Kommentar

Nagelsmanns Bayern straucheln weiter: Die Geduld in München schwindet langsam

Bayern-Reporter Patrick Strasser über die aktuelle Situation beim FC Bayern.
von  Patrick Strasser
Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, emotional geladen an der Seitenlinie.
Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, emotional geladen an der Seitenlinie. © firo/Augenklick

Ausraster von Oliver Kahn in Dortmund haben Tradition. Legendär sind seine Knabber-Attacke gegen Heiko Herrlich und der Kung-Fu-Tritt knapp an Stéphane Chapuisat vorbei – man schrieb das Jahr 1999 als der "Titan" im Tor zum Vulkan wurde.

Kung-Fu Kahn 1999 im Spiel gegen Dortmund.
Kung-Fu Kahn 1999 im Spiel gegen Dortmund. © imago/Team 2

An diesem Samstagabend musste man bei Kahns Ausraster nach dem 2:2-Ausgleichstreffer von Dortmunds Joker Anthony Modeste um das Mobiliar auf der Tribüne des Signal-Iduna-Parks fürchten. Der Wutanfall des Vorstandsbosses dokumentiert die aktuelle Situation des FC Bayern München, dessen Dominanz und Selbstverständlichkeit in dieser Saison plötzlich verschwunden sind.

Die Bayern-Bastion bröckelt und schmilzt

Nach zehn Titeln hintereinander stolpert der Serienmeister von einer Verlegenheit in die andere, konnte in der Bundesliga lediglich vier der ersten neun Saisonspiele gewinnen. Dass man beim Rivalen aus Dortmund, gegen den man in den letzten acht Aufeinandertreffen acht Statement-Siege erzielen konnte, nun nach 2:0-Führung noch zwei Punkte verschenkte, passt in die unstete Saison. Die Konstanz ist weg, die Bayern-Bastion bröckelt und schmilzt.

Um im Bild zu bleiben: Trainer Julian Nagelsmann, der in seinem Premierenjahr an der Säbener Straße lediglich den Meistertitel verbuchen konnte, bewegt sich auf ganz dünnem Eis. Dass Kahn nun "Ergebnisstabilität" fordert und verlangt, man "müsse jetzt schnell auf Platz eins", belegt wie die Geduld in München langsam schwindet.

Reifeprüfung fürs "Trainer-Talent"

Zwar legt Nagelsmanns Mannschaft eine einwandfreie Champions-League-Vorrunde mit drei Siegen aus drei Spielen hin, doch in der Liga fehlen zu oft die Konzentration und die letzte Konsequenz – beim unbedingten Willen, einen Vorsprung über die Zeit zu verteidigen (eigentlich überhaupt nicht Bayern-like!) bzw. andererseits die erspielten Chancen zu nutzen. Eiskalt war einmal.

Dass Ex-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge den 35-Jährigen von den aktuellen Verantwortlichen unwidersprochen öffentlich als "großes Trainer-Talent" bezeichnet, ärgert Nagelsmann. Seine Erkenntnis: "Das macht ja nicht nur er." Sondern? "Zu viele" wie er hinzufügte, ohne zu konkretisieren, wen er meint.

Das "Trainer-Talent" ist mitten in seiner größten Reifeprüfung. Er darf jedoch die Kabine, sprich den Rückhalt der Stars, nicht verlieren. Und muss gewinnen. Sonst verlieren die Bosse die Geduld. Andererseits: einen Trainer-Plan B gibt es nicht. Noch nicht.

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