Welches Strafmaß könnte Hoeneß erwarten?
München - Was erwartet Uli Hoeneß? Am 10. März 2014 beginnt sein Prozess vor dem Landgericht München.
Wie bei allen Verfahren gilt auch hier die Unschuldsvermutung: Bis zum Nachweis der Schuld in einem öffentlichen Verfahren ist jeder Angeklagte als unschuldig anzusehen. Es gilt aber auch hier die alte Volksweisheit: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.
Im Fall Hoeneß heißt das: Nichts ist weltweit so vielseitig und vielfältig wie das deutsche Steuerrecht. Und in Kombination mit dem Strafrecht und der Abgabenordnung ergeben sich eine Vielzahl von möglichen Urteilen: Vom Freispruch erster Klasse zur Bewährungsstrafe mit oder ohne Geldauflage bis zur theoretisch möglichen Höchststrafe von zehn Jahren.
Keine Frage: Auf Richter Rupert Heindl warten schwierige Entscheidungen. Allerdings ist die Be- und Verurteilung von Steuer-Delikten kein neues Phänomen im deutschen Strafrecht und der Bundesgerichtshof (BGH) hat in den letzten Jahren zahlreiche Entscheidungen gefällt, die dem einzelnen Richter im individuellen Fall als Leitplanken dienen können.
Die AZ hat hier die wichtigsten „Leitsatzentscheidungen“ des BGH zu Steuerhinterziehung und Selbstanzeige zusammengefasst.
Erstens weil das oberste Gericht auch die "Leitplanken" für untere Instanzen setzt. Und zweitens, weil es ja gut möglich ist, dass der Bundesgerichtshof sich auf Initiative der Münchner Staatsanwaltschaft oder der Hoeneß-Verteidiger als nächste Instanz mit dem prominenten Fall befassen muss. Bemerkenswert ist, dass sich alle drei Entscheidungen auf Urteile bayerischer Gerichte – München, Augsburg, Landshut – beziehen
2008: Grundsatzurteil zur Strafhöhe bei Steuerhinterziehung
Der Fall: Ein Landshuter Trockenbau-Unternehmer beschäftigte von 2001 bis 2005 Arbeitnehmer schwarz und hinterzog so Steuern in Höhe von rund 950.000 Euro. Dafür wurde er 2008 zu 23 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Dagegen legte er Revision beim BGH ein.
Das Urteil: Der BGH verwirft die Revision. (AZ 1 StR 416/08). Die Strafe wird (was möglich gewesen wäre) nicht zur Bewährung ausgesetzt – unter anderem, weil der Mann vorbestraft ist.
Die Gründe: Der BGH macht zwei Dinge erstmals sehr klar, die nun auch im Fall Hoeneß eine Rolle spielen: Je größer der Schaden, desto höher die Strafe.
Das heißt in diesem Fall konkret: Liegt der Steuerschaden über 50.000 Euro ist „in der Regel nur eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren angedroht“.
Bei einer Millionensumme – bei Hoeneß geht die Staatsanwaltschaft laut SZ von 3,5 Millionen aus - spricht sich der BGH im Regelfall für drei Prinzipien aus: Eine Geldstrafe reicht nicht. Das Verfahren darf nicht nur per Strafbefehl geregelt werden – dem stehe das „Informationsinteresse der Öffentlichkeit“ entgegen.
Und: Eine Bewährungsstrafe (von maximal zwei Jahren), kommt „bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht“. Bei Beträgen darunter reichen ab 50.000 Euro Steuerschuld „gewichtige Gründe“ für eine Bewährung.
Wenn die Anklage im Fall Hoeneß also wirklich von einem deutlich sechsstelligen Betrag ausgeht – und der Richter hier der Staatsanwaltschaft folgen sollte – hat das große Bedeutung für die Frage: Bewährung oder nicht? Die Bundes-Richter wollen zwar keine Staffelung nach Beträgen, sie halten es aber bei einer Steuerhinterziehung „großen Ausmaßes“ für sinnvoll, aufzuzeigen „wann der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe (mit erhöhtem Mindestmaß) für angebracht hält“.
Aber was könnten „Milderungsgründe“ sein – auch für Hoeneß? Mildernd kann laut BGH wirken, dass er sich ansonsten steuerehrlich verhalten hat.
Überprüft wird im Verfahren auch das Verhältnis von hinterzogener zu gezahlter Steuer. Und: „In die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist auch die Lebensleistung und das Verhalten des Täters nach Aufdeckung der Tat einzubeziehen“.
Strafmildernd - nicht -befreiend – wirken außerdem ein Geständnis und eine Nachzahlung.
Gegen eine Bewährungs- oder Geldstrafe spricht zum Beispiel wenn der Täter das „Finanzamt als Bank betrachtete und in erheblichem Umfang ungerechtfertigte Vorsteuererstattungen erlangt hat“. Eine Differenzierung zwischen „gewichtigen“ und „besonders gewichtigen“ Milderungsgründen findet sich hier nicht.
2012: Strafzumessung bei Millionenhöhe
Der Fall: Ein Augsburger Unternehmer wurde 2011 wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 1,1 Millionen Euro vom Landgericht Augsburg zu zwei Jahren Haft verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Revision ein – sie hält die Strafe für zu milde.
Das Urteil: Der BGH gibt der Staatsanwaltschaft Recht (AZ 1 StR 525/11) – der Fall wird an eine andere Kammer des Augsburger Gerichts zur Neuverhandlung zurückgegeben.
Die Gründe: Der BGH stellt Rechtsfehler fest – und zwar vor allem bei den Milderungsgründen, die maßgeblich für das Gewähren einer Bewährung waren. Dies könnte für das Hoeneß-Verfahren wichtig werden.
Das Landgericht Augsburg hatte zugunsten des Unternehmers gewertet, dass er geständig war und sich entschuldigt hat. Dass er den Schaden wiedergutgemacht hat. Dass er nicht vorbestraft ist und durch das Verfahren psychischen Belastungen ausgesetzt war. Dass er „durch einen Steuerberater begleitet wurde und insofern nur von einem bedingten Vorsatz auszugehen“ sei.
Dies sind laut BGH keine „Milderungsgründe von besonderem Gewicht“ – erstmals definiert das Gericht hier den Unterschied zwischen „gewichtigen“ und „besonders gewichtigen“ Milderungsgründen – das könnte wichtig für Uli Hoeneß werden.
Weder die „Unbestraftheit“, noch seine Entschuldigung, seine psychischen Belastungen oder die Nachzahlungen seien „besonders gewichtigen Milderungsgründe“. Der BGH kommt zu dem Schluss: „Das Landgericht hat die nach der Rechtsprechung des BGH bei Hinterziehung in Millionenhöhe geltenden Maßstäbe für die Strafzumessung nicht zutreffend angewandt“.
Das Dossier zum Fall Hoeneß finden Sie hier
Die Strafe stelle „keinen gerechten Schuldausgleich mehr dar“ – die Richter machten außergewöhnlich klar, dass sie sich übergangen fühlten.
Und fügen noch eine weitere Watschn hinzu: Das Landgericht habe "die Zumessung der Strafhöhe unzulässig mit Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung vermengt“. Das gehe grundsätzlich gar nicht. Auch das ein wichtiger Fingerzeig.
Ganz ähnlich urteilte der BGH im gleichen Jahr erneut: In Hamburg waren 2011 zwei Schmuggler zu 24 Monaten bzw. 16 Monaten auf Bewährung verurteilt – sie hatten Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 1,09 Millionen Euro hinterzogen.
Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Revision ein – sie wollte eine höhere Strafe. Der BGH gab der Ermittlungsbehörde recht. Die Grundsätze zur Strafzumessung bei Steuerhinterzieung in Millionenhöhe seien anzuwenden.
2010: Die Rolle der Selbstanzeige
Der Fall: Ein Geschäftsführer hatte weder Einkommen noch Provisionen deklariert – dadurch hinterzog er Steuern in Höhe von 5,8 Millionen Euro. Er wurde vom Landgericht München II 2009 zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Dagegen legte er Revision ein – er habe im Rahmen einer Hausdurchsuchung noch Selbstanzeige erstattet und die hinterzogenen Steuern bezahlt.
Das Urteil: Der BGH verwirft die Revision und macht im Urteil einige grundsätzliche Anmerkungen zur strafbefreienden Wirkung von Selbstanzeigen (AZ 1 StR 245/09). Zunächst einmal sagen die Richter, dass ein Steuerbetrüger nur aus zwei Gründen bevorzugt wird: Es sollen „verborgene Steuerquellen“ erschlossen werden. Und der Steuerhinterzieher soll zur Steuerehrlichkeit zurückkehren.
Letzteres sei aber nur vor „wenn der Täter vollständige und richtige Angaben – mithin „reinen Tisch“ – macht. Erst dann liegt eine strafbefreiende Selbstanzeige vor.“ Teilselbstanzeigen – also wenn ein Steuerpflichtiger seine unvollständige Einkommensteuererklärung berichtigt – hält der Senat nicht für ausreichend.
An Richter Heindl könnte es nun sein, zu prüfen ob und wenn ja, in welchem Umfang Hoeneß seine Selbstanzeige zum Beispiel im Zuge einer Hausdurchsuchung noch ergänzt hat. Geprüft werden muss auch, ob die Recherchen des „Stern“ dazu geführt haben, dass die Steuerhinterziehung bereits entdeckt wurde.Ist dies der Fall, kann die Selbstanzeige nämlich nicht mehr strafbefreiend wirken.
Aber was heißt entdeckt? Reicht es, dass Hoeneß befürchten musste, dass er als Besitzer des Kontos „geoutet“ wird?
Auch hier hat der BGH sich Gedanken gemacht: Er geht ganz unjuristisch „vom allgemeinen Sprachgebrauch“ aus. Das heißt, es geht hier nicht um einen Anfangsverdacht, der der Anfang von Ermittlungen ist. Sondern das „Entdecken“ beginnt eher – nämlich dann, „wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist“.
Die Schlussfolgerung des BGH: Es ist „nicht erforderlich, dass der Täter der Steuerhinterziehung bereits ermittelt ist“ – das Gesetz knüpfe an der Tat, nicht am Täter an. Diese Frage ist äußerst abstrakt, sie könnte aber entscheidend für den Prozess sein.
Oder wie Hans Leyendecker und Georg Mascolo in der „Süddeutschen Zeitung“ in offensichtlicher Kenntnis der Anklage schrieben: „Staatsanwalt Engel kam zu dem Ergebnis, zum Zeitpunkt der Selbstanzeige sei zwar der Täter Hoeneß durch den „Stern“ noch nicht entdeckt gewesen, aber die Tat, also das Konto bei Vontobel, sei aufgeflogen.
Diese Frage beschäftigt auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Deren Autor, der Rechtsanwalt Karsten Randt, kommt allerdings zu der Auffassung das auch eine fehlgeschlagene Selbstanzeige lediglich „zu einer hohen, womöglich sogar sehr hohen Geldauflage“ führen könnte.