Interview

Nagelsmann-Förderer Rosen - Seine Entwicklung ist "der absolute Vollwahnsinn"

Das Wiedersehen mit Kumpel Julian Nagelsmann fällt aus. "Das ist außerordentlich bedauerlich", sagt TSG-Manager Alexander Rosen dazu in der AZ - und spricht über Hoffenheims neues Selbstbewusstsein.
Krischan Kaufmann
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Hoffenheims Alexander Rosen: "Ich hoffe, dass Julian möglichst beschwerde- und symptomfrei durch die nächsten Tage kommt."
Hoffenheims Alexander Rosen: "Ich hoffe, dass Julian möglichst beschwerde- und symptomfrei durch die nächsten Tage kommt." © dpa

München - AZ-Interview mit Alexander Rosen: Der 42-jährige gebürtige Augsburger leitete zunächst das Nachwuchsleistungszentrum der Hoffenheimer und übernahm dann 2013 als einer der jüngsten Manager in der Bundesliga die Profiabteilung der TSG.

AZ: Herr Rosen, 3:1 gegen Wolfsburg, 1:3 in Stuttgart, 5:0 gegen Köln - beim Blick auf die letzten Spiele fällt auf: Für Hoffenheim gibt es aktuell nur ganz oder gar nicht. Welchen Aggregatszustand soll Ihre Mannschaft am Samstag bei Bayern erreichen?
ALEXANDER ROSEN: Ich wäre nicht ganz so extrem in der Beurteilung, aber was richtig ist, dass wir in dieser Saison häufig mal zwei verschiedene Gesichter gezeigt haben. Natürlich kann es nicht immer so laufen wie gegen Köln, aber grundsätzlich sollten die Leistungskurven nicht so steil sein - gerade die nach unten. Wir differenzieren immer zwischen der gezeigten Leistung und dem Ergebnis, wie zum Beispiel bei unserem Spiel gegen Dortmund, das wir letztlich trotz hervorragender Leistung unglücklich 2:3 verloren haben.

Alexander Rosen will nicht über Bayern-Dominanz jammern

Ein Auftritt beim Rekordmeister ist nun nicht gerade dazu prädestiniert, mehr Konstanz reinzubringen...
Wir treten auch in München an, um eine gute Leistung zu zeigen - und im besten Fall etwas mitzunehmen. Wir haben in den vergangenen Jahren gegen Bayern oft starke Leistungen gezeigt und auch einige Male gewonnen. Es geht immer um das Auftreten und die Haltung. Es ist doch grandios, sich mit dieser Bayern-Mannschaft, die gerade in einer großartigen Verfassung ist, zu messen und zu versuchen, selbst zu zeigen, was man drauf hat.

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Aktuell wird in Fußball-Deutschland wieder das Klagelied über die erdrückende Bayern-Dominanz, die die Liga kaputtmachen würde, gesungen. Stimmen Sie mit ein?
Nein, ich jammere da nicht mit. Fakt ist: Wenn man die Umsätze und Lizenzspieler-Etats betrachtet, kann man natürlich nicht von Chancengleichheit sprechen. Aber in dem System, in dem wir agieren, hat sich der FC Bayern diesen Vorsprung und die damit verbundene Finanzkraft über Jahrzehnte erarbeitet und nicht geschenkt bekommen. Das ist ein freier Wettbewerb, wobei man darüber diskutieren kann, ob es bei der Verteilung der finanziellen Mittel einen optimierten Schlüssel geben sollte. Eine regulierte Chancengleichheit wie in den USA mit Salary Cap, Drafts und Maximal-Budgets ist in Europas Fußball aktuell schwer vorstellbar. Insofern sollte man schauen, dass man unter den gegebenen Bedingungen die bestmögliche Performance liefert und das ist uns bei der TSG Hoffenheim in den letzten Jahren gut gelungen.

Hoffenheim entwickelt reihenweise Talente - auch neben dem Platz

Vielleicht ist es aber auch eine Frage der eigenen Anspruchshaltung. Warum will denn niemand öffentlich die Bayern herausfordern?
Ich meine schon, dass der BVB zum Beispiel dieses Anspruchsdenken hat, vielleicht auch einige andere. Aber mit einer
öffentlichen Ansage ist eben kein Punkt mehr gewonnen. Ich traue Dortmund jedenfalls zu, dass sie die Meisterschaft spannend halten.

Mit dem Hoffenheimer Weg, Talente zu entdecken und dann gewinnbringend weiterzuverkaufen, hat sich der Verein von Mäzen Dietmar Hopp finanziell emanzipiert und in der Liga seine Nische gefunden. Aber wird's dort auf Dauer nicht langweilig?
Das ist auf keinen Fall langweilig, sondern hochgradig spannend und anspruchsvoll. Natürlich gibt es in der Nahrungskette noch zahlreiche Klubs, die über uns stehen, aber wir haben uns eine starke Position in der Liga erarbeitet. Betrachtet man die Fakten, wird deutlich, dass bei der TSG in den vergangenen Jahren die meisten Nachwuchsspieler ins Profigeschäft entwickelt wurden und dass es keinen anderen Klub gibt, in dem so viele Experten gereift sind, die sich mittlerweile vielerorts in absoluten Spitzenpositionen etabliert haben. Der letztjährige und der aktuelle Bayern-Trainer sind dafür wohl die besten Beispiele.

