Steuer-Prozess: Das Verfahren gegen Ulrich H.
Am Montag beginnt der Prozess gegen Uli Hoeness: die Vorkehrungen, die Vorwürfe, die Akteure im Verfahren vor dem Münchner Landgericht
München - Ob Schlachtenbummler kommen, ist unklar. Aber Münchens Polizei und Justiz sind darauf vorbereitet.
Vor dem Justizpalast in der Prielmayerstraße herrscht ab Sonntag Parkverbot. Die Zahl- und Beglaubigungsstelle ist gleich die ganze Woche geschlossen. Im Inneren des neobarocken Prachtbaus stehen Bauzäune, um den Ansturm der Zuschauer zu bändigen.
Der Landgerichtspräsident hat ab Montag das „Lagern und Campieren auf dem Gelände“ sowie das Mitbringen „von Fahnen und Transparenten“ untersagt. Es ist eine verrückte Welt, in der am Montag das „Strafverfahren gegen Ulrich H. wegen Steuerhinterziehung“ beginnt.
Verrückt auch deswegen, weil sich für den Prozess gegen Ulrich, genannt Uli, Hoeneß wegen Steuerhinterziehung mit 450 Journalisten drei Mal so viele Medien akkreditieren – also zur Berichterstattung anmelden – wollten wie für den NSU-Prozess vor einem Jahr.
Die eventuell nicht ganz wohl geordneten privaten finanziellen Verhältnisse des FC-Bayern-Präsidenten sind offensichtlich relevanter als die jahrelange Mordserie einer neofaschistischen terroristischen Vereinigung. Die Abendzeitung kann für sich reklamieren, stets beide Themen in gebotener Größe dargestellt zu haben – und wird das auch weiterhin tun:
Heute öffnen wir online und in einer Doppelseite in der Print-Ausgabe die „Akte Hoeneß“. Im Verfahren, dass am Montag vor dem Landgericht München II eröffnet wird, trägt sie das Aktenzeichen 68Js 3284/13.
In der Anklage wird dem Bayern-Präsidenten Steuerhinterziehung vorgeworfen. Zwischen 2003 und 2009 soll Hoeneß mit Millionen, die ihm der verstorbene Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus geliehen haben soll, in der Schweiz gezockt haben.
Angeblich hat er so mehr als 30 Millionen Euro erwirtschaftet, auf die er ganz oder teilweise Steuern hätte zahlen müssen. Die Ermittler gehen von einer Steuerschuld von 3,5 Millionen Euro aus.
Eine heikle Größenordnung, da der Bundesgerichtshof seit 2008 die Rechtsprechung in Steuersachen verschärft hat – die obersten Richter haben sich dafür ausgesprochen, dass ab einer Million Euro Steuerschuld in der Regel eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung zu verhängen ist. Das Gesetzbuch sieht für schwere Steuerhinterziehung eine Haftstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor.
Das Online-Dossier zum Fall Hoeneß finden Sie hier
Die rechtliche Bewertung ist allerdings schwierig. Und diese wird noch dadurch erschwert, dass Uli Hoeneß am 17. Januar 2013 Selbstanzeige gestellt hat.
Diese könnte strafbefreiend wirken, wenn sie rechtzeitig und vollständig war. Das sieht die Staatsanwaltschaft aber offensichtlich nicht so.
Letztlich muss darüber aber Richter Rupert Heindl entscheiden – genau so wie über die Frage, ob die Selbstanzeige oder andere Umstände Anlässe zur Milde sind.
Nur vier Verhandlungstage sind geplant, schon am Freitag könnte es ein Urteil geben. Drei von vier Zeugen, alles Steuer-Experten, sollen schon am ersten Tag gehört werden.
Die Abendzeitung hat Uli Hoeneß im April 2013, bereits bevor er selbst damit an die Öffentlichkeit ging, damit konfrontiert, dass ein Steuerverfahren gegen ihn läuft. Das hat er bestritten – genauso wie Angaben über die Höhe seines Vermögens in der Schweiz. Die Wahrheitsfindung werden wir am Montag im Sitzungssaal 134 verfolgen – die Abendzeitung hatte sich als erstes von 450 Medien für das „Strafverfahren gegen Ulrich H." akkreditiert.
Lesen Sie hier: Welches Strafmaß könnte Hoeneß erwarten?
Hier stellen wir die Akteure in der Schnell-Übersicht vor:
Uli Hoeness: Der Alles-Gewinner
Er ist der erfolgreichste Fußball-Manager der Welt: Uli Hoeneß (62). Er wurde als Spieler Welt- und Europameister, holte im FC-Bayern-Dress acht Titel und Pokale.
