Pokal-Aus: "Riesen-Enttäuschung und Frust" machen sich beim FC Bayern breit

München - Rund zehn Minuten dauerte der Kabinen-Besuch von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge am späten Mittwochabend. Es wurde laut in der Bayern-Umkleide.
Als der Präsident und der Vorstandsvorsitzende die Kabine wieder verließen, waren sie sichtlich bedient: Uli Hoeneß kam kein Wort über die zusammengepressten Lippen. Rummenigge bemühte sich um Fassung, sagte: "Diese Niederlage ist schmerzhaft. Die zweite unglückliche Niederlage. Wir haben wahnsinnig viele Chancen liegenlassen. Auf diese Weise ist das Aus sehr enttäuschend."
Wieder ausgeschieden. Schon wieder. Erst das verdiente, aber doch unglückliche Champions-League-Aus im Viertelfinale gegen Real Madrid, nun der Pokal-Knockout durch das 2:3 in der heimischen Arena gegen den ewigen Rivalen Borussia Dortmund im Halbfinale. Kein Berlin. Nix Finale. Kein Double. Und schon gar nix war’s mit dem anvisierten Triple.
Alles verspielt
Stattdessen herrscht nun Schockstarre. Und "Riesen-Enttäuschung und Frust", wie es Arjen Robben, der das wohl vorentscheidende 3:1 vergeben hatte, ausdrückte. Die Meisterschaft hatte man größtenteils im Herbst und Winter vorentschieden, kann sie schon am Samstag in Wolfsburg (18:30 Uhr, live bei Sky und im AZ-Liveticker) dingfest machen.
Doch nun lösten sich die 2017er-Träume innerhalb von neun Tagen in Luft auf. Die großen Frühjahrsziele sind weg, alles verspielt. "Selbst Schuld", meinte Robben mit finsterer Miene. "Fahrlässig" habe man das Finale "sausen lassen", so Weltmeister Mats Hummels geknickt.
"Es fehlt etwas", sagte Robert Lewandowski. Traurige Bayern, schlechte Bayern. Wie lange nicht. Zum ersten Mal seit 17 (!) Jahren blieben die Münchner in fünf Pflichtspielen in Folge ohne Sieg (zwei Remis, drei Niederlagen). Und erstmals seit Frühjahr 2006 kassierte man in drei Pflichtspielen hintereinander mindestens zwei Gegentore.
"Das tut weh"
"Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über die Zukunft zu sprechen. Jetzt müssen wir erst einmal in Ruhe die Wunden lecken. Das tut weh", sagte Rummenigge. Für eine Saison-Bilanz sei es "noch zu früh", ergänzte Trainer Carlo Ancelotti.
Ist es nicht. Denn die Klausur der Bosse hat wegen der "Single-Saison" der Bayern längst begonnen. Samt Fehlersuche. Letzten Sommer setzte man darauf, dass mit Mats Hummels, der von Dortmund zurück nach München kam, ein Top-Transfer ausreichen würde, um eine routinierte, aber auch etwas überalterte Mannschaft zu neuen Höhen zu führen.
Als wichtigster Neuzugang wurde Ancelotti angesehen, der den von drei aufregenden Jahren mit dem stets am Anschlag coachenden Pep Guardiola ausgezehrten Kader mit Ruhe und Erfahrung in die Spur bringen sollte. Was anfangs auch gelang. Die Spieler genossen die neuen Freiheiten auf und neben dem Platz – rasch allerdings zu sehr.
Ancelotti zog die Zügel an, doch auch er merkte zu spät, dass der Kader eine formidable 1-A-Elf hat, jedoch zu wenig Klasse in der Hinterhand, wenn Unersetzbare wie Torhüter Manuel Neuer oder Top-Torjäger Robert Lewandowski in der wichtigsten Saisonphase ausfallen.
Ancelotti auf Bewährung
In genau dieser sollte sich Ancelottis Gabe entfalten. Zielsicheres Coaching, darauf setzte der gesamte Verein.
April, April!
Denn die Bilanz des 57-jährigen Italieners in seinem angeblichen Parade-Monat April liest sich ernüchternd: im Schnitt 1,0 Punkt pro Spiel. Selbst Vorgänger Guardiola, der allerdings meist im Mai scheiterte, schafft 1,9 Punkte. Ancelotti bleibt – aus Mangel an Alternativen.
Trainer-Shootingstar Julian Nagelsmann (29) hat versprochen, eine weitere Saison in Hoffenheim zu bleiben. Thomas Tuchel dürfte nun doch ein drittes Jahr in Dortmund coachen, und Jürgen Klopp ist beim FC Liverpool heimisch und zu mächtig geworden, um dies aufzugeben. 2017/2018 trainiert Ancelotti auf Bewährung.