Renato Sanches: Das Rasta-Rätsel
München - Der gute José Mourinho kann diese verpasste Chance einfach nicht vergessen.
Kürzlich klagte der Trainer von Manchester United im portugiesischen Fernsehen schon wieder über den verhinderten Transfercoup seines neuen Klubs. „Ich kam zu spät hierher. Ich habe im Mai unterschrieben, eine Woche zuvor haben die Verhandlungen begonnen. Wenn ich früher gekommen wäre, hätte ich um ihn gekämpft“, sagte Mourinho. Wen er meinte? Na klar: Renato Sanches.
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Doch der 19-jährige Portugiese entschied sich für den FC Bayern, der 35 Millionen Euro an Benfica Lissabon zahlte. „Ich hatte von Anfang ein gutes Gefühl, als ich vom Interesse der Bayern gehört habe“, erklärte Sanches vor der Partie in der Champions League bei Atlético Madrid: „Sie haben sich wirklich sehr um mich bemüht, und ich habe sofort das Vertrauen der Verantwortlichen in meine Qualitäten als Spieler gespürt. Das war der ausschlaggebende Faktor für den Wechsel hierher.“
Sanches hinkt den Erwartungen hinterher
Durch Boni könnte der Deal Bayern bis zu 80 Millionen Euro kosten – etwa dann, wenn Sanches Weltfußballer wird. Solche Klauseln lassen sich nur besonders selbstbewusste Spieler in ihre Verträge schreiben. Bislang allerdings konnte Sanches die hohen Erwartungen nicht erfüllen.
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Zu nervös, zu fahrig, zu ungenau spielte Sanches bislang für die Bayern. Der Rasta-Mann ist derzeit ein Rasta-Rätsel. „Es ist anders als in Portugal“, gab Sanches jüngst vor dem Spiel gegen Hertha BSC zu, „aber ich versuche, mich so gut und so schnell wie möglich zu integrieren.“
Schüler auf dem Abi-Ball
In seinen ersten Wochen in München fällt ihm das sehr schwer. Schon sein Debüt gegen Schalke am zweiten Bundesliga-Spieltag ging daneben, man merkte dem Portugiesen deutlich an, dass er seit dem Triumph bei der Europameisterschaft in Frankreich kein Spiel mehr bestritten hatte. Teilweise wirkte er orientierungslos und aufgeregt wie ein Schüler auf dem Abi-Ball, der noch nie zuvor mit einem Mädchen getanzt hat. In den folgenden Partien, in denen Sanches nur 36 Prozent seiner Zweikämpfe gewann, wurde es nicht viel besser.
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Und das kam dann doch überraschend, war Sanches zuvor bei der EM noch ganz anders aufgetreten. Dynamisch, spielfreudig, frech und vor allem mutig spielte er und avancierte so zu einem der wichtigsten portugiesischen Spieler. „Renato ist physisch unglaublich stark. Er kann hier viel reißen“, meinte Bayern-Kapitän und Weltmeister Philipp Lahm nach einigen gemeinsamen Trainingseinheiten mit dem Neuzugang.
Kimmich hat Sanches überholt
Bayern-Routinier Xabi Alonso schwärmte: „Unglaublich, dass er erst 19 ist. Für mich ist er schon ein fertiger Spieler.“ Bis jetzt gelingt es Sanches aber nicht, die Trainingsleistungen auf dem Platz zu bestätigen. Aktuell liegt er im Ranking der zentralen Mittelfeldspieler nur auf Platz fünf hinter Alonso, Thiago, Arturo Vidal und Joshua Kimmich. Der deutsche Nationalspieler ist in dieser Saison der Gegenentwurf zu Sanches. Kimmich hat schon vier Mal für die Bayern getroffen, spielt selbstbewusst wie nie, er hat den nächsten Schritt gemacht. Auf genau den wartet man bei Sanches – vom Talent soll und muss er sich zum gestandenen Spieler entwickeln. Gelingt ihm das?
Pep Guardiola, jetzt Coach bei Manchester City, hat daran jedenfalls keinen Zweifel. „Renato Sanches ist bei weitem einer der besten jungen Spieler in Europa“, sagt Bayerns Ex-Trainer, „er hat viel Qualität und Persönlichkeit, läuft viel auf dem Platz. Er hat eine große Zukunft vor sich.“ Das glaubt auch Mourinho. Und die Bayern. Nur beweisen muss es Sanches noch.