Von 1979 bis 2009 war er Bayern-Manager, danach Präsident und Aufsichtsratschef. 2013 gewannen die Bayern unter ihm als erster deutscher Verein das Triple.
1985 gründete er die HoWe Wurstwaren. Hoeneß ist seit 30 Jahren mit Susi verheiratet, das Paar hat zwei Kinder.
Die Anwälte: Drei Juristen für Hoeneß
Gleich drei Anwälte stehen Uli Hoeneß im Steuerstrafverfahren zur Seite: die Münchner Markus Gotzens und Dieter Lehner sowie der Frankfurter Rechtsanwalt Hanns W. Feigen.
Feigen gilt im Steuerstrafrecht als Schwergewicht. Bereits ein Telefonat mit seiner Kanzlei macht Mut:
„Freiheit“ von Westernhagen dudelt es in der Warteschleife. Auf seiner Internetseite listet er seine Schwerpunkte auf: Verteidigung von Führungskräften in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen.
Dahinter steht ein Teil seines bisherigen Wirkens: „Kirch-Verfahren“, „Porsche-Verfahren“, „Einsturz des Kölner Stadtarchivs“, „Schweizer Großbank“ im Streit gegen die Staatsanwaltschaft Bochum im Fall einer Steuer-CD.
Eines haben die drei Advokaten gemeinsam. Sie sind sehr schweigsam. Der Münchner Jurist Gotzens aus der Kanzlei Wannemacher & Partner hat bereits den Ex-VW-Chef Bernd Pischetsrieder erfolgreich in einem Steuerstrafverfahren vertreten.
Gegen Zahlung von 100000 Euro wird der Fall eingestellt. Allerdings war der hinterzogene Steuerschaden von 235000 Euro vergleichsweise Peanuts.
Gotzens, der eine Bankerausbildung in seiner Vita ausweisen kann, ist ein fleißiger Autor. Neben Festschriften für runde Geburtstage verfasst er Fachlektüre. Allein die Titel lassen erkennen, dass nur der Fachmann durchsteigt: „Im Spannungsfeld zwischen § 406e StPO und § 30 AO“. Gotzens Werk „Letzte Frist für reuige Steuersünder“ aus dem Jahr 2004 wäre aber auch etwas für seinen Mandanten Hoeneß gewesen.
Ein Engel als Ankläger
Staatsanwalt Achim von Engel (39) hat den FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß vor Gericht gebracht. Sein Anklageantrag soll hieb- und stichfest gewesen sein – ansonsten hätte das Münchner Landgericht den Antrag nicht zugelassen.
Dem Steuerexperten ist es auch gelungen, alle Anklagepunkte bei der 5. Strafkammer durchzubringen. Die Anklage wegen Steuerhinterziehung wurde unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen.
Der ehemalige Amtsrichter von Engel hat auch den ehemaligen VW-Chef Bernd Pischetsrieder wegen Steuerhinterziehung angeklagt. Knapp 235000 Euro hatte Pischetsrieder damals hinterzogen.
Im Oktober 2011 einigten sich die Verteidigung, Staatsanwalt von Engel und die Strafkammer darauf, das Verfahren einzustellen. Dafür musste Pischetsrieder allerdings 100000 Euro bezahlen.
Von Engel gilt als hartnäckig und zielstrebig. Unmögliches gibt es für ihn in dem Paragraphen-Dschungel nicht.
Staatsanwalt von Engel kam zu dem Ergebnis, dass die Selbstanzeige von Uli Hoeneß ungültig sei. Der Manager habe sie viel zu spät und fehlerhaft abgegeben. In Justizkreisen wird vermutet, dass von Engel eine Haftstrafe ohne Bewährung für Hoeneß fordern wird.
Der Richter: Der harte Heindl
Der 47-jährige Rupert Heindl führt den Vorsitz der 5. Strafkammer beim Landgericht München II. Er ist seit August 1997 bei der bayerischen Justiz. Über ihn heißt es in Fachkreisen, dass er seine Verfahren „wie ein Roboter“ und mit aller Härte durchzieht. Absprachen gibt es mit ihm nicht. Ihm sei es ganz egal, ob sich dadurch seine Verfahren über ein Jahr hinzögen. Heindl verbohre sich auch mal in Kleinigkeiten. Der streitbare Richter scheut die Öffentlichkeit.
Lesen Sie hier: Die Chronologie der Steuer-Affäre Hoeneß