Nach Sammers Wutanfall: Guardiola wehrt sich

München - Moskau? ZSKA? Eher für die russischen Reporter interessant, die am Montagnachmittag die Pressekonferenz des FC Bayern an der Säbener Straße besuchten. Viel mehr als Aussagen zum Gegner des ersten Champions-League-Vorrundenspiels heute wurde mit Spannung erwartet, wie der Post-Triple-Trainer Pep Guardiola auf den Wutanfall des Sportdirektors nach dem 2:0 gegen Hannover („Dienst nach Vorschrift! Raus aus der Komfortzone! Die Spieler verstecken sich hinter dem Trainer!”) reagiert.
Dass Guardiola die Schelte nicht gefallen hat, konnte man an seiner Mimik ablesen, er bemühte sich aber um Deeskalation. „Matthias ist sehr emotional – wie ich. Er ist der wichtigste Mensch in der Kabine für mich, einer der wichtigsten für mich im Verein.” So viel zur Hierarchie, denn tatsächlich steht der Sportdirektor über dem Trainer. Doch was ist mit der Wirkung von Sammers Aussagen? „Ich bin nicht überrascht über Sammers Meinung”, sagte Guardiola, der betonte, dass die Bosse ihn von Anfang an unterstützt hätten.
Dann der entscheidende Satz: „Das ist die Kultur hier in Deutschland. Wenn sich Menschen wie Rummenigge, Hoeneß oder Sammer zu Wort melden, dann ist das bei Bayern normal. Da muss ich mich anpassen. Ich akzeptiere das gern. In Spanien wenn das passiert, hoho, dann haben wir ein großes Problem, das kennen wir so nicht.” Will sagen: Reden ist (deutsch-)silber, Schweigen ist (spanisch-)gold. Es war seine Art, darauf zu antworten. Unterm Strich bleibt: Pep wehrt sich. Auch inhaltlich widerspricht er Sammers Sorge, Dortmund könne enteilen (Vorsprung zwei Punkte).
„Warum? Es ist der 5. Spieltag, wir haben Zeit. Die Saison ist noch lange.” Und im Übrigen sei er zufrieden damit, „wie wir bisher gespielt haben. Die Spieler machen, was ich Ihnen sage, das ist für mich wichtig. Sie folgen mir. Nur der Trainer hat die Verantwortung.” Womit er dies nochmal klargestellt hatte.
Zur Erklärung: In seiner Zeit beim FC Barcelona (2008- 2012) hatte Guardiola zwei Sportdirektoren an seiner Seite, Txiki Beguiristáin und Andoni Zubizarreta. „Doch beide saßen nicht unten auf der Trainerbank und zweitens haben sie sich nach Spielen nur sehr moderat und ausgeglichen geäußert. Solch eine Kritik kennt Pep nicht”, sagt der katalanische Reporter Isaac Lluch, der als Deutschland-Korrespondent über Guardiola und Bayern berichtet.
Die Sammer-Kritik hat den Verein gespalten. Ehrenpräsident Franz Beckenbauer stärkte Sammer den Rücken, Präsident Uli Hoeneß bestellte ihn zum Rapport. „Ich verstehe, dass Matthias den Finger in die Wunde legen will”, sagte er dem „kicker”, „allerdings finde ich nicht, dass wir eine Wunde haben.” Letzte Saison war Trainer Jupp Heynckes nach einer Sammer-Kritik („Lätschern!”) angefressen, bezeichnete die Kritik als „Populismus”. Erst nach einer Aussprache konnte das Verhältnis gekittet werden.
Intern dürften die Debatten andauern, weitere Fragen zur Causa Sammer wurden auf der Pressekonferenz unterbunden. Ob er „Dienst nach Vorschrift” abliefere, wurde Toni Kroos gefragt: „Das glaube ich nicht. Matthias Sammer ist unser Sportdirektor, er verfolgt ebenso jedes Training. Er hat nicht absolut unrecht, es ist eine Warnung. So ein Anstoß ist nicht schlimm. Er ist unser Sportdirektor – also, wenn er das nicht sagen darf!”