Sportpsychologin Frauke Wilhelm über die Krise beim FC Bayern: "Team braucht Zeit, um sich zu finden"

Die Krise beim deutschen Rekordmeister spitzt sich seit Wochen zu. Nun droht dem FC Bayern womöglich auch noch der Verlust der Meisterschaft. Die AZ hat mit Sportpsychologin Frauke Wilhelm über die verzwickte Lage bei den Münchnern gesprochen.
Kilian Kreitmair
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Strotzen derzeit nicht vor Selbstvertrauen: Die Bayern-Stars um Yann Sommer und Serge Gnabry.
Strotzen derzeit nicht vor Selbstvertrauen: Die Bayern-Stars um Yann Sommer und Serge Gnabry. © IMAGO/Frank Hoermann

München - Beim FC Bayern liegen die Nerven seit Wochen auf allen Ebenen blank. Unter dem neuen Bayern-Trainer Thomas Tuchel geht die sportliche Talfahrt munter weiter. Im DFB-Pokal ist der amtierende deutsche Meister bitter gegen den SC Freiburg ausgeschieden, in der Champions-League wurden den Münchnern gegen Manchester City über weite Strecken sämtliche Grenzen aufgezeigt und im Kampf um die Schale mischt der FCB nur noch mit, weil der BVB sämtliche Steilvorlagen nicht verwerten kann.

Auch neben dem Platz läuft es beim FC Bayern überhaupt nicht

Auch abseits des Platzes ist es alles andere als ruhig beim FC Hollywood. Nach dem Paris-Trip von Gnabry und der mehr als unglücklichen Entlassung von Ex-Coach Julian Nagelsmann sorgen nun die Spekulationen um einen möglichen Rauswurf von Oliver Kahn und Sportchef Hasan Salihamidzic für Aufruhr. 

Aber woran liegt es, dass die Bayern-Stars nicht mehr in der gewohnten "Mia san Mia"-Mentalität von Sieg zu Sieg huschen und was braucht es beim FC Bayern, um doch noch die elfte deutsche Meisterschaft in Folge klarzumachen? Die AZ hat darüber mit Sportpsychologin und Programmleiterin der Fortbildung "Sportpsychologische Kompetenzen für Trainer und Manager" am Internationalen Fußball Institut, Frauke Wilhelm, gesprochen. 

Sportpsychologin und Programmleiterin am Internationalen Fußball Institut: Frauke Wilhelm.
Sportpsychologin und Programmleiterin am Internationalen Fußball Institut: Frauke Wilhelm. © privat

Die ehemalige Sportpsychologin von Hannover 96 und dem FC St. Pauli hat das Gefühl, dass es innerhalb der Mannschaftsteile beim deutschen Rekordmeister derzeit hakt. "Man hat nicht den Eindruck, dass es eine Mannschaft ist, wo alle am gleichen Strang ziehen und jeder blind weiß, was der andere tut", so Wilhelm. 

Teamfindung war unter Nagelsmann wohl noch nicht abgeschlossen

Das sei für Mannschaften, die vor der Saison neu zusammengewürfelt werden und Führungsspieler wie Robert Lewandowski verlieren, aber nichts Ungewöhnliches: "Jedes Team braucht eine gewisse Zeit, um sich zu finden und Einigkeit herzustellen, dass jeder weiß, wo sein Platz ist. Bis so etwas entsteht, haben wir auch eine Phase, in der Konflikte absolut dazugehören und in denen Menschen auch aneinander geraten."

Damit spielt Wilhelm auf die Watschn von Sadio Mané an Leroy Sané nach der 0:3-Klatsche bei Manchester City an. Dieser Prozess des Zusammenfindens, der laut Wilhelm in der Amtszeit von Nagelsmann wohl noch nicht abgeschlossen war, hat sich nach dem Trainerwechsel nochmal neu entfacht. "Es werden die Positionen, die Zielsetzung und die Werte wieder neu verhandelt", erklärte die Programmleiterin des IFI. 

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Ausfall von Führungsspieler Neuer schmerzt den FC Bayern

Auch der Ausfall von Kapitän Manuel Neuer habe die Situation bei den Münchnern laut Wilhelm verschärft: "Wenn eine Person wie Manuel Neuer im Spiel und im Training fehlt, dann verändert das eine Mannschaft auf dem Platz und die Mannschaftsstruktur neben dem Platz. Selbst, wenn er Reha-Training am Gelände macht, ist das etwas anderes, als wenn er im Mannschaftstraining wäre." 

Um nun Ordnung zu finden, brauche es Zeit. "Die Mannschaft muss Thomas Tuchel und seine Ziele kennenlernen und er muss die Mannschaft kennenlernen und dann muss sich das neu finden", betonte die Sportpsychologin. Um den FC Bayern wieder zu einer Einheit zu formieren und auf Vordermann zu bringen, sollte der ehemalige Trainer von Paris Saint-Germain und dem FC Chelsea auch in den nächsten Wochen weiter das Gespräch mit seinen Stars suchen. 

Fehlt dem FC Bayern in der Krise: Kapitän und Führungsspieler Manuel Neuer.
Fehlt dem FC Bayern in der Krise: Kapitän und Führungsspieler Manuel Neuer. © IMAGO/Revierfoto

Tuchel kann durch Kommunikation Grüppchenbildung entgegenwirken

"In Krisensituationen muss es immer mehr offizielle Kommunikation geben. Wenn man nicht offiziell kommuniziert, dann wird inoffiziell kommuniziert und dann geht das Spekulieren untereinander los", erklärte Wilhelm. Dadurch seien in den letzten Wochen womöglich auch die Grüppchen beim FC Bayern entstanden. 

"Die Kommunikation ist ein grundsätzliches Problem bei einer Fußballmannschaft, die ständig englische Wochen hat, weil da wenig Zeit für Kommunikation ist", ergänzte die 50-Jährige. Deshalb sollte Tuchel in den nächsten Wochen weiter viele Gespräche mit der Mannschaft und Einzelspielern führen. 

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Sportpsychologin Wilhelm: "In so einer Situation muss man mental regenerieren" 

Vor allem, die Maßnahme, dass Tuchel seiner Mannschaft nach der 0:3-Niederlage in Mainz drei Tage trainingsfrei gab, fand die Sportpsychologin wichtig: "Wenn die Spieler an die Säbener Straße fahren, ist es im Moment nicht selbstbewusstseinsfördernd, sondern anstrengend. Wenn das jeden Tag zu der physischen Erschöpfung hinzukommt, wird es schwer. In so einer Situation muss man nicht mehr nur körperlich regenerieren, sondern auch mental."

Nur mit kompletter Frische könnten die Bayern-Stars, bei denen die Krise wohl auch am eigenen Selbstwertgefühl nagt, zurück zur "Mia san Mia"-Mentaliät finden und doch noch am 34. Spieltag die Schale in den Himmel strecken. Denn aufgrund der Qualität im Kader sollten die Münchner den Meisterkampf laut Wilhelm auf keinen Fall aufgeben: "Dieser Kader ist in der Lage, die nächsten fünf Spiele zu gewinnen."

Den ersten Schritt Richtung elfte Meisterschaft in Folge können die Münchner schon am Sonntag machen. Da kommt die Hertha aus Berlin nämlich in die Allianz Arena (15.30 Uhr, live auf DAZN und im AZ-Liveticker). Mit einem Sieg gegen die kriselnde Alte Dame würden die Bayern durch den Patzer von Borussia Dortmund beim VfL Bochum dann sogar schon am 30. Spieltag wieder von der Tabellenspitze grüßen. 

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