Ottmar Hitzfeld im AZ-Interview über die Trainersuche beim FC Bayern München

Das 2:1 in Sevilla hat den FC Bayern dem Halbfinale in der Champions League sehr nahe gebracht. In der AZ spricht Ottmar Hitzfeld über die Chancen, über die Zukunft von Robbéry und über den möglichen neuen Trainer.
von  Julian Buhl
Kehrt Niko Kovac als Trainer zurück zu dem Verein für den er einst spielte? Ottmar Hitzfeld würde das begrüßen.
Kehrt Niko Kovac als Trainer zurück zu dem Verein für den er einst spielte? Ottmar Hitzfeld würde das begrüßen. © imago/Sven Simon

Ottmar Hitzfeld (69) trainierte den FC Bayern  von 1998 bis 2004 und in der Saison 2007/2008. Er holte dabei fünf Mal die Meisterschaft und vier Mal den Pokal. 2001 führte er die Bayern zum Gewinn der Champions League.

AZ: Herr Hitzfeld, wie haben Sie den FC Bayern im Viertelfinalhinspiel der Champions League beim 2:1 in Sevilla gesehen?
OTTMAR HITZFELD: Das Ergebnis ist immer das Wichtigste. Bayern kann auch nicht immer zaubern und Sevilla ist sehr heimstark. Solange die Spieler Kraft hatten, haben sie Widerstand geleistet, Bayern mit ihrer aggressiven Spielweise zu Fehlern gezwungen, teilweise gab es auch einfache Ballverluste, die man nicht gewohnt ist. Für mich war aber klar, dass Bayern mit der Zeit Oberhand bekommt und den Gegner müde spielt. Die Bayern werden sich aber, wie Jupp Heynckes sagt, steigern müssen.

Franck Ribéry war in Sevilla an beiden Toren beteiligt. Empfiehlt er sich gerade für eine Vertragsverlängerung?
Ribéry ist für mich nach wie vor nicht wegzudenken bei den Bayern. Er ist noch immer ein Leistungsträger, sehr schnell und spritzig, entwickelt Ideen, ist unberechenbar, kann Tore vorbereiten oder machen – und er kann der entscheidende Spieler sein. Ich wünsche mir, dass ich ihn auch nächste Saison noch bei Bayern sehe.

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Hitzfeld: "Es ist wichtig, mit den Spielern zu sprechen"

Bei Arjen Robben, der in Sevilla nur auf der Bank saß, auch?
Bei ihm sehe ich das ähnlich. Beides sind einzigartige Spieler mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Natürlich sitzt man auch mal draußen, das hat man aber zu akzeptieren. Ribéry saß ja auch schon ein paar mal auf der Bank. Das managt Heynckes ganz hervorragend.

Ihre Empfehlung wäre also, beide zu halten?
Es ist wichtig, mit den Spielern zu sprechen, was der Verein vorhat. Ich könnte mir vorstellen, dass der Umbruch in der nächsten Saison vorangebracht wird, Robben und Ribéry aber noch dabei sind. Dafür müssen sie aber auch damit einverstanden sein, ab und zu auf der Bank zu sitzen. Man muss abwarten, wer neuer Trainer wird, der muss da ja auch schon seine Meinung dazu sagen können.

Bis Ende April will der FC Bayern nun den Nachfolger von Jupp Heynckes präsentieren. Können Sie nachvollziehen, dass man noch derart lange darauf gehofft hat, Heynckes zu einer Vertragsverlängerung überreden zu können?
Es ist ja auch die Aufgabe der Verantwortlichen des FC Bayern, dass man um Heynckes kämpft. Die Rückkehr war ja einmalig. Es ist fantastisch, was er geleistet und so das ganze Umfeld und den Verein sofort beruhigt hat. Um so einen Trainer muss man natürlich kämpfen. Jupp hat da aber seine eigene Meinung, die muss man respektieren.

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Hitzfeld: "Bayern wird keine Probleme haben, einen guten Trainer zu finden"

Während man vergeblich auf Heynckes wartete, wurden potenzielle Nachfolger lange hingehalten. War das ein Risiko? Thomas Tuchel sagte den Bayern nun kürzlich ab.
Das war kein Risiko. Bayern ist ein Weltverein und für jeden Trainer ist es eine Riesenchance, dort arbeiten zu können. Bayern wird keine Probleme haben, einen guten Trainer zu finden. Und wenn sie Tuchel wirklich gewollt hätten, hätten sie ihn schon viel früher verpflichtet.

