Starker Kursverlust: Der FC Bayern muss es machen wie Liverpool mit Thiago

Es war mal wieder die hohe Fußballkunst, die Thiago am Mittwochabend an der Anfield Road präsentierte. 99 von 103 Pässen brachte der Spanier beim 2:0-Sieg des FC Liverpool gegen Villarreal zu seinen Teamkollegen, er hatte 120 Ballaktionen – so viele wie kein anderer Spieler auf dem Platz.
Thiagos Körpertäuschungen – ein Genuss, genauso sein Fernschuss an den Außenpfosten in der ersten Halbzeit. Und so überraschte es nicht, dass die Uefa Thiago zum besten Spieler dieses Halbfinal-Hinspiels kürte. Bei einigen Bayern-Fans dürfte hingegen Melancholie eingesetzt haben.
FC Bayern: Thiago steht exemplarisch für den Qualitätsverlust
Was für ein Spieler – und was für ein Verlust! Thiago steht exemplarisch für den Qualitätsrückgang im Bayern-Kader, der seit dem Triple-Gewinn 2020 eingesetzt hat. Während die internationalen Rivalen wie Liverpool – mit und dank Thiago – sowie Manchester City (4:3 im ersten Halbfinale gegen Real Madrid) neue Maßstäbe setzen, hat Bayern im Frühling 2022 vor allem mit sich selbst zu tun.

Klar: Liverpool, das von der milliardenschweren Fenway Sports Group aus den USA geführt wird, hat finanziell deutlich mehr Spielraum als die Münchner – speziell in Zeiten der Corona-Pandemie mit hohen Verlusten. Gleiches gilt für Manchester City, den größten Geldverbrenner im europäischen Fußball überhaupt.
FC Bayern und Manchester City: Eine andere Welt
Da muss Trainer Pep Guardiola nur einmal kurz in Abu Dhabi nachfragen – schon ist der nächste Transfer über 100 Millionen Euro möglich.
Eine andere Welt. Und doch hat der starke Kursverlust des FC Bayern nicht allein monetäre Gründe. Thiagos Abgang war schließlich nicht der einzige, der seit 2020 extrem geschmerzt hat – und womöglich hätte vermieden werden können. Ivan Perisic, Philippe Coutinho, Javi Martínez standen zwar nicht immer in der Startelf, Trainer Hansi Flick konnte sie aber immer von der Bank bringen – ohne großen Qualitätsverlust.

Im Sommer 2021 wurden zudem David Alaba und Jérôme Boateng ablösefrei abgegeben. Alaba brilliert inzwischen bei Real Madrid, wo auch Ex-Bayer Toni Kroos seit seinem Wechsel 2014 einen Champions-League-Titel nach dem anderen gewinnt...

Salihamidzic landet zu wenige Volltreffer
Auf der Gegenseite landete Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic zu selten Volltreffer. Jamal Musiala und Alphonso Davies waren welche, zweifellos. Omar Richards, Bouna Sarr, Marc Roca, Marcel Sabitzer (zusammen rund 32 Millionen Euro Ablöse) aber nicht.
Bei Leroy Sané (50 Millionen Euro) und Dayot Upamecano (42 Millionen) haben sich die hohen Investitionen bislang nicht voll ausgezahlt, Lucas Hernández (80 Millionen) ist ein sehr guter Verteidiger, war aber im Einkauf zu teuer. Zumal man Alaba im Team hatte.
"Bei Bayern weiß man zurzeit nicht, was bei Transfers genau los ist - da scheiden sich die Geister", kritisierte Sky-Experte Lothar Matthäus. Einerseits würde Bayern Spieler kaufen und diese mit hochdotierten Verträgen ausstatten, "und dann sagt man verdienten Spielern, die in den letzten Jahren beim FC Bayern diese Erfolgsgeschichte geschrieben haben: 'Es reicht nicht mehr für euch - euch kann man nicht mehr bezahlen bzw. wir können eure Forderungen nicht erfüllen'." Wie im Fall Alaba. Die Ersatzspieler Roca und Richards bekamen von Salihamidzic übrigens Verträge bis 2025, Sarr bis 2024.
Der FC Bayern braucht Verstärkung
Um international wieder die Spitze angreifen zu können, braucht Bayern Verstärkungen in diesem Sommer – das meint auch Trainer Julian Nagelsmann. "Wenn ich nicht ins Risiko gehe, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, ins Halbfinale der Champions League zu kommen", sagte der Coach.
Die Münchner hätten "ein paar Baustellen" und "einen Kader, der schon lange zusammenspielt, was grundsätzlich gut ist, weil die Spieler sich gut kennen. Trotzdem ist es irgendwann auch an der Zeit, etwas Neues zu machen, wenn man so lange erfolgreich war. Gerade wenn etwas nicht so gut läuft, wird auch in der freien Wirtschaft oft Personal getauscht, um frisches Blut, frischen Wind reinzubringen."
Dem FC Liverpool ist dies mit Spielern wie Thiago gelungen...