Team zu verbessern. Symbolisch: Torjäger Robert Lewandowski ließ bei Joshua Kimmichs 5:0 den Ball ins Tor trudeln, obwohl er selbst hätte treffen können. Nach der Freiburg-Partie gab’s in der Kabine noch Pizza.
Neues Selbstvertrauen: David Alaba, Kingsley Coman, Thiago, auch Thomas Müller: Bei vielen Stars zeigte die Formkurve zum Heynckes-Start nach oben. "Jeder einzelne Spieler hat eine Reaktion gezeigt", sagte Kimmich. Müller: "Wir waren sehr motiviert, so müssen wir weitermachen."
Ein Sieg gegen Celtic ist Pflicht, aktuell liegen die Schotten punktgleich auf Rang zwei der Gruppe. Das Selbstvertrauen ist jedenfalls zurück bei den Bayern. "Wenn wir die richtige Mentalität zeigen", sagte Thiago, "können wir jeden schlagen".