Welche Anforderungen muss ein Trainer erfüllen, um bei Bayern arbeiten zu können?
Wenn man so eine Mannschaft führt, ist es wichtig, dass der Trainer eine starke Persönlichkeit hat – und authentisch ist. Man muss eine hervorragende Mannschaftsführung haben, auch Psychologe sein. Man muss ja mit sehr vielen Stars arbeiten und die alle unter einen Hut bringen. Um das zu schaffen, benötigt man eine gewisse Erfahrung, das Taktische und Spielerische können viele Trainer.

Ihr ehemaliger Spieler Niko Kovac gilt aktuell nun als Favorit als Heynckes-Nachfolger. Erfüllt er die Kriterien, um Bayern-Trainer werden zu können?
Niko Kovac würde aus meiner Sicht passen, weil er in Salzburg und bei der kroatischen Nationalmannschaft, die auch nicht einfach zu führen ist, schon sehr gute Arbeit geleistet hat. Die Erwartungshaltung in Kroatien war riesig, bei der WM hat Kovac mit dem Team tolle Spiele gezeigt. Frankfurt spielt jetzt über seinen Verhältnissen, nächstes Jahr sogar europäisch – das ist sein Verdienst. Außerdem war er Bayern-Spieler, weiß wie der Klub tickt und funktioniert. Und er ist eine starke Persönlichkeit, die eine klare Meinung und eine offene und ehrliche Kommunikation hat. Für ihn ist jeder Spieler gleich wichtig. Er kann die Mannschaft hervorragend motivieren und mitreißen.

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Hitzfeld: Liverpool lässt sich das nicht mehr nehmen

Auch Lucien Favre wird als möglicher Trainer-Kandidat genannt, allerdings auch bei Borussia Dortmund. Würde auch er zu den Bayern passen oder doch besser zum BVB?
Lucien Favre hat bei den deutschen Vereinen, bei denen er schon war, gute Arbeit geleistet, einen guten, offensiven Fußball spielen lassen. Er ist auch einer, der eine Mannschaft mitreißen kann, ein akribischer Trainer. Grundsätzlich könnte er bei beiden Vereinen arbeiten.

Ex-BVB-Coach Jürgen Klopp hat mit dem FC Liverpool am Mittwoch 3:0 gegen Manchester City gewonnen. War das auch für Sie die größte Überraschung der Viertelfinalhinspiele der Champions League?
Ja, vor allem die Art und Weise wie Liverpool das Spiel gegen den eigentlichen Favoriten angegangen ist. Wenn man die englische Meisterschaft in Betracht zieht, war nicht zu erwarten, dass Liverpool City überhaupt nicht zur Entfaltung kommen lässt. Aber Klopps Pressing und das vertikale Spiel in der Vorwärtsbewegung war sensationell und wurde durch die herrlichen Tore gekrönt. Es war so ein Abend, an dem einem alles gelingt. Manchester City war schockiert davon.

Gibt es für Sie noch in irgendeinem Duell Zweifel, wer weiterkommen wird?
Nein, eigentlich ist überall die Ausgangslage klar. Real Madrid, Bayern und Barcelona sind auf einem sehr guten Weg – und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Liverpool sich das noch nehmen lässt.

Wer hat auf Sie den stärksten Eindruck gemacht?
Für mich waren immer Real, Barcelona, Bayern und City die Favoriten. Davon bleiben jetzt noch drei übrig. Real war bei Juventus Turin eigentlich auch verwundbar, vor allem defensiv. Das Resultat täuscht ein wenig über die wahre Stärke. Da hat Barcelona auf mich gegen Rom den etwas besseren Eindruck gemacht, weil sie defensiv gefestigter sind. Und Bayern gehört auch zu den Mitfavoriten, weil sie eine defensive Stabilität und in der Offensive vielfältige Möglichkeiten haben. Es gibt keine absolute Übermannschaft, die Teams sind alle auf einem ähnlichen Niveau.

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