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Rosen: Nagelsmanns Qualität war unübersehbar

Bei Andrej Kramaric, an dem der FC Bayern großes Interesse hatte, sind Sie letzten Winter hart geblieben. War das ein Zeichen eines Wandels des Selbstverständnisses in Hoffenheim?
Unabhängig von Andrej, zu dem ich natürlich keine vertraglichen Details preisgeben werde, haben wir uns als TSG Hoffenheim in den vergangenen Jahren die Stärke erarbeitet, bei Angeboten auch mal Nein sagen zu können.

Auch die Münchner waren mal an Andrej Kramaric interessiert.
Auch die Münchner waren mal an Andrej Kramaric interessiert. © dpa

Mit Angelo Stiller, Chris Richards und Trainer Sebastian Hoeneß haben Sie sich zuletzt häufiger beim Rekordmeister bedient. Wollten Sie so auch ein wenig das berühmte Bayern-Gen importieren?
...
oder ob die Bayern das Hoffenheim-Gen importieren wollten?! Mir fallen da Namen ein wie Niklas Süle, Sandro Wagner, Sebastian Rudy, Serge Gnabry und nicht zuletzt Julian Nagelsmann. (lacht) Aber im Ernst: Wir sind sehr froh, dass wir die drei bei uns haben. Sebastian hat mit Angelo und Chris bereits in München gut zusammengearbeitet.

Sie gelten als der Entdecker von Julian Nagelsmann. Damals, als Sie ihn mit 28 Jahren zum Cheftrainer beförderten, mussten Sie viel Spott ertragen. Heute lacht keiner mehr, oder?
Julian und ich hatten und haben ein außergewöhnliches Verhältnis - nicht nur auf beruflicher Ebene - seitdem wir damals fast zeitgleich in der TSG-Akademie angefangen haben. Ich als junger Nachwuchsleiter, er als junger Co-Trainer. Wir sind viele Jahre vertrauensvoll einen gemeinsamen Weg gegangen. Aber ich sage ganz bewusst, ich bin nicht der Entdecker von Julian. Mit seiner überragenden Qualität und starken Persönlichkeit konnte man ihn gar nicht übersehen - übrigens auch nicht überhören. (lacht)

Nagelsmann und Rosen: Das Wiedersehen fällt am Samstag aus

War sein Weg zum FC Bayern schon damals vorgezeichnet?
Ich war mir von Anfang an sicher, dass Julian einmal Bundesligatrainer werden wird. Bayern München zu übernehmen und dann auch noch in diesem Alter (mit 33, Anm. d. Red.) - das ist natürlich im positiven Sinne der absolute Vollwahnsinn.

Ist es nicht unfair, wenn Sebastian Hoeneß - wie eigentlich alle TSG-Trainer mittlerweile - immer an Julian Nagelsmann gemessen werden?
Ich habe mit Basti eine herausragende Zusammenarbeit und derartige Vergleiche stellen wir bei der TSG nicht an. Sie sind schlicht und ergreifend sinnlos.

Erst Bayern, jetzt Hoffenheim: Trainer Sebastian Hoeneß.
Erst Bayern, jetzt Hoffenheim: Trainer Sebastian Hoeneß. © dpa

Berät Sie Ihr Freund Julian Nagelsmann eigentlich immer noch beim Sneakerkauf?
(lacht) Ich habe die Schuhe immer noch, die er mir mal geschenkt hat, und ich trage sie auch hin und wieder. Ich will nicht sagen, dass ich ohne ihn aufgeschmissen bin, aber zu der Zeit, als er in Hoffenheim war, war ich modisch deutlich weiter. Da ist immer mal wieder was für mich abgefallen.

Ihr Wiedersehen in der Allianz Arena am Samstag muss nun ausfallen, da der Bayern-Coach positiv auf Corona getestet wurde.
Das ist außerordentlich bedauerlich, da wir uns leider nur sehr selten sehen können. Unabhängig davon geht es mir gerade weniger um unser Wiedersehen, sondern vielmehr hoffe ich, dass Julian möglichst beschwerde- und symptomfrei durch die nächsten Tage kommt.

Würde die Männerfreundschaft Rosen/Nagelsmann auch eine Klatsche, wie sie sich zuletzt Bayer Leverkusen gegen den Rekordmeister eingefangen hat, aushalten?
Selbstverständlich! Ich bin mir auch sicher, dass es andersherum genauso wäre, auch wenn Julian bei einer Niederlage wohl einen Tag länger bräuchte als ich. (schmunzelt)

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