Meist Maschine, manchmal nur Mensch
London - Es ist passiert. Manuel Neuer hat ein Tor kassiert – in der zweiten Halbzeit. Das ist doch mal eine Statistik, oder? Der Bayern-Torwart muss am 20. Oktober das erste Gegentor in Diensten der Bayern in einem Pflichtspiel in der zweiten Spielhälfte hinnehmen. Sämtliche vier Treffer der sogenannten Kontrahenten in der Bundesliga waren in Halbzeit eins gefallen, fünf Mal hielt der 29-Jährige zu Null, auch in den beiden bisherigen Partien der Champions-League. Ein Gegentreffer in Halbzeit zwei: Im Nationaltrikot war ihm dies schon in den Qualifikationsspielen in Irland (0:1) und gegen Georgien (2:1) widerfahren.
Und noch ein netter Pro-Neuer-Fakt: nur auf der Insel kassiert er mehr als ein Tor. Wie beim 3:2 in Schottland nun auch beim FC Arsenal, beim 0:2. Als er patzte. Manuel Neuer, meist Maschine, einmal Mensch. Den langen Flankenschlag von Santi Cazorla berechnete er falsch, Olivier Giroud köpfte für Arsenal ein.
Es ehrt ihn, dass er geständig war. „Ich habe die Niederlage durch meinen Fehler eingeleitet“, sagte der Nationaltorhüter, der von allen Seiten entlastet wurde. „Kein Vorwurf an Manuel“, so Thomas Müller, „es war eine chaotische Situation, in der Szene ist viel los im Strafraum. Wenn der Torwart einen Fehler macht, geht’s immer blöd aus.“ Dem Ein-Mal-Vorbeiflieger attestierte Rummenigge zuvor „zwei, drei Weltklasseparaden“. Und auch den Schuss von Mesut Özil hielt Neuer in der Nachspielzeit grandios – allerdings knapp hinter der Linie.
Für die britischen Medien war der Patzer natürlich ein Fest. Der „Guardian“ schrieb von einem „Horror-Fehler“, die „Times“ sah Neuers „Weltklasse-Leistung ruiniert“. Der „Independent“ kam zur Schlussfolgerung: „Seine Parade gegen Theo Walcott war phänomenal, aber sein grober Schnitzer schenkte Arsenal den Sieg. Vielleicht ist Neuer doch nicht der beste Torhüter der Welt.“ Was natürlich danebengegriffen war. Sehr amüsant der „Daily Mirror“: „Manuel Neuer frustrierte die Gunners – doch plötzlich verhielt er sich, als wäre er sein Namensvetter und würde in einem Hotel in Torquay kellnern.“ Eine Referenz an Manuel, den spanischen Kellner aus der britischen 70er-Jahre-TV-Serie „Fawlty Towers“, der im Gleneagles Hotel in Torquay arbeitet – beziehungsweise dilettiert.
Es war ein skurriler Abend für Neuer, der zunächst zum „Man of the Match“ avancierte, als er Walcotts Kopfball von der Linie holte. „Den hält sonst keiner“, meinte Philipp Lahm. Vielleicht! Vielleicht aber auch sein Gegenüber Petr Cech. Der Tscheche war wieder Bayerns Sargnagel. Wie schon 2012 im Champions-League-Endspiel von München, als Cech das Chelsea-Tor verriegelte.
Neuer wird darüber hinwegkommen. „Ich muss da auf der Linie bleiben“, analysierte er, „dann passiert da nichts. Das ärgert mich natürlich, aber ich weiß, dass ich ein gutes Spiel gemacht habe.“ Neue Rekorde stehen an, vielleicht kann Neuer schon Samstag gegen Köln eine Bayern-Legende übertrumpfen. Mit dem 1:0 bei Werder Bremen hielt Neuer seinen Kasten in seinem 292.Bundesligaspiel zum 137. Mal sauber und zog damit mit Sepp Maier gleich. Folgt gegen Köln das Zu-Null-Überholmanöver? Maier (71), der Rekord-Bundesligaspieler der Bayern, benötigte 473 Spiele für die 137 Partien ohne Gegentreffer. Das, obwohl vor ihm die Herrschaften Katsche Schwarzenbeck und Franz Beckenbauer verteidigten. Aber: Nobody’s perfect.