Schaler Beigeschmack: Getrübte Meisterfreude beim FC Bayern
München - In diesen unsteten Zeiten von Dichtmachern und Denkern ist ein Flachs mit einer Prise Ironie ein guter Begleiter, wenn er denn wohldosiert eingesetzt wird.
So schaute Bayerns Cheftrainer Hansi Flick während der Videopressekonferenz zu Pressesprecher Dieter Nickles herüber und meinte süffisant zur Nachfrage, ob - und falls ja - wie die Mannschaft den Gewinn der Meisterschaft am Samstag feiern könnte: "Haben wir das P1 gebucht, Dieter?" Die In-Diskothek, in der früher Bayerns legendäre Titelpartys mit Feierbiestern wie Basler, Elber und Co. stattfanden, kann keine Anlaufstelle sein. Man bleibt unter sich in Corona-Zeiten.
Champagnerparty im Mannschaftsbus?
"Wir hoffen, dass wir vor 22 Uhr zu Hause sind. Es ist Spontanität gefragt und die haben die Spieler", ergänzte Flick: "Ein Spieler hat gesagt, es wäre gut, wenn wir mit dem Bus zurückfahren würden." Von der Arena in Mainz sind es bis zur Säbener Straße in München etwas mehr als 430 Kilometer. Genug Zeit für eine Champagnerparty in der Mannschaftsbusse-Blase und Nachtanken an Autobahnraststätten.

Was vorher noch zu tun ist? Ach ja, das Spiel beim FSV Mainz (15.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) gewinnen. Nur bei einem Sieg wäre bereits am Samstag der 31. Meistertitel der Vereinsgeschichte eingetütet und damit die Operation "alle Neune" vollendet.
Der letzte Meister vor den Bayern? 2012, Dortmund unter Jürgen Klopp. Für Flick ist es die zweite Schale in seinem zweiten - und letzten - Jahr bei Bayern, der siebte Titel seit er im November 2019 den entlassenen Niko Kovac als Cheftrainer beerbt hatte. Zum Saisonende trennen sich die Wege des Rekordmeisters und des Rekordtrainers, der nach der EM wohl Nachfolger von Bundestrainer Joachim Löw wird.
Zum Ende schlägt Flick versöhnliche Töne an
Nach dem 3:2 in Wolfsburg vergangenen Samstag überrumpelte Flick die Vereinsbosse, indem er seine interne Bitte um Auflösung seines bis 2023 dotierten Vertrages in einem TV-Interview öffentlich machte.
Nach Differenzen um Personal und Transfers war der Machtkampf mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic eskaliert. Die brüskierten Bosse maßregelten Flick für das Vorpreschen.
Am Freitag zog Flick eine Art Vorab-Bilanz seiner - für viele zu kurzen - Ära in München: "Es können wenige in der Historie von Bayern sagen, dass sie sieben Titel in zwei Jahren geholt haben. Da hat Brazzo auch einen ganz enormen Anteil daran."
Versöhnliche Töne. Doch wie groß ist der Anteil des Trainers, der das in der Vereinshistorie einmalige Sextuple gewann? "Jeder Titel ist ein Gemeinschaftsprodukt, zu dem alle ihren Teil beitragen", sagt Rekordnationalspieler Lothar Matthäus: "Hansi hat einen super Job gemacht, er ist ein leidenschaftlicher, akribischer Arbeiter und Tüftler. Er hat Spieler wie Müller und Boateng wieder stark gemacht. Die Menschenführung und das Menschliche war schon immer seine Stärke."
Matthäus: "Die Sache in Wolfsburg war keine ganz kluge Lösung"
Doch Flicks einstiger Mitspieler Matthäus, zugleich Patenonkel der älteren Flick-Tochter, sieht nicht alles rosarot. "Zuletzt hätte auch Hansi die Dinge anders klären können. Er steht eigentlich für Harmonie. Man kann mal beleidigt sein, muss dann aber aufeinander zugehen und miteinander sprechen", sagte der Ex-Bayern-Kapitän der AZ.
"Auch die Sache in Wolfsburg war keine ganz kluge Lösung. Er hätte die Bosse kurz vorher informieren sollen, dass er es jetzt öffentlich macht. So springt er dem Verein in den Rücken, das geht nicht. Aber das Fass war voll bei ihm, es musste so schnell wie möglich raus. Da hatte sich was aufgestaut." Die ehrliche Kritik eines Freundes. Flick und die Meisterschaft – ein schaler Beigeschmack bleibt.

Kurz vor Ende eines Zoff- und Trophäenjahres meinte Flick: "Ich bin froh, wenn die Saison vorbei ist und wir alle ein bisschen durchschnaufen können." Und über die Zukunft sprechen. Schon nächste Woche, da die Bayern aufgrund der Pokalhalbfinals (schon ausgeschieden) am nächsten Wochenende eine 14-tägige Spielpause haben werden? Wie angekündigt, will Flick erst mit den Bayern-Bossen wegen der Vertragsauflösung reden.
Danach mit dem DFB?