Pfostenglück, Bremer Revanche, spätes Drama und ein doppelter Traumabschied: Der FC Bayern und der 34. Spieltag

Nach dem 2:0 über Hertha BSC steht der FC Bayern wieder an der Tabellenspitze der Bundesliga. In den letzten Jahrzehnten brachten die Münchner den Vorsprung meistens ins Ziel. Aber nicht immer. Eine Zeitreise.
Victor Catalina
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Holt sich der FC Bayern die elfte Meisterschaft in Serie oder kann Borussia Dortmund diese Saison den Rekordmeister ärgern? Die spannendsten Entscheidungen des 34. Spieltags der letzten Jahre. (Archivbild)
Holt sich der FC Bayern die elfte Meisterschaft in Serie oder kann Borussia Dortmund diese Saison den Rekordmeister ärgern? Die spannendsten Entscheidungen des 34. Spieltags der letzten Jahre. (Archivbild) © Matthias Balk/dpa

München - Das Wichtigste stand im Anschluss an die Partie gegen Hertha BSC: Der FC Bayern ist wieder Tabellenführer der Bundesliga.

Dass die Entscheidung über den Meistertitel erst am 34. Spieltag fällt, ist sehr wahrscheinlich. Eine Zeitreise, die für den Rekordmeister nicht nur positiv endete.

1986: Bayern bestraft Kutzops Fehlschuss gnadenlos

Es war der absolute Höhepunkt einer Saison, die grünweißer kaum hätte sein können. Vom 2. bis zum 33. Spieltag führte Werder Bremen die Tabelle an. Die vorletzte Partie hielt das Duell mit dem FC Bayern bereit. Brisant war die Begegnung ohnehin.

Im Hinspiel hatte Klaus Augenthaler mit einem brutalen Foul Rudi Völler einen Adduktorenabriss im linken Oberschenkel zugefügt und durfte dennoch weiterspielen. Gut zehn Minuten stand Völler wieder auf dem Platz, als er einen Elfmeter für Werder herausholte.

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89. Minute, die Riesenchance für den vom Punkt eigentlich sicheren Michael Kutzop. Eigentlich. Denn der Fußballgott, in Verbund mit dem rechten Pfosten, hatte andere Pläne. Das Duell ging torlos aus. Am letzten Spieltag reisten die Bremer nach Stuttgart. Karl Allgöwer beendete per Doppelpack Werders Meisterträume endgültig.

Eine Steilvorlage, die der FC Bayern gegen Jupp Heynckes' Gladbacher dankend annahm. Lothar Matthäus eröffnete nach weniger als einer Minute. Am Ende gab es ein überdeutliches 6:0 für den FCB – und die Meisterschale.

1993: Werder Bremens Revanche

Man sagt, jede enge Entscheidung im Fußball, gleicht sich irgendwann aus. Für den FC Bayern gab es ein 2001 nach 1999, ein 2013 nach 2012 – und aus Werder-Sicht ein 1993 nach 1986. Die Ausgangslage war fast dieselbe. Diesmal war es nur ein Tor, das Werder als Polster mitnahm.

Erneut ging es nach Stuttgart, während Bayern gegen einen NRW-Klub spielte, auf Schalke. Bernd Hobsch per Doppelpack und Thomas Wolter sorgten für ein souveränes 3:0. Erich Ribbecks FCB kam parallel nicht über ein 3:3 hinaus. Otto Rehhagel nahm die Schale mit in den Norden.

2000: Hachinger Schützenhilfe für Bayern

Christoph Daum starrte leeren Blickes in das Rund des Hachinger Sportparks. Nicht nur ihm fiel es schwer zu glauben, was sich gerade abspielte. Beim Aufsteiger und Tabellenzehnten SpVgg Unterhaching hätte Bayer Leverkusen bereits ein Unentschieden gereicht, um den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte zu holen.

Allerdings stellte der 26-jährige Hachinger Stürmer André Breitenreiter vor Anpfiff fest: "Die hatten voll den Zitteraal!" Nach 20 Minuten zwang Danny Schwarz Michael Ballack ins Eigentor. Gut 20 Minuten vor Schluss legte Markus Oberleitner zum Endstand nach. 

Zumindest einer beim FC Bayern hatte fest mit diesem Ausgang gerechnet: Uli Hoeneß. Bereits am 26. Spieltag meinte der damalige Manager: "Platz eins ist für uns reserviert!", nur um nachzulegen: "Der Daum wird in 100 Jahren nicht vor uns Meister sein!"

Hoeneß sollte Recht behalten. 3:1 gewann der Rekordmeister zeitgleich gegen Werder Bremen und sicherte sich Titel Nummer 16.

2001: Patrik Andersson krönt den Last-Minute-Irrsinn

Noch dramatischer kann man nicht Meister werden, ganz sicher nicht. Ganz sicher doch. Die Geschichte begann bereits am 33. Spieltag, als der Konkurrent des FC Bayern – mal zur Abwechslung – in Stuttgart spielte. Jener Konkurrent war diesmal der FC Schalke 04.

Der Rekordmeister selbst empfing den 1. FC Kaiserslautern. Die beiden Schlüsselszenen des Wochenendes ereigneten sich, wie es Kommentator Tom Bayer ausdrückte, "in handgestoppten zwokommadrei Sekunden". Zuerst schoss Krassimir Balakov den VfB zum Sieg, anschließend versenkte Alexander Zickler einen Schuss von der Strafraumkante im rechten Winkel. Vor dem letzten Spieltag stand der FCB drei Zähler vor Königsblau. 

Ein Unentschieden in Hamburg hätte gereicht, um den Titel klarzumachen. Das Spiel begann mit Verzögerung, sodass Schalkes 5:3-Erfolg gegen Unterhaching in den entscheidenden Minuten bereits feststand.

Im Volkspark lief alles auf ein 0:0 hinaus. Dann wurden alle Beteiligten – Spieler, Trainer, Fans wie Journalisten – auf eine bis dahin nie dagewesene emotionale Achterbahnfahrt mitgenommen.

Grenzenloser Jubel: Der FC Bayern wird am 19. Mai 2001 dank eines Treffers von Patrik Andersson zum 1:1 beim HSV in letzter Sekunde doch noch Meister. Vier Tage später folgt der Champions-League-Sieg.
Grenzenloser Jubel: Der FC Bayern wird am 19. Mai 2001 dank eines Treffers von Patrik Andersson zum 1:1 beim HSV in letzter Sekunde doch noch Meister. Vier Tage später folgt der Champions-League-Sieg. © GES/Au'klick

90. Minute, Sergej Barbarez köpfte eine Flanke von links ein. "Wir haben das 1:0 gekriegt und ich hab nichts gedacht in dem Moment. Ich hab gedacht, es geht bestimmt noch drei Minuten und wir müssen weitermachen, wir müssen weitermachen, wir dürfen nicht aufgeben", erinnert sich Oliver Kahn.

Währenddessen ging im Schalker Parkstadion die Nachricht um, das Spiel im Hamburg sei zu Ende. Die Fans stürmten den Innenraum. 

Die Fans stürmten den Innenraum jedoch umsonst. Wenige Minuten darauf wurde das laufende Spiel aus Hamburg auf der Videoleinwand eingeblendet. Schalker und Hachinger wurden Zeugen, wie HSV-Keeper Matthias Schober einen Rückpass aufnahm und dem FC Bayern in Minute 93 einen allerletzten, indirekten Freistoß schenkte.

Alle 22 Mann, auch Oliver Kahn, waren im Hamburger Strafraum. Für den Standard fiel die Wahl auf Stefan Effenberg und Patrik Andersson. Bayerns Kapitän tippte an, der Schwede knallte humorlos drauf –

1:1! Es war Anderssons erstes und einziges Tor für den Klub. Durch alle Mann hindurch ging der Ball flach ins linke Eck. Der Schuss war nicht mal abgefälscht. "Da oben im Himmel müssen sie alle rote Trikots tragen. Anders ist das nicht zu erklären", kommentierte Marcel Reif.

2002: Matthias Sammer wird mit dem BVB zum Meister-Youngster

Ein Jahr später duellierte sich der FC Bayern (65 Punkte) mit Tabellenführer Borussia Dortmund (67) sowie Bayer Leverkusen (66). Mit einem 0:1 in Nürnberg waren die Rheinländer auf bestem Weg, den Titel erneut zu verspielen.

Der BVB gewann 4:3 in Hamburg, Bayern 1:0 in Wolfsburg. Generell war die Ausgangslage eine denkbar ungünstige für den Rekordmeister. Beide Konkurrenten mussten am letzten Spieltag patzen.

Getan hat es jedoch keiner. Leverkusen gewann 2:1 gegen Hertha BSC, der BVB, ebenfalls 2:1 gegen Werder Bremen. Dadurch war Bayerns 3:2-Sieg über Hansa Rostock lediglich Kosmetik.

Dank des Siegtreffers von Ewerthon wurde Matthias Sammer, im Alter von 34 Jahren und 241 Tagen zum jüngsten Meistertrainer der Bundesligageschichte. Ein Rekord, der selbst Julian Nagelsmann standhielt. Bayerns Coach war vergangene Saison 34 Jahre und 274 Tage alt. 

2019: Traumabschied für Ribéry und Robben

Das bislang letzte Mal, dass ein Titelrennen am 34. Spieltag entschieden wurde. Bayern kam in Leipzig nicht über ein 0:0 hinaus, sodass Borussia Dortmund mit einem 3:2 gegen Fortuna Düsseldorf die Entscheidung vertagen konnte.

Zwei Punkte trennten beide Teams vor den letzten Partien der Saison 2018/19. Der Rekordmeister hätte also gegen Eintracht Frankfurt im eigenen Stadion verlieren müssen, um die Meisterschaft zu verspielen. 

Die Verabschiedung von Arjen Robben beim FC Bayern nach dem 5:1 gegen Eintracht Frankfurt: (v.l.) Sportdirektor Hasan Salihamidzic, der damalige Präsident Uli Hoeneß, Arjen Robben, Rafinha, der damalige Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, und Franck Ribéry.
Die Verabschiedung von Arjen Robben beim FC Bayern nach dem 5:1 gegen Eintracht Frankfurt: (v.l.) Sportdirektor Hasan Salihamidzic, der damalige Präsident Uli Hoeneß, Arjen Robben, Rafinha, der damalige Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, und Franck Ribéry. © firo Sportphoto

Davon war den gesamten Nachmittag über nichts zu sehen. Kingsley Coman erzielte in der 4. Minute den Führungstreffer. Auch Sébastien Hallers überraschenden Ausgleich konterte David Alaba drei Minuten später. Nachdem Renato Sanches kurz darauf auf 3:1 stellte, war noch Zeit für die ganz großen Geschichten.

Franck Ribéry und Arjen Robben betraten, ein letztes Mal, den Rasen der Allianz Arena. Eine Viertelstunde vor Schluss dribbelte sich der Franzose, wie in besten Tagen, durch die müde SGE-Abwehr und lupfte zum 4:1. In Minute 78 schob Robben einen Lewandowski-Querpass ein. Meistertitel? Check. Ribéry-Tor? Check. Robben-Tor? Check. 

Und 2023? FC Bayern in der Pole Position

Nach dem 2:0-Sieg über Hertha BSC hat der FC Bayern den 33. Meistertitel wieder in der eigenen Hand. Bis Saisonende warten allerdings noch die auswärts grundsätzlich schwer zu bespielenden Bremer und Kölner sowie RB Leipzig in der Allianz Arena am 33. Spieltag.

Mental und für das Mannschaftsgefüge war der Erfolg über den Tabellenletzten sicherlich wertvoll. Soll auch der elfte Meistertitel am Stück geholt werden, braucht es für Trainer Thomas Tuchel und sein Team mehr Struktur, Genauigkeit und Durchschlagskraft im Offensivspiel. 

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  • Südstern7 am 05.05.2023 12:52 Uhr / Bewertung:

    "1986: Bayern bestraft Kutzops Fehlschuss gnadenlos"

    Dieser Elfmeter war eine Farce. Handelfmeter waren schon damals eine heikle Sache. Lerby wurde aus 7 oder 8 Metern angeschossen, der Ball prallte ihm an die Brust. Wenn solch ein Pfiff eine Meisterschaft entscheidet, dann ist das tragisch. Egal wenn es betrifft.

    "2001: Patrik Andersson krönt den Last-Minute-Irrsinn"

    Bayern wurde damals mit 63 Punkten Meister, das muss man sich mal vorstellen. Das zeigt wie unbeständig die Bayern als auch die "Meister der Herzen" spielten. Auch wenn man diese Saison heute glorifiziert, so muss man dennoch bedenken, dass wie heute BVB/Bayern damals auch Bayern/Schalke sich ins Ziel stolperten.

    Ich saß damals am TV und sah Videotext, weil ich Radio nicht aushielt. Starrte immer auf dieses 0:0, bis plötzlich 1:0 dort auftauchte. Das war 17:15 Uhr und ich war wie betäubt, starrte immer auf dieses 1:0. Minutenlang! Tausend Gedanken durch den Kopf gehend. Und dann ... 1:1! Achterbahn der Gefühle.

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