Matthäus: "Kann sein, dass der FC Bayern am Ende ohne TItel dasteht"

Bei den Bayern brodelt es gewaltig. In der AZ analysiert Experte und Rekordnationalspieler Lothar Matthäus die Situation.
von  Maximilian Koch
Endet die Saison der Bayern um Ribéry, Lewandowski, Trainer Ancelotti, Müller, Hummels und Robben (v.l.) im Titelfrust?
Endet die Saison der Bayern um Ribéry, Lewandowski, Trainer Ancelotti, Müller, Hummels und Robben (v.l.) im Titelfrust? © Rauchensteiner/sampics/firo/Augenklick/dpa/AZ

München - Die AZ hat mit Lothar Matthäus gesprochen. Der Rekordnationalspieler und Weltmeister war von 1984 bis ‘88 und 1992 bis 2000 für den FC Bayern aktiv, er holte sieben Mal die Meisterschaft. Jetzt ist er Sky-Experte.

AZ: Herr Matthäus, beim FC Bayern "flutscht es noch nicht so", wie Thomas Müller sagt. Wie wichtig ist deshalb eine überzeugende Leistung an diesem Samstag gegen Mainz – auch für die Stimmung?
LOTHAR MATTHÄUS: Es muss ein Pflichtsieg her, um Ruhe reinzubringen. Gegen Anderlecht hat die Mannschaft nicht überragend gespielt, aber immerhin gewonnen. Das war wichtig. Der Klub ist selbst verantwortlich für die Stimmung – aufgrund der Spielweise und der Nebengeräusche. Die Unruhe kommt nicht von außen.

Was sind die Gründe, dass sich Bayern so schwertut?
Ein Problem ist, dass einige Spieler nur eine kurze Vorbereitung hatten. Auch die China-Reise kam nicht bei jedem gut an. Diese Probleme spiegeln sich auf dem Platz wider. Die Souveränität fehlt, die Spielfreude auch.

Bei Sky haben Sie auf die Frage, ob es Carlo Ancelottis letzte Saison bei den Bayern sein wird, mit "Ja" geantwortet.
Ich tue mich schwer, daran zu glauben, dass Ancelotti im nächsten Jahr noch Trainer bei Bayern ist. Er steht enorm unter Erfolgsdruck. Es wird Bayern nicht mehr so leicht gemacht wie in den vergangenen fünf Spielzeiten. Wenn eine Mannschaft über sich hinauswächst, kann der FC Bayern vielleicht am Ende auch mal ganz ohne Titel dastehen. Die Garantie, die Champions League zu gewinnen, hat man sowieso nicht. Schon im Achtelfinale drohen harte Gegner. Die Mannschaft muss auf und neben dem Platz mit dem Trainer zusammenfinden.

Danach sieht es nicht aus.
Das stimmt, es rumort, auch mit den Neubesetzungen Willy Sagnol und Hasan Salihamidzic, mit den unterschiedlichen Aussagen von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Es sind Kleinigkeiten, die nicht von außen kommen, sondern intern entstehen. Das muss der Klub in den Griff bekommen. Brazzo würde ich aus der Kritik rausnehmen. Er ist neu dabei, man muss ihm Zeit geben.

Robert Lewandowskis Äußerungen im Spiegel haben nicht gerade zum Bayern-Frieden beigetragen.
Lewandowski hätte seine Kritik intern anbringen können, vielleicht hat er das Thema zuvor schon angesprochen. Er hat auf jeden Fall einen Anstoß gegeben, mehr Geld in den Kader zu stecken, um die Qualität zu erhöhen. Ich verstehe ihn. Jeder Spieler in einer Position wie Lewandowski will sich auf höchstem Niveau messen. Aus seiner Sicht ist ein gestandener Spieler wie Neymar eben wichtiger für einen Klub als ein Nachwuchsspieler oder ein nicht ganz so teurer Spieler.

Glauben Sie an einen Lewandowski-Wechsel zu Real Madrid vor Vertragsende 2021?
Vor zwei Jahren hätte ich gesagt: Ja, ich kann mir Lewandowski gut bei Real vorstellen. Jetzt ist Madrid offensiv so stark aufgestellt, dass das eher unwahrscheinlich ist. Lewandowski ist nicht mehr der Jüngste. Er sieht, was auf dem Transfermarkt passiert: Da gibt ein Klub 250 Millionen aus, da werden Neymar und Mbappé gekauft – und Lewandowski will die Champions League gewinnen. Er denkt vielleicht, dass Stars mehr bringen als Zukunftsspieler, wie sie Bayern gerade holt. Aber unter 70 Millionen bekommt man heute keinen Spieler mehr von höchster Qualität.

Wird sich Thomas Müllers Position unter Ancelotti noch verbessern?
Es sieht zurzeit so aus, als ob es für Müller im System und im Kopf von Ancelotti keinen Platz gibt. Müller wird seine Einsätze bekommen, Tore erzielen und Treffer vorbereiten, aber Ancelotti wird anderen Spielern mehr vertrauen. Eine klare Position für den Freigeist Müller gibt es bei Ancelotti nicht. Der Trainer hat mit seiner Aufstellung gegen Anderlecht gezeigt, wie er denkt – und vergangene Saison auch schon. Wenn man Müller in die Mannschaft einbauen will, holt man keinen James. Erst recht nicht, wenn man schon Thiago hat.

Wie kann Ancelotti Franck Ribéry in den Griff kriegen?
Ich habe Franck vor ein paar Wochen gesagt: Sei froh, wenn du in deinem Alter mal ausgewechselt wirst, dann kannst du dich erholen. Das muss er begreifen. Gerade jetzt ist eine Aktion wie der Trikot-Wurf unnötig. Es war Anderlecht in der Gruppenphase, nicht Real im Halbfinale. So eine Auswechslung muss er weglächeln. Ottmar Hitzfeld hat mir früher auch mal ein Wochenende frei gegeben mit der Familie, damit ich zu hundert Prozent fit war, wenn es in die wichtigen Spiele ging. Ich war froh darüber.

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