Schneller als Davies, aber auch passend für den FC Bayern? Wie ein Walker-Wechsel Sinn ergibt
München - Es lief die 81. Minute des EM-Achtelfinalspiels zwischen England und Deutschland in Wembley. Raheem Sterling spielte einen hanebüchenen Rückpass, den Kai Havertz aufnahm und für Thomas Müller durchsteckte. Der Urbayer lief frei aufs Tor zu, zielte – und setzte den Ball neben das Tor.
Dass Bayern-Wunschstürmer Harry Kane mit dem 2:0 später alles klarmachte, fiel in der Nachbetrachtung fast unter den Tisch. Alles fokussierte sich auf diese Szene, die das DFB-Team zurück ins Spiel hätte holen können.
Die Szene hatte jedoch einen heimlichen Helden: Kyle Walker. Englands Rechtsaußen war bei Havertz, als er den Pass auf Müller spielte und zwang den Münchner, während Keeper Jordan Pickford den Winkel verkürzte, mit seiner Geschwindigkeit zu einem überhasteten Abschluss. Hätte Müller nur eine Sekunde länger gewartet, Walker hätte den Abschluss wohl sogar noch geblockt.
Walker? Runner! Selbst Alphonso Davies könnte beim FC Bayern nur schwer mithalten
Nicht zuletzt deswegen gilt der 33-Jährige als Wunschspieler von Thomas Tuchel. Laut "Sky"-Informationen sollen sich der FC Bayern und Manchester City in Tokio zusammensetzen, um den Wechsel zu finalisieren. Die Zusage des Spielers hat der deutsche Rekordmeister bereits.
Walkers größtes Plus ist seine Geschwindigkeit. Datendienstleister Opta blitzte Manchester Citys Defensivallrounder vergangene Saison mit 37,31 km/h – Topwert aller Premier-League-Spieler.
Beim FC Bayern würde er damit – selbst im fortgeschrittenen Fußballalter – noch Alphonso Davies abhängen, dessen Topspeed in der vergangenen Bundesligasaison bei 36,53 km/h lag. Zum Vergleich: Die Höchstgeschwindigkeit von Rechtsverteidiger-Konkurrent Noussair Mazraoui liegt bei 33,72 km/h. Für die Konterabsicherung auf beiden Seiten wäre damit gesorgt.
Noussair Mazraoui sticht Kyle Walker vor allem in spielerischen Komponenten aus
Der größte Unterschied zwischen Mazraoui und Walker liegt jedoch bei ihrem Output in Ballbesitz. Mazraoui überbietet Walker in nahezu allen offensiven Kategorien. Der Marokkaner erzielte mehr Tore (1:0), gab mehr Assists (4:1), schoss pro Spiel öfter aufs Tor (0,8:0,2), gab mehr Schussvorlagen pro 90 Minuten (1,3:0,3), flankte häufiger pro Spiel (1,8:1,3) sowie erfolgreicher (19:15 Prozent).
Wie wichtig gerade diese Fähigkeiten für Bayerns Spiel sind, konnte man sehen, als Mazraoui Anfang des Jahres mit einer Herzbeutelentzündung ausfiel. Der damalige Trainer Julian Nagelsmann probierte sowohl Benjamin Pavard als auch Josip Stanisic als Rechtsverteidiger aus. Den offensiven Punch und die spielerische Sicherheit vermochte jedoch keiner der beiden dem Bayern-Spiel zu geben. Dadurch hing Leroy Sané auf der rechten Seite größtenteils in der Luft.
Wie Mazraouis Fehlen beim FC Bayern das Titelrennen neu entfachte
Auch Joshua Kimmich und Leon Goretzka mussten im Mittelfeld mehr Defensivarbeit verrichten und konnten weniger inszenieren oder im Strafraum für Gefahr sorgen. Zudem ging es für die deutschen und französischen Nationalspieler darum, erst noch ihre Rückschläge von der WM im Winter mental wegzustecken.
Das Ergebnis: Drei 1:1-Remis in der Bundesliga zum Jahreseinstand in Leipzig, gegen den 1. FC Köln sowie Eintracht Frankfurt. Gerade diese Phase sorgte dafür, dass sich das spannende Titelrennen nochmal auftat.

Das Blatt wendete sich erst mit der Leihe von João Cancelo, einem Spieler mit ähnlichen Attributen wie Mazraoui. Gleich bei seinem ersten Einsatz, dem Pokalspiel in Mainz (4:0), brannte der Portugiese ein Feuerwerk ab, legte Eric Maxim Choupo-Moting den Führungstreffer mit einer perfekten Flanke vor und beschwor, entweder durch maßgenaue Zuspiele oder eigene Abschlüsse immer wieder gefährliche Situationen herauf.
Kyle Walker könnte Alphonso Davies beim FC Bayern einen lange gehegten Wunsch erfüllen
Eine Verpflichtung von Walker würde beispielsweise Sinn ergeben, sollte Tuchel für mehr taktische Flexibilität sorgen wollen. Davies könnte sich dann noch stärker auf die Offensive konzentrieren, um in einem Dreierkettenhybrid mit Matthijs de Ligt, Neuzugang Kim Min-jae, beziehungsweise Dayot Upamecano und eben Walker abzusichern.
"Ich hoffe weiter auf meine Chance, vorne zu spielen. Ich warte darauf: 'Phonzy, komm, linker Flügel!' Ich würde Luftsprünge machen", erzählte der Kanadier im "Say Less"-Podcast Mitte Juni. Durch eine Walker-Verpflichtung könnte sich also Davies' Wunsch durchaus erfüllen.
Der Walker-Wechsel würde auch garantieren, dass de Ligt nicht mehr den ungeliebten rechten Part der Dreierkette einnehmen muss. "Vielleicht ist jemand wie Timber besser für die Rolle geeignet, die van Gaal verlangt. Ich bin kein Rechtsverteidiger, musste heute aber als Rechtsverteidiger spielen. Das war anders für mich, besonders, weil ich bei Bayern eher auf der linken Seite spiele. Besonders gegen einen Flügelspieler ist es schwer", schilderte der Niederländer nach dem 2:0 über den Senegal am ersten WM-Gruppenspieltag gegenüber "Voetbal International".
Sollte der FC Bayern Walker für den abwanderungswilligen Benjamin Pavard verpflichten, würden die Münchener an Geschwindigkeit und Flexibilität gewinnen, ohne dabei spielerische Qualität einzubüßen.