Spanien-Desaster zeigt: Joshua Kimmich ist für das DFB-Team unersetzlich
München - Es war nichts anderes als ein Offenbarungseid an diesem denkwürdigen Dienstagabend im Estadio Ramón Sánchez Pizjuan. Kein Dagegenhalten, kein Aufbäumen – weniger als nichts.
Kein einziger deutscher Feldspieler stemmte sich gegen die historische 0:6-Schmach in Sevilla gegen Spanien - weder sportlich noch emotional. "Haben wir einen Spieler wie Sergio Ramos in den eigenen Reihen, der der Anführer ist?", fragte Bayern-Legende und ARD-Experte Bastian Schweinsteiger bereits zur Halbzeit, als sich das Debakel schon abzeichnete. "Wer macht das jetzt für die deutsche Nationalmannschaft? Wer geht da voran?"
0:6-Desaster in Spanien: Auch die Bayern-Stars spielen unterirdisch
Niemand - so lautete die erschütternde Erkenntnis nach einer eineinhalbstündigen Demütigung. Am unsichtbaren Weltmeister Toni Kroos (AZ-Note 5) konnte sich jedenfalls niemand aufrichten, der von Bundestrainer Joachim Löw als Abwehrchef auserkorene Niklas Süle war in jeglicher Hinsicht völlig überfordert (AZ-Note 6) und auch der in den vergangenen Monaten überragende Leon Goretzka tauchte völlig unter (AZ-Note 6).
Eben jene Spieler müssten "ein bisschen böser" werden, meinte Schweinsteiger, der mangelhafte Körpersprache und fehlende Aggressivität als Hauptgründe für die schmerzhafte Klatsche gegen die "Rote Furie" von der iberischen Halbinsel ausmachte. "Am meisten hat mich gestört, dass man sich nicht gewehrt hat", meinte der 36-Jährige.
Joshua Kimmich fehlt an allen Ecken und Enden
Der erbärmliche Auftritt des längst entthronten Weltmeisters von 2014 machte eines ganz deutlich: Es fehlen Wortführer. Typen, die dagegenhalten. Typen, die vorangehen. Typen wie Joshua Kimmich?
Der unbändig ehrgeizige Mittelfeld-Antreiber, für viele sowohl beim FC Bayern als auch in der Nationalmannschaft der Kapitän der Zukunft, musste sich die Demütigung vor dem Fernseher anschauen. Rein qualitativ fiel sein Ausfall angesichts des breit besetzten Mittelfelds nicht einmal so sehr ins Gewicht, charakterlich dafür umso mehr.
Kimmich besitzt die Attribute, die der DFB-Elf fehlten
"Jo ist die personifizierte Leidenschaft und Professionalität. Er ist in jedem Training extrem motiviert", meinte Joachim Löw noch im Oktober: "Er hat in unser spielstarkes Mittelfeld die Komponente Härte und Zweikampfstärke reingebracht. Er strahlt in seinen jungen Jahren schon Führungsqualitäten aus." Attribute, die der Nationalmannschaft am Dienstagabend augenscheinlich fehlten.
Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge äußerte sich zuletzt ähnlich: "Ich bin überzeugt, dass Joshua Kimmich eines Tages unser Kapitän wird. Das verkörpert er auf und außerhalb des Platzes", sagte der 65-Jährige vor einigen Wochen.
Immerhin: Bei der nächsten Länderspielpause im März - drei Monate vor Beginn der Europameisterschaft - kann Joachim Löw höchstwahrscheinlich wieder auf seinen Mittelfeld-Antreiber zurückgreifen. Bis dahin wird die Schmach von Sevilla zumindest etwas verdaut sein.