Sky-Experte Marcell Jansen: "Pep? Lieber Ancelotti!"
München - Marcell Jansen spielte in seiner Karriere für Gladbach, den FC Bayern und den Hamburger SV. 2015 beendete er seine aktive Laufbahn, mittlerweile arbeitet er als Experte für Sky. Das Interview.
AZ: Herr Jansen, HSV-Idol Uwe Seeler macht sich regelmäßig große Sorgen um seinen Verein. Wie sehr leiden Sie im Moment mit dem Klub?
Marcell Jansen: "Das geht nicht spurlos an mir vorbei. Ich habe sieben Jahre für den HSV gespielt, lebe selbst noch in Hamburg. Ich bin ganz nah am Verein dran und kenne noch viele Jungs dort. Ich habe gehofft, dass endlich ein neuer Schwung reinkommt. Und das ist eben nicht passiert."
Bedeutet das, dass der Bundesliga-Dino vom Aussterben bedroht ist?
"Nein. Der HSV hat einen kompletten Kurswechsel vollzogen. Unter der Führung von Peter Knäbel hieß es noch: Wir müssen sparen, können nur kleinere Transfers tätigen. Mit Investor Klaus-Michael Kühne wurde jetzt viel eingekauft. Irgendwann muss man sich eben für eine Richtung entscheiden. Und das geht eben nicht einfach mal so: Einfach ein paar Spieler zu kaufen in der Hoffnung, dass dann schnelle Siege eintrudeln. Mit Geld hat Erfolg eben nur bedingt etwas zu tun. Sondern vielmehr mit Konzept und Vision."
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Warum ist der HSV seit Jahren ein Chaosverein, in dem keine Ruhe einkehrt?
"Das ist gar nicht so unkompliziert. Wer sind denn die Gesichter des HSV? Wer ist verantwortlich? Wenn man sich fragt: Wer ist in Dortmund oder in Mainz verantwortlich, dann fallen einem gleich drei, vier Namen ein. Es geht nicht einmal nur um Erfolg. Wer ist denn in den letzten Jahren verantwortlich für den HSV?"
Gute Frage.
"Ja, und das ist die Antwort. Und das geht eben nicht von heute auf morgen. Da muss man Geduld haben."
Sollte HSV-Trainer Bruno Labbadia gehalten werden?
"Der Erfolg des HSV hängt von Trainern und Spielern ab. Unter Labbadia gab es 2009 den letzten Erfolg des HSV gegen die Bayern (1:0). Danach folgten hohe Pleiten."
Wie können die Hamburger am Samstag gegen Bayern bestehen?
"Im Heimspiel gegen Bayern ist man kompletter Außenseiter. Diese Partie kommt genau zur rechten Zeit – wenn die Mannschaft noch intakt ist."
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Wie will der HSV den Angriff der Bayern stoppen?
"Du musst das Quäntchen Glück haben, dass die Bayern ihre Chancen nicht machen, und du selbst deine wenigen Chancen nutzt. Du kannst Bayern nicht komplett ausschalten. Dafür ist die Qualität zu hoch."
Sie haben für beide Vereine gespielt. Ist der HSV familiärer als der FC Bayern?
"Es ist ganz wichtig, eine gute Mischung zu haben aus einem guten Kalkül, einem gesunden Business-Verstand, aber auch aus Visionen und Werten. Diese Werte haben den Verein ja dazu gebracht, Tradition zu erlangen. Davon entfernen wir uns gerade extrem. Wir brauchen Menschen im Verein, die das Familiäre schaffen. Es gab zu viele Scheidungen beim HSV in den vergangenen Jahren. Alleine der Verschleiß an Trainern... Das, was familiär ist beim HSV, ist die Fangemeinde, die Stadt und dieser unglaublich geile Verein als solcher. Und alles andere gilt es wieder mühsam aufzubauen."
Bleiben wir bei familiär: Uli Hoeneß wird als Präsident zurück zur Bayern-Familie stoßen.
"Absolut wichtig und richtig! Mit Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, Karl Hopfner und vielen andere haben die Bayern es über Jahrzehnte zusammen geschafft, herauszufinden, wer in welchen Bereichen gut ist. Deshalb sind sie so erfolgreich. Sie halten die Bayern dort, wo sie sind, und machen sie immer noch ein kleines Stückchen besser. Und Uli Hoeneß war in diesem Gefüge ein absoluter Fixpunkt. Bayern hat einfach verstanden, wie man den Klub am Leben hält: unternehmerisch, zahlenmäßig, aber auch familiär zu bleiben und das "Mia san Mia" beizubehalten."
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Passt Ihrer Meinung denn der neue Trainer Carlo Ancelotti perfekt zu den Bayern? Besser als Vorgänger Pep Guardiola?
"Weiß ich nicht. Ich als Spieler arbeite lieber mit einem Carlo Ancelotti zusammen. Mit einem Jupp Heynckes beziehungsweise Ottmar Hitzfeld, unter denen ich ja gespielt habe. Pep Guardiola ist inhaltlich und fachlich ein Top-Trainer. Aber bei ihm ist es mir zu sehr kurzweilige Projektentwicklung – und weiter geht’s. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass Guardiola das offen und fair kommuniziert. Er bleibt zwei, drei Jahre, will Erfolg – den hat er auch meistens – und dann zieht er weiter. Das ist nicht meine Mentalität, da bin ich vielleicht zu sehr Romantiker."
Wer kann Bayern in der Liga überhaupt stoppen?
"Dortmund. Das zeigen sie auch eindrucksvoll. Vom Potenzial, vom Hunger ist der BVB der größte Konkurrent."
Ihr Tipp für das Spiel?
"Mein Wunsch wäre ein 3:0 für den HSV. Das halte ich aber für unwahrscheinlich. Mein Tipp ist ein 1:1. Optimistisch.