Peppig wie nie! Thiagos Wandlung zum Leader

Bayerns Thiago spielt unter Ancelotti stärker als unter Guardiola – und tritt plötzlich wie ein Leader auf. "Carlo ist großartig", sagt er.
von  Maximilian Koch
Thiago ist derzeit nicht aus dem Bayern-Mittelfeld wegzudenken. (Archivbild)
Thiago ist derzeit nicht aus dem Bayern-Mittelfeld wegzudenken. (Archivbild) © dpa

München - Wenn Thiago das Bayern-Trikot nicht gegen T-Shirt, Shorts und Sneaker getauscht hätte, könnte man meinen, dass sich der Spanier noch immer auf dem Rasen des Hamburger Volksparkstadions befindet. Er wirkt auch zwei Tage nach dem 1:0-Sieg in der Bundesliga angriffslustig, ja in manchen Momenten sogar aggressiv, als er über den kommenden Champions-League-Gegner Atlético Madrid (Mittwoch, 20.45 Uhr/ZDF, Sky und im AZ-Liveticker) spricht.

Und über Franck Ribéry, seinen in die Kritik geratenen Teamkollegen. "Was hast du gegen Franck?", blafft Thiago einen Reporter an, der die Meinung des Mittelfeldspielers zu den wiederholten Unbeherrschtheiten Ribérys wissen will. Thiago Augen werden plötzlich ganz groß, er verteidigt seinen Kollegen energisch. "Wie alt ist Franck?", beginnt er: "Soll ich ihm sagen, was er zu tun hat? Er hat seinen eigenen Charakter, er hilft der Mannschaft sehr. Er hat schon viele Assists gegeben diese Saison, wir sind sehr glücklich mit ihm."

Thiago ist zweikampfstärker als "Krieger" Vidal

So emotional und energisch, so peppig hat man Thiago selten erlebt, eigentlich nie, seitdem er 2013 vom FC Barcelona zu den Bayern gewechselt ist. Doch es passt zu dem Bild, dass der 25-Jährige aktuell auch auf dem Spielfeld abgibt. Thiago spielt ernsthafter, konzentrierter, reifer als in der vergangenen Saison. Und aggressiver: 56 Prozent seiner Zweikämpfe gewinnt der Feingeist bislang in dieser Bundesliga-Saison. "Krieger" Arturo Vidal kommt nur auf 53 Prozent.

Es macht den Eindruck, als wirke sich der Trainerwechsel von Pep Guardiola zu Carlo Ancelotti besonders auf Thiago positiv aus. Also ausgerechnet auf den Spieler, der einst auf Drängen Guardiolas ("Thiago oder nix!") verpflichtet wurde. "Carlo ist ein großartiger Trainer und Typ. Er gibt uns viel Vertrauen und viel Ruhe", sagt Thiago über den Italiener.

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Der neue Coach, die neue Ruhe, das Gefühl, sich wieder beweisen zu müssen: Thiago tritt plötzlich wie ein Leader auf, der die Mannschaft mitreißt. Wie am Samstag in Hamburg, als sein Traumpass auf Ribéry den Siegtreffer durch Joshua Kimmich einleitete. "Der war schon lächerlich gut. Ein genialer Moment", schwärmte Mats Hummels. "Fantastisch", meinte auch Ancelotti. "Wenn einer diesen Pass spielen kann, dann Thiago", sagte Kapitän Philipp Lahm. Schon vergangene Woche gegen Hertha BSC waren Thiago ein Tor und eine Vorlage gelungen.

"Ich bin immer noch so wie früher"

Der Gefeierte selbst kommentiert seine starke Form nüchtern. Im Sommer habe er nichts Besonderes gemacht, sagt er, "einfach das Leben und den Strand genossen, so wie ich auch den Fußball genieße". Sein Stil habe sich unter Ancelotti auch nicht geändert. "Ich bin immer noch so wie früher. Ich bin ein Teamplayer und will jedes Spiel gewinnen." Genau diese Eigenschaft hatte auch Guardiola immer bei Thiago hervorgehoben: dessen Siegeswillen und den unerschütterlichen Glauben an die eigene Stärke. "Die wichtigste Qualität von Thiago ist, dass er Fußball denkt, da ist er der beste Spieler der Welt", sagte Guardiola einmal: "Er kann in den letzten 20, 30 Minuten ein Spiel entscheiden, er ist ein überragender Spieler wegen seiner Mentalität."

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In der vergangenen Saison zeigte Thiago diese Qualität allerdings zu selten – obwohl er endlich mal über einen längeren Zeitraum fit war. In den ersten beiden Spielzeiten bei den Bayern hatte er immer wieder wegen Knieproblemen gefehlt. Im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals gegen Atlético im April, in einem der Spiele also, in denen Thiago laut Guardiola "der Beste" sei, war der Spielmacher nicht zu sehen. Im Rückspiel in München saß Thiago dann sogar nur auf der Bank. Zuvor unvorstellbar unter Pep – aber konsequent nach mehreren lustlosen Auftritten seines Lieblings.

Volle Motivation vor Atlético

Vielleicht liegt es an dieser Enttäuschung, dass Thiago nun extra motiviert wirkt, als er über den kommenden Gegner spricht. "Sie waren letztes Jahr im Finale, wir kennen ihre Stärken und Schwächen genau. Es wäre sehr wichtig, wenn wir unsere Gruppe gewinnen. Wir müssen alle unsere Waffen einsetzen", sagt er. Rachegedanken gebe es allerdings nicht. "Man geht natürlich mit einem ganz anderen Gefühl in die Partie, weil es ein Gruppenspiel ist. Das ist nicht vergleichbar mit dem Halbfinale."

Besonders großen Respekt habe er vor der Verteidigung der Spanier. "Atlético verteidigt besser als wir, auch besser als der FC Barcelona und als jedes andere Team der Welt. Sie sind aggressiver als jeder Gegner, gegen den wir in dieser Saison bisher gespielt haben." Doch Bayern hat Thiago. Und Ribéry. Hat Atlético in dieser Saison schon mal gegen ein ähnlich aggressives Duo gespielt?

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