Matthäus will Versöhnung mit Hoeneß

Der Ex-Bayer, zuletzt Nationaltrainer Bulgariens, über seine Zeit in München, eine mögliche Aussöhnung und warum er es als Trainer nicht eilig hat.
von  Christoph Landsgesell
Lothar Matthäus war diese Woche nicht nur aufgrund seines Guttenberg-Zitats präsent - Ex-Kollege Mario Basler kritisierte ihn im Fachmagazin Kicker: „Ich glaube, dass Lothar ein sehr guter
Trainer ist, der eine Chance verdient hätte, aber selbst dazu beigetragen hat, dass die Klubs dieses Risiko nicht eingehen möchten“, erklärte Basler. Die AZ lässt die Trainerkarriere des Rekord-Nationalspielers in der Bilderstrecke Revue passieren.
Lothar Matthäus war diese Woche nicht nur aufgrund seines Guttenberg-Zitats präsent - Ex-Kollege Mario Basler kritisierte ihn im Fachmagazin Kicker: „Ich glaube, dass Lothar ein sehr guter Trainer ist, der eine Chance verdient hätte, aber selbst dazu beigetragen hat, dass die Klubs dieses Risiko nicht eingehen möchten“, erklärte Basler. Die AZ lässt die Trainerkarriere des Rekord-Nationalspielers in der Bilderstrecke Revue passieren. © Firo/dpa/rauchensteiner

Der Ex-Bayer über seine Zeit in München, eine mögliche Aussöhnung und warum er es als Trainer nicht eilig hat

AZ: Herr Matthäus, Sie stehen in der Jahrhundertelf des FC Bayern, zwei Seiten der Chronik „4 Sterne – 111 Jahre” sind Ihnen gewidmet. Wurde Zeit, dass Sie Ihr eigenes Exemplar bekommen. Wo kommt es hin?

LOTHAR MATTHÄUS: In meine Wohnung, da habe ich Platz. Es freut mich, dass die Fans mich in die Jahrhundertelf gewählt haben. Wenn man auf die Torwartposition schaut: Da steht Sepp Maier, nicht Oliver Kahn, nicht Jean-Marie Pfaff. Das waren Weltklasse-Torhüter. Da muss man sich gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen. Es hat auch etwas mit Sympathie zu tun, nicht alleine mit Leistung.

In der Chronik skizzieren Sie Momente Ihrer Bayern-Karriere. Ihr Resümee?

Die Zeit war erfolgreich, lehrreich, auch mit bitteren Niederlagen verbunden, aber das hilft in der persönlichen Entwicklung. Der traurigste Moment waren die Niederlagen im Finale des Europapokals der Landesmeister 1987 und in der Champions League 1999 gegen Manchester United. Der Titel, der in meiner Sammlung fehlt.

Lothar Matthäus: Seine Stationen als Trainer:



Wie war das Verhältnis zu Ihren Mitspielern?

In meiner ersten Zeit habe ich viel mit Michael Rummenigge und Jean-Marie-Pfaff unternommen. Wir waren eine verschworene Clique, zum Beispiel bei den Krisengesprächen mit Klaus Augenthaler im Bierkeller.

Sie haben mit dem FC Bayern viele Titel gewonnen. Was haben Sie dem Verein gegeben?

Ich habe für den FC Bayern Großartiges geleistet, es wird ja bei der Jahrhundertelf nicht nach Schönheit gewertet, sondern nach Sympathien. Die kann man nur über Erfolge aufbauen. Ich habe das Bayern-Wappen im Herzen getragen, habe viele Angebote aus dem Ausland gehabt. Aber ich habe dem FC Bayern lange die Treue gehalten.

1988 gingen Sie nach Italien.

Als Jupp Heynckes, schon zu Beginn der Achtziger in Gladbach mein Trainer, zu Bayern kam, hat es nicht mehr ganz funktioniert. Er wollte einen Neuaufbau, hat junge Spieler geholt. Mit einigen wollte er nicht mehr zusammenarbeiten. Deshalb war es der richtige Zeitpunkt, zu Inter Mailand zu gehen. Zur Führung, speziell Franz Beckenbauer, hatte ich immer guten Kontakt. 1992 war ich froh, wieder daheim zu sein.

 


 

Fühlten Sie sich von den Fans geliebt?

Ich glaube schon. Sie haben mich geliebt, weil sie gesehen haben, dass ich auf dem Platz immer alles gebe. Ich habe nicht immer überragend gespielt, aber nach außen immer gezeigt, dass Fußball gearbeitet wird.

Der Abschied vom FC Bayern war dann weniger schön.

Er war sensationell. Es war der 10. März 2000, wir haben im Heimspiel gegen Real Madrid mit 4:1 gewonnen und sind in der Champions League in die nächste Runde eingezogen. Nach 88 Minuten wurde ich unter Standing Ovations ausgewechselt.


Dennoch gab es Unstimmigkeiten. Nach Ihrem Abschiedsspiel haben Sie Bayern verklagt.

Was da passiert ist, hätte man vermeiden können. Man hat sich die Hand gegeben, für mich existiert das Thema nicht mehr. Wichtig ist, dass man Respekt den anderen gegenüber zeigt. Und ich habe Respekt vor den Personen, die mir damals vielleicht nicht so wohlgesonnen waren.

Wie ist mittlerweile Ihr Verhältnis zu Uli Hoeneß?

Wir sehen uns häufiger, im Stadion oder in München in der Stadt, grüßen uns. Ich würde mich freuen, mich mit Uli Hoeneß zum Abendessen zu treffen und uns mal auszusprechen. Dann kann man einige Dinge im Gespräch aufarbeiten, für die bislang keine Zeit war. Ich fühle mich zugehörig zur Bayern-Familie.

In der Chronik berichten Sie von 50000 Mark, die Heynckes drauflegen wollte, um sie bei Gladbach zu halten. Was für ein Trainer war er zu Beginn Ihrer Karriere?

Er war ehrgeizig, ließ viel mit dem Ball arbeiten. Teilweise war er vielleicht nicht locker genug. Was ihn geprägt hat, war der Auslandsaufenthalt. Und die Erfolge, wie der Gewinn der Champions League in Madrid. Mit dem Alter kommt die Ruhe. Er kann auch mit den jungen Spielern besser umgehen.

Wie geht es bei Ihnen weiter? Sie sind ja nicht mehr bulgarischer Nationaltrainer.

Am Dienstag war mein letzter Arbeitstag. Mein Vertrag wurde nicht gekündigt, es war eine Beurlaubung. Dafür gab es Gründe, auf die ich nicht eingehen möchte. Aber es hat nicht nur mit sportlichen Aspekten zu tun.

Was nun?

Ich habe seit zwei Monaten Anfragen aus verschiedenen Ländern, als Club- und Nationaltrainer. Aber erstens hatte ich noch einen Vertrag in Bulgarien, zweitens muss man ja nicht gleich den nächsten Vertrag unterschreiben. Ich nehme mir eine Auszeit, beobachte den Markt. Die Angebote kommen automatisch. Ich habe einige negative Erfahrungen gemacht, weil ich Verträge unterschrieben habe, die ich nicht bis ins kleinste Detail durchleuchtet hatte.

 


 


Wo leben Sie jetzt?

Ich bleibe in Budapest in meiner Wohnung. Dort fühle ich mich wohl, da ist mein Lebensmittelpunkt. In München habe ich schon lange keine Wohnung mehr.

Glauben Sie noch an ein Engagement in der Bundesliga?

Ich bin jetzt seit zehn Jahren Trainer, wenn man das verfolgt hat, kann man sehen, was ich geleistet habe. Aber es wird zuviel meines Privatlebens ins Berufliche gemischt. Was haben meine Frauen mit dem Fußball zu tun? Ich gehe nach Leistung. Ich war in meinen bisherigen Stationen immer ehrlich, habe hart und professionell gearbeitet. Von dieser Seite kann ich mir nichts vorwerfen, da lasse ich mir auch nicht reinreden. Ich hätte mich gefreut, wenn ich in der Bundesliga die Chance bekommen hätte. Es wurde ja viel diskutiert, dabei vermisse ich den Respekt. Aber ich bin nicht auf die Bundesliga fixiert. Und warum sollte es jetzt in Deutschland klappen? Das hat es die vergangenen zehn Jahre schon nicht.

Zur Bayern-Saison: Wie sehr fehlt Schweinsteiger?

Wenn ich höre, dass der FC Bayern die beste Elf hat, seitdem der Verein existiert: Da kann es doch nicht allein an Schweinsteiger liegen, dass man die letzten beiden Spiele verloren hat. Natürlich ist er wichtig, aber wir konnten früher Effenberg, Scholl oder mich ersetzen, das muss jetzt auch möglich sein. Die Niederlagen an Schweinsteigers Fehlen festzumachen, wäre mir eine zu billige Ausrede.

Woran könnte es liegen?

Vielleicht fiel es den Bayern zu Saisonbeginn zu leicht. Man hatte schon die Hand an der Schale, ließ sich einlullen. Nur noch Lobeshymnen. Doch auch in so einer guten Phase muss man kritisch miteinander umgehen, das hat man vielleicht vergessen.


Fehlt in einem Spiel wie gegen Mainz oder Dortmund ein so genannter Führungsspieler?

Da hätte man vielleicht einen wie Effenberg gebraucht, der auf dem Platz provoziert. Aber die Lautsprecher im Fußball gibt es nicht mehr. Die Spieler sind vorsichtiger, weil sie wissen, wie schnell sie anecken können. Was darf man in den Medien sagen? Interviews werden zensiert. Früher hat man als Spieler seine Interviews gegeben, am nächsten Tag hat man im Training eins draufbekommen, weil man etwas Falsches gesagt hat. Was wir uns erlaubt haben, geht heutzutage nicht mehr: Wir haben bis um sechs Uhr in der Früh Karten gespielt, kamen angetrunken aus der Disco zurück und am nächsten Tag hat die Leistung gestimmt. Ich war gerade beim Skifahren und saß an der Hütte, von 300 Menschen haben mindestens 290 ein Foto von mir gemacht. Bummbummbummbumm. Unglaublich!

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.