Rückschritt oder Fortschritt: Wo steht der FC Bayern nach dem Remis in Leipzig?
München – Erst 1:3, dann 0:3 und nun immerhin ein 2:2 in einem spektakulären Topspiel. Geht doch! Wenigstens nicht schon wieder verloren gegen Titel-Konkurrent RB Leipzig könnte man ketzerisch sagen aus Perspektive des FC Bayern. Doch der Anspruch des Abo-Meisters ist natürlich ein ganz anderer. Drei Mal gelang es Trainer Thomas Tuchel mit seiner Mannschaft nicht, die Leipziger von Chefcoach Marco Rose zu bezwingen. Für den Moment und die frühe Phase der Saison okay, aber perspektivisch bedenklich.
Bayerns Remis in Leipzig als Rückschritt: Noch immer keine Stabilität in Spitzenspielen
Selbst auf der Homepage der Bayern wurde mit der Lupe gesucht nach dem positiven Trend des Augenblicks, gebündelt unter der Überschrift "Punktgewinn in Leipzig: Wichtiger Energieschub vor der Champions-League-Reise nach Kopenhagen". Sehr defensiv formuliert. Was war dieses 2:2 in Leipzig, mit dem die Münchner von der Tabellenspitze auf Rang drei abrutschten, denn nun: Ein Fortschritt aufgrund Aufbäumens und Ergebnis-Comebacks nach dem 0:2-Rückstand oder doch eher ein Rückschritt?

Der Rückschritt: Die Bayern bleiben verwundbar, wirken weiterhin nicht stabil. Das Spiel wirkt in Gänze zu wild, zu unkontrolliert, was Ballkontrolle-Freak Tuchel auf der Bank wahnsinnig macht. Die Ergebnisse in den Topspielen dieser Saison spiegeln den unruhigen Spielaufbau und die Patzer wider: 0:3 im Supercup gegen Leipzig, 2:2 gegen Leverkusen, 4:3 in der Champions League gegen Manchester United und nun das 2:2 in Leipzig. Abgesehen von der Saisonouvertüre gegen den Pokalsieger alles Spiele, die Bayern hätte gewinnen oder aber auch verlieren können. Er habe "zwei sehr unterschiedliche Halbzeiten gesehen", erklärte Tuchel. Vor der Pause sei man "zu langsam, zu fehlerhaft" im Spielaufbau gewesen – und überhaupt, so der 50-Jährige: "Wir waren nicht mutig genug." Sowie unterlegen gegen das teils famose Umschaltspiel der Bullen, die dank Lois Openda und Castello Lukeba (nach Patzer von Bayern-Torhüter Sven Ulreich) mit 2:0 führten. "Wir laden sie ein und geben ihnen Futter, um ins Spiel zu kommen", ärgerte sich Kapitän Joshua Kimmich.
Bayerns Remis in Leipzig als Fortschritt: "Geben das Spiel nicht her, wollen es nicht wahrhaben"
Nur wenn sie die individuelle Energie und eine mannschaftliche Geschlossenheit auf den Platz bringen, sind sie unwiderstehlich. Denn allein mit ihrer spielerischen Brillanz können es Jamal Musiala und der torhungrige Leroy Sané, aktuell in der Form seines Lebens, nicht richten.
Der Fortschritt: Die Lernkurve der Bayern geht nach oben, das freut nicht nur Fußball-Lehrer Tuchel. "Wichtig war, dass wir eine Reaktion gezeigt haben", meinte Kimmich und betonte, in der zweiten Halbzeit gezeigt zu haben, "dass wir in der Lage sind, auch Leipzig zu dominieren". Dank Harry Kanes Handelfmeter und dem Ausgleich von Sané retteten die Bayern noch den einen Punkt, das Minimum.

Ein Aufbäumen, kein Ergeben, was den Chefcoach am Ende der vergangenen Spielzeit und im Supercup noch so ratlos gemacht hatte. Seine Mannschaft habe sich "nicht geschlagen gegeben, nicht akzeptiert, zu verlieren", betonte Tuchel, "und das ist im Moment, glaube ich, der große Unterschied zur letzten Saison. Dass uns diese Spiele nicht komplett entgleiten. Wir geben das Spiel nicht her, wollen es nicht wahrhaben und tun alles dafür, dass es nicht so bleibt – das ist sehr gut." Sein Team habe „eine Reaktion, Biss, Stolz und Charakter gezeigt". Nächster Beweistermin am Dienstag (21 Uhr, Amazon Prime und im AZ-Liveticker) beim FC Kopenhagen auf schlechtem Geläuf. Der Rasen wurde zuletzt durch ein Konzert arg ramponiert.
Tuchels Forderung an seine Mannschaft in Sachen Titelkampf: "Wir wollen am Ende vorne sein und dafür die ganze Zeit vorne mit dabei sein und Konstanz und Biss zeigen, dass wir das können." Auch sehr defensiv formuliert für den Trainer eines Vereins, der elf Mal hintereinander Meister wurde.