Sebastian Rudy im AZ-Interview: "Jupp Heynckes führt uns wie ein Vater"

AZ: Herr Rudy, lassen Sie uns zunächst über Ihre zweite Leidenschaft neben dem Fußball sprechen: das Tanzen. Wie kamen Sie zu diesem Hobby, das für mitteleuropäische Fußballer ja eher unüblich ist?
SEBASTIAN RUDY: Es begann damals vor der Hochzeit. Meine Frau und ich haben ganz klassisch einen Tanzkurs gemacht und ein paar Tänze ausprobiert: Wiener Walzer, Cha Cha Cha, Discofox, Jive, Rumba – da gab’s wirklich einiges. Meiner Frau hat es so gut gefallen, dass wir das weitergeführt haben.
Und jetzt tanzen Sie zwischen den Spielen in der Champions League und Bundesliga regelmäßig durch München?
Also, wir sind jetzt immerhin schon drei Jahre dabei. Zuletzt war viel los, wir mussten das Haus einrichten und uns in der neuen Stadt eingewöhnen. Aber meine Frau und ich werden bald weitermachen, wir suchen uns hier in München eine Tanzschule.
Reicht Ihr tänzerisches Talent denn aus, um die Südamerikaner im Team auf der Weihnachtsfeier zu verblüffen?
Ich glaube, es sieht ganz gut aus, wenn ich tanze. Das Rhythmusgefühl ist vorhanden – hoffe ich (lacht). Aber auf der Weihnachtsfeier lasse ich dann doch lieber den Südamerikanern den Vortritt.
Zum Fußball: Beim 3:1 gegen Paris Saint-Germain standen Sie in der Startelf, lieferten sich einige rassige Zweikämpfe mit Neymar. Man sah Ihrer Mannschaft an, dass es um Revanche ging nach dem 0:3 im Hinspiel.
Das stimmt, wir wollten das Hinspiel geraderücken. Das war wirklich eine derbe Pleite. Die Partie am Dienstag war sehr intensiv, wir haben taktisch gut gespielt, defensiv gut gestanden – und verdient gewonnen.
Zählt Bayern jetzt automatisch wieder zu den Topfavoriten nach diesem Sieg?
Es war auf jeden Fall ein sehr gutes Spiel von uns. Nach dem 0:3 hatte es doch viele kritische Stimmen gegeben. Ich bin mir sicher, dass wir unsere Ziele in dieser Saison erreichen können.
Auch den Champions-League-Sieg?
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir weiter hart an uns arbeiten und uns noch enorm steigern.
Haben Sie einen Wunschgegner fürs Achtelfinale?
Wenn man ganz nach oben will, muss man sowieso die Besten schlagen. Wir werden das mit Spannung verfolgen. Natürlich hofft man, dass man den ganz großen Favoriten erst mal aus dem Weg gehen kann.
Sie haben Carlo Ancelotti erlebt, nun spielen Sie seit zwei Monaten unter Jupp Heynckes. Wie hat er es geschafft, das Niveau der Mannschaft so schnell so deutlich zu heben?
Wir sind als Team enger zusammengerückt. Gegen Paris etwa haben alle elf Spieler verteidigt, auch die Stürmer. Franck Ribéry hat sogar mit im eigenen Strafraum geklärt. Genau so muss es laufen, jeder muss sich für das Kollektiv einbringen. Und genau das macht uns gerade so erfolgreich.
Wie schafft es Heynckes, einen solchen Teamgeist zu erzeugen?
Er hält jeden Spieler bei Laune, er weiß, was jeder einzelne Spieler kann und in welchem Bereich er sich verbessern muss. Seine Kommunikation ist exzellent, er formuliert seine Anforderungen in den Besprechungen genau und stellt uns sehr gut auf die Spiele ein.
Wie kann man Heynckes’ Standing im Team beschreiben: Respektsperson? Vaterfigur?
Es hilft ihm und der Mannschaft, dass er verschiedene Sprachen spricht. Er weiß einfach, wie er mit uns umzugehen hat. Der Trainer führt uns sehr gut, wie ein Vater, das kann man schon so sagen.
Gutes Stichwort, auch bei Ihnen ist es ja bald so weit: die Geburt des ersten Kindes.
Genau. Im April haben wir den Geburtstermin.
Mädchen oder Junge?
Wir lassen uns überraschen, meine Frau und ich wollen es vorher nicht wissen.
Es wird trotz der WM das wichtigste Ereignis im kommenden Jahr für Familie Rudy.
Definitiv.
Gehen Sie davon aus, dass Joachim Löw Sie für das Turnier in Russland nominiert?
Ich habe meine Leistungen zuletzt konstant abgerufen und gezeigt, dass der Bundestrainer auf mich zählen kann. Die WM-Teilnahme ist mein Ziel. Darauf gilt es jetzt hinzuarbeiten im Verein. Ich bin guten Mutes.
Ist Deutschland der Topfavorit auf den WM-Titel?
Wir wollen Weltmeister werden, den Titel verteidigen. Die Qualifikation war sehr gut, der Confed Cup auch. Mit uns muss man rechnen.
Sie haben in der Jugend mal Rastalocken getragen. Wäre das nicht eine passende Wette für den WM-Triumph?
Für solche Wetten bin ich immer offen, das sehe ich ganz locker. Damals hatte ich einfach mal Lust, etwas Verrücktes auszuprobieren. Zum Glück gibt es keine Bilder aus dieser Zeit.
Sandro Wagner könnte bei der WM mit Ihnen in einem Team spielen – und vielleicht auch bald bei Bayern. Sie kennen ihn aus Hoffenheim, wäre er ein guter Transfer im Winter?
Sandro ist ein Typ, der einer Mannschaft guttut, vom Charakter her, wie er sich einbringt auf dem Platz. Er versteckt sich nicht, er gibt immer Vollgas.
Würde Julian Nagelsmann auch so gut zu Bayern passen?
Wie bei Sandro Wagner gilt auch hier: Das haben natürlich andere zu entscheiden. Ich kann nur sagen, dass er ein toller Trainer ist mit sehr guten Fähigkeiten.
Was macht Nagelsmann denn so besonders?
Er hat mich einen großen Schritt nach vorne gebracht, allein durch seine hohe Anforderungen, die er an mich gestellt hat. Ich bin ihm sehr dankbar.
Sie haben verraten, dass Sie gläubig sind. Wie oft gehen Sie denn in die Kirche?
Mein Frau Elena geht jede Woche, ich gehe immer dann mit, wenn es die Zeit zulässt. Weihnachten werden wir auf alle Fälle gemeinsam gehen.
Apropos Weihnachten: Kurz vor Heiligabend steht das Pokalspiel gegen Dortmund an.
Das wird ganz wichtig für uns und die Fans, dass wir da einen guten Abschluss finden. Ein Weiterkommen gegen Dortmund – das wäre das perfekte Weihnachtsgeschenk.