Schweizer Magazin: So liefen die Hoeneß-Deals wirklich

Ein Schweizer Wirtschaftsmagazin meldet neue Zweifel an Hoeneß'  Aussagen an - offensichtlich gestützt durch Behauptungen aus Zürich
Georg Thanscheidt |
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Zürich - Ulrich Hoeneß wird in München zu dreieinhalb Jahren Gefängnis wegen Steuerhinterziehung verurteilt – und die Schweiz steht als Depp der Finanzwelt da, weil ihre Banken angeblich weder in der Lage sind, Kontoauszüge zu erstellen noch Kundengeschäfte ordnungsgemäß abzuwickeln.

Das scheint die Zürcher Bank-Manager zu nerven: Zum wiederholten Male lancieren mutmaßliche Vontobel-Manager Details aus den Geschäftsbeziehungen mit Ulrich H., die Zweifel an den Äußerungen des Ex-Bayern-Präsidenten oder seiner Anwälte wecken: Nach dem Artikel im Schweizer „Tages-Anzeiger“ und weiteren Indiskretionen des Schweizer Informanten im „Stern“ legt nun das Schweizer Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ – übrigens seit 2007 im Besitz des „Bild“-Mutterkonzerns Axel Springer AG – nach.

Erster Stein des Anstoßes: Ulrich Hoeneß hatte im Verfahren keine genauen Angaben gemacht, wie die Devisengeschäfte mit denen er 28 Millionen Euro Steuern hinterzogen hat, denn eigentlich im Detail abgewickelt worden sind. Es habe keine Abmachungen über eine Anlagestrategie gegeben, die Transaktionen seien aber auch nicht im einzelnen bewilligt worden, so die etwas schwammige Verteidigungsstrategie.

Das habe alles „der Jürg“ entschieden – der Chefdevisen-Händler bei Vontobel Jürg Hügli, mit dem Hoeneß nach eigenen Angaben befreundet war.

Dass dies die Bank alleine entschieden haben soll, wollte Richter Rupert Heindl nicht recht einleuchten: „Sie können mit ihrem Geld machen, was Sie wollen – aber ich kann das nicht nachvollziehen“, polterte er schon am ersten Prozesstag.

Zweiter Stein des Anstoßes: die Konto-Unterlagen. Mehrmals wies Hoeneß-Anwalt Hanns W. Feigen im Prozess daraufhin, wie schwierig es sei, aus der Schweiz Kontounterlagen zu bekommen.

Er erweckte den Anschein, die Eidgenossen hätten es mit ihren Dokumentationen zwischen 2003 und 2009 nicht ganz ernst genommen. Hoeneß musste sich des Verdachtes erwehren, er habe die 70.000 Seiten Konto-Unterlagen länger als ein Jahr vorliegen gehabt – erst dann habe er den Ermittlern die Daten auf einem Stick übergeben.

Vor Gericht wurde die Möglichkeit erläutert, dass diese pdf-Dateien zwar ursprünglich schon am 18. Januar 2013 erstellt worden waren, aber auch bis zum Schluss ergänzt hätten werden können. Fakt ist, dass die Daten – wie ein IT-Experte vor Gericht erläuterte – in einem äußerst unübersichtlichen Zustand angeliefert wurden.

Scans von Dokumenten, mal quer, mal hoch, die erst einmal sortiert werden mussten. Die Nachweise von 52.000 Transaktionen.

Diese beiden Steine ziehen Kreise in Zürich. Mit Informationen aus der Bankenwelt hält nun das Magazin „Bilanz“ dagegen: „So liefen die Hoeneß-Deals wirklich“, kündigt das Blatt auf der Titelseite an.

In der Geschichte schreiben die Autoren: „Hoeneß blieb beim Prinzip execution only, das für jede Order einen persönlichen Kundenauftrag verlangt. Anders als vor Gericht behauptet, musste er also am Telefon jede Transaktion durchgeben.“

Hoeneß telefonierte „nahezu täglich“ mit Direktor Hügli. Zudem ließ Vontobel nach anderen Berichten vom Finanzplatz Zürich einen Zugang zu einem Konto bei einer anderen Bank, wo er mit einem Telefoncode Deals in „zwei- oder gar dreistelliger Millionenhöhe“ einfädeln konnte.

Die Deals bei Vontobel liefen laut „Bilanz“ „nicht online ab, sondern die Händler mussten sie am Telefon persönlich mit ihren Gegenparteien auslösen. An einem Tag habe Hoeneß beispielsweise „sieben Deals im Gesamtvolumen von 450 Millionen Franken plus 190 Millionen Euro offen" gehabt. Transaktionen, die im Kreditausschuss der Bank beobachtet und bewilligt werden müssen.

Als Hoeneß‘ Steuerberater zum ersten Mal „den Betrag von 155 Millionen Franken auf einem Kontoausweis sah, habe er gedacht, es handele sich um gehebeltes Transaktionsvermögen. Nein es war echtes Vermögen. Vermutlich waren die Depots noch voller, weil er zeitweise auf Sicherheiten von 200 Millionen Euro zurückgreifen konnte“. Woher das Geld gekommen sei, bleibe weiterhin unklar.

Vontobel – das beschreibt der Bericht – konnte problemlos alle Kontobewegungen dokumentieren und Ulrich Hoeneß am 18. Januar zur Verfügung stellen: „Ein Mitarbeiter musste die elektronisch archivierten Dokumente in eine Datei packen. Das war keine große Sache, die Bank arbeitet seit Jahren mit dem IT-System Avaloq, das solche Dokumentenrecherchen innert Stunden oder Tagen erlaubt. Andere Darstellungen der Hoeneß-Verteidiger hielt selbst Richter Rupert Heindl für unglaubwürdig.“

Der Fall Hoeneß: Das AZ-Dossier finden Sie hier

 

Das Erstellen dieser Datei dauerte am 18. Januar 2013 – einen Tag nach der Abgabe der Selbstanzeige - von 8.32 Uhr bis 17.16 Uhr. Am 27. Februar 2014 wurde ein USB-Stick mit allen Daten den Ermittlern übergeben. Die waren für die Finanzbehörden unlesbar – erst am 5. März, fünf Tage vor dem Prozess, konnte die Steuerfahnderin beginnen, die Daten zu sichern.

Rätselhaft sind und bleiben – für die Justiz und für die Journalisten – die Geschäfte, die Ulrich Hoeneß bei einer Münchner Privatbank betrieb. Nach Aussagen im Prozess ähneln diese im Wesen wie im Umfang den Devisengeschäften in der Schweiz.

Nach Recherchen des „Stern“ und der „Süddeutschen Zeitung“ lief auf diesem Konto bis Ende 2008 ein „so genannter Verlustvortrag aus Veräußerungsgeschäften in Höhe von 118,9 Millionen Euro auf. Ein solcher Verlust sei erklärungsbedürftig - „woher kommt das Geld?“, fragte der Stern.

Die Hoeneß-Anwälte teilten dazu mit: „Unser Mandant sieht keinen Anlass, ihre Fragen zu beantworten.“ Also wird weiter gerätselt über den Zusammenhang zwischen Münchner und Zürcher Konto – zum Beispiel von „Bilanz“.

Das Magazin schreibt: „Die Praxis solcher Doppelspiele ist aber unter altgedienten Offshore-Bankern bekannt. Backup-Deals nannten sie das“, schreibt das Wirtschafts-Blatt. Und weiter: „Die Offshore-Bank setzt für ihren Kunden auf einen Kursgewinn, die Onshore-Privatbank am Heimatort des Kunden auf einen Kursverlust. Gewinne bei der Offshore-Bank können steuerneutral offshore bleiben. Onshore anfallende Verluste bringen dem Kunden ebenfalls einen Vorteil, weil er die Verluste steuerlich geltend machen kann. Eine Win-Win-Situation.“

Bemerkenswert ist übrigens die Sicht der Schweizer Journalisten auf eine Schweizer Besonderheit, die nicht ganz irrelevant für die Zockerei des damaligen Bayern-Managers war: das Bankgeheimnis. „Zauber-Trader-Uli war kein großes Geheimnis. Das war ja ein offenes Geheimnis, dass der Uli bei der Vontobel wie ein Verrückter zockt. Wurde zumindest vom Händler stolz nach außen getragen“, schreibt „Bilanz“.

Trotz aller Spekulationen: Am rechtskräftigen Urteil gegen Hoeneß ändert das nichts. Staatsanwalt und Verteidigung haben auf Rechtsmittel verzichtet. Den Verlustvortrag hat Richter Heindl sogar nicht mehr in seine Urteilsfindung miteinfließen lassen. Juristisch ist der Fall Hoeneß abgeschlossen. Gesprächsstoff bietet er weiterhin.

